Interessantes hört man manchmal am Rande, an der Peripherie. Das gilt auch für die Wagner-Festspiele in Bayreuth. Wenn sich die Bratschisten, Oboisten oder Blechbläser nach den Aufführungen weit genug weg vom Festspielhaus in ihren Stammkneipen treffen, werden laut Interna verhandelt, die großartige Dirigierarbeit des Ring-Maestro Christian Thielmann etwa oder die Unfähigkeiten mancher Sänger. Aber auch auf dem Hügel war bei der neuen Ring-Inszenierung von Tankred Dorst das Interessante nicht im Zentrum, also auf der Bühne, zu erleben, sondern unter der Bühne. Die ganz unten im Orchestergraben haben 16 Stunden lang schönste Klänge gezaubert, wie Siegfrieds Rheinfahrt.
Christian Thielemann erfreute sich und das Publikum an der Vertikalen, verweilte im schönen Augenblick eines vielfarbigen Klangbouquets. Expressiv und zart, nüchtern kristallin, mit hingebungsvollen Pausen, von dunkelster Stille konnten die Farben sein - und immer mit Leichtigkeit zum Klingen gebracht. Die Horizontale, das Ziel musikalischer Entwicklung verlor er dabei nicht aus den Augen. Die Sänger trug er dabei wie auf einer Sänfte, abreitete nie gegen, sondern immer für sie.
So beatmete Thielemann den zentralen ästhetischen Ort, wo der Dramatiker Tankred Dorst hätte wirken sollen. Seine "Götterdämmerung" hat nun endgültig bewahrheitet, was man seit seinem "Rheingold", über die "Walküre" bis zum "Siegfried" zunehmend befürchten musste: Seine Grundidee ist gescheitert. Den Mythos und die Sage ohne politische Aktualisierung an den verwahrlosten Peripherien unserer Gegenwart spielen zu lassen und auf uns Heutige wirken zu lassen, war glänzend gedacht. Doch erstens reicht es dafür nicht, ein paar Kinder von heute über die Bühne laufen zu lassen, oder wenn am Ende Siegfried tot ist und die Mythenwelt in einem großen Inferno untergeht, Hotelgäste panisch aus ihren Zimmern flüchten zu lassen. Zweitens widerspricht Dorst seinem Konzept. Im letzten Teil der Tetralogie lässt er Hagen, den Zwergensohn, der an Siegfrieds Ring kommen will, um sich zum bösen Weltherrscher aufzuschwingen, nicht einfach einen sagenhaften Schurken sein. Er verortet ihn historisch, als Faschisten in einer faschistischen Architektur, die aber auch an eine DDR-Edelplatte erinnert.
Und wenn es das offensichtliche Anliegen war, dem Mythos Geltung zu verschaffen, so hätte er auch in seiner düsteren Gewalt und märchenhaften Verspieltheit ausgekostet werden müssen. Aber auch das, zum dritten, gelingt nicht. Dorst verweigert ein illusionistisches Theater, der Drachenkampf im "Siegfried" war nur heiße Luft, Alberichs Verwandlungskünste im "Rheingold" Geisterbahn-Grusel.
So war es für viele Herren in Smoking und Damen in Abendkleidern eine Wohltat, in den Pausen sich an den Rand des Festspielareals auf eine Sonnenwiese zu flüchten und mit gerafften Säumen und Hosenbeinen durch ein eisiges Kneipbecken zu stapfen. Im Ohr eine der wenigen herausragenden Stimmen, wie die der Mihoko Fujimura, die mal die Erda, mal die Waltraute sang und ihre Schwester Brünnhilde bat, den Ring in den Rhein zurückzuwerfen, um das Elend der Götter zu beenden:
Neben dieser Waltraute konnte sich auch Hans-Peter König als voluminöser Hagen hören lassen. Alexander Marco-Buhrmester als Gunther und Gabriele Fontana als Gutrune war ordentlich, blieben aber etwas blass. Die stimmmächtige Linda Watson erwies sich für die Brünnhilde als Fehlbesetzung. Mit ihrem metallisch scharfen Sopran konnte sie der geschmeidigen und jugendlichen Rolle nicht gerecht werden. Stephen Gould schlug sich für den Siegfried tapfer, gewann ihm auch stimmlich eine selten gehörte Freundlichkeit ab, steigerte sich auch, glanzvoll wurde er aber nicht. Allein Adrianne Pieczonka war unter den Hauptdarstellern mit ihrer Sieglinde auf der Höhe ihrer Rolle. Am Schluss, nach Siegfrieds Tod, muss man aber leider auch eine gute Ring-Idee zu Grabe tragen.
In den Seitenstraßen von Bayreuth gibt es auffallend viele Bestattungsunternehmen. Eines, mit einigen Filialen am Rande, trägt den schönen Namen seines Inhabers, Himml, wie der Himmel, aber ohne e. Ästhetisch gesehen hätte Himml auf dem Hügel, vom Graben abgesehen, cum grano salis, einiges zu tun.
Christian Thielemann erfreute sich und das Publikum an der Vertikalen, verweilte im schönen Augenblick eines vielfarbigen Klangbouquets. Expressiv und zart, nüchtern kristallin, mit hingebungsvollen Pausen, von dunkelster Stille konnten die Farben sein - und immer mit Leichtigkeit zum Klingen gebracht. Die Horizontale, das Ziel musikalischer Entwicklung verlor er dabei nicht aus den Augen. Die Sänger trug er dabei wie auf einer Sänfte, abreitete nie gegen, sondern immer für sie.
So beatmete Thielemann den zentralen ästhetischen Ort, wo der Dramatiker Tankred Dorst hätte wirken sollen. Seine "Götterdämmerung" hat nun endgültig bewahrheitet, was man seit seinem "Rheingold", über die "Walküre" bis zum "Siegfried" zunehmend befürchten musste: Seine Grundidee ist gescheitert. Den Mythos und die Sage ohne politische Aktualisierung an den verwahrlosten Peripherien unserer Gegenwart spielen zu lassen und auf uns Heutige wirken zu lassen, war glänzend gedacht. Doch erstens reicht es dafür nicht, ein paar Kinder von heute über die Bühne laufen zu lassen, oder wenn am Ende Siegfried tot ist und die Mythenwelt in einem großen Inferno untergeht, Hotelgäste panisch aus ihren Zimmern flüchten zu lassen. Zweitens widerspricht Dorst seinem Konzept. Im letzten Teil der Tetralogie lässt er Hagen, den Zwergensohn, der an Siegfrieds Ring kommen will, um sich zum bösen Weltherrscher aufzuschwingen, nicht einfach einen sagenhaften Schurken sein. Er verortet ihn historisch, als Faschisten in einer faschistischen Architektur, die aber auch an eine DDR-Edelplatte erinnert.
Und wenn es das offensichtliche Anliegen war, dem Mythos Geltung zu verschaffen, so hätte er auch in seiner düsteren Gewalt und märchenhaften Verspieltheit ausgekostet werden müssen. Aber auch das, zum dritten, gelingt nicht. Dorst verweigert ein illusionistisches Theater, der Drachenkampf im "Siegfried" war nur heiße Luft, Alberichs Verwandlungskünste im "Rheingold" Geisterbahn-Grusel.
So war es für viele Herren in Smoking und Damen in Abendkleidern eine Wohltat, in den Pausen sich an den Rand des Festspielareals auf eine Sonnenwiese zu flüchten und mit gerafften Säumen und Hosenbeinen durch ein eisiges Kneipbecken zu stapfen. Im Ohr eine der wenigen herausragenden Stimmen, wie die der Mihoko Fujimura, die mal die Erda, mal die Waltraute sang und ihre Schwester Brünnhilde bat, den Ring in den Rhein zurückzuwerfen, um das Elend der Götter zu beenden:
Neben dieser Waltraute konnte sich auch Hans-Peter König als voluminöser Hagen hören lassen. Alexander Marco-Buhrmester als Gunther und Gabriele Fontana als Gutrune war ordentlich, blieben aber etwas blass. Die stimmmächtige Linda Watson erwies sich für die Brünnhilde als Fehlbesetzung. Mit ihrem metallisch scharfen Sopran konnte sie der geschmeidigen und jugendlichen Rolle nicht gerecht werden. Stephen Gould schlug sich für den Siegfried tapfer, gewann ihm auch stimmlich eine selten gehörte Freundlichkeit ab, steigerte sich auch, glanzvoll wurde er aber nicht. Allein Adrianne Pieczonka war unter den Hauptdarstellern mit ihrer Sieglinde auf der Höhe ihrer Rolle. Am Schluss, nach Siegfrieds Tod, muss man aber leider auch eine gute Ring-Idee zu Grabe tragen.
In den Seitenstraßen von Bayreuth gibt es auffallend viele Bestattungsunternehmen. Eines, mit einigen Filialen am Rande, trägt den schönen Namen seines Inhabers, Himml, wie der Himmel, aber ohne e. Ästhetisch gesehen hätte Himml auf dem Hügel, vom Graben abgesehen, cum grano salis, einiges zu tun.