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Gorleben
"Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will es nicht juristisch erzwingen, dass Gorleben weiter als mögliches Atommüll-Endlager erkundet wird. Eine Gleichbehandlung der möglichen Standorte ist damit aber noch nicht erreicht, sagt Jochen Stay von der Anti-Atomkraft-Initiative "Ausgestrahlt" im DLF.

Jochen Stay im Gespräch mit Georg Ehring | 27.03.2014
    Georg Ehring: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will eine weitere Erkundung von Gorleben nicht mehr mit juristischen Mitteln durchfechten. Hendricks bestätigte gestern, dass eine Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans in Gorleben auf ihre Anweisung hin zurückgezogen wurde. Der Rahmenbetriebsplan war die juristische Grundlage dafür, dass der Salzstock in Gorleben weiter als mögliches Endlager für hoch radioaktiven Abfall erkundet werden kann. Niedersachsen hatte ihn aufgehoben und der frühere Bundesumweltminister Peter Altmaier hatte dagegen geklagt. Der Schritt von Barbara Hendricks wurde als vertrauensbildende Maßnahmen an die Gorleben-Kritiker interpretiert. Frage an Jochen Stay, den Sprecher der Anti-Atomkraft-Initiative "Ausgestrahlt": Erleben Sie es auch so, dass die Ministerin auf die Umweltgruppen zugeht?
    Noch immer keine weiße Landkarte
    Jochen Stay: Es ist auf jeden Fall ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber es ist aus unserer Sicht kein ausreichender Schritt. Um das mal zu vergleichen. Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe und nachher sagt der Mechaniker, schauen Sie mal, wunderbar, ich habe das Licht repariert, aber die Bremsen sind immer noch kaputt, dann werde ich nicht zufrieden sein. Und so haben wir auch, was Gorleben angeht, noch eine ganze Reihe anderer Punkte, die immer noch im Argen liegen, die immer noch dazu führen, dass wir diese weiße Landkarte nicht haben, sondern Gorleben in dem jetzt kommenden Verfahren immer noch Vorteile genießt gegenüber anderen Standorten, und deswegen muss da eigentlich noch mehr kommen, damit wir wirklich ein ergebnisoffenes Verfahren bekommen.
    Ehring: Was muss denn noch kommen? Wo liegen die Bremsen?
    Stay: Das eine ist – da wird es sehr speziell, aber ich glaube, es ist wichtig: Es gibt in Gorleben eine sogenannte Veränderungssperre. Das heißt, niemand darf diesen Salzstock anbohren für andere Zwecke, damit da nicht Löcher entstehen und das dann kein Endlager mehr werden kann. An anderen Standorten, die jetzt von den Geologen auch identifiziert wurden als mögliche Regionen für so ein Endlager, da gibt es solche Veränderungssperren nicht. Und wir haben aus den Behörden gehört, dass es jetzt schon findige Kommunalpolitiker gibt, die sagen, wir machen jetzt mal schnell ein Erdwärme-Projekt, oder ein Gasförderungs-Projekt, und durchlöchern sozusagen unseren Untergrund, dann sind wir fein raus. Das heißt, eigentlich braucht es an all diesen Orten eine solche Veränderungssperre, damit eine Gleichbehandlung da ist.
    Ehring: Das heißt, Sie fordern Veränderungssperren an allen möglichen Endlagerstandorten, einschließlich Gorleben?
    Stay: Entweder an allen oder an keinen. Das würde eine Gleichbehandlung bedeuten. Ein zweiter Punkt, vielleicht auch noch ganz wichtig: Wir haben ja in dieser geplanten Kommission eine Liste von acht Wissenschaftlern, die dort beteiligt sein sollen, und diese Wissenschaftler sind bisher sehr an dieser Gorleben-Frage ausgerichtet ausgesucht worden. Das sind im Prinzip Leute, die sind bisher schon Konfliktpartei. Das sind nicht integre Persönlichkeiten, die Vertrauen von allen Seiten genießen, und aus unserer Sicht braucht man das, um wirklich eine ergebnisoffene Suche organisieren zu können.
    Ehring: Das heißt, die Kommission muss anders zusammengesetzt werden. Wie denn?
    Atommüll in Gorleben
    Atommüll in Gorleben (AP)
    Stay: Wir glauben, dass wenn man dort - und so ist es bisher geplant von den Bundestagsfraktionen - wirklich nur Wissenschaftler hat, die anhand dieses Gorleben-Konflikts ausgesucht sind - da sind uralte Gorleben-Befürworter, uralt jetzt nicht an Lebensjahren, aber an Dienstzeit, die ihr ganzes Leben dafür gearbeitet haben, dass Gorleben zum Endlager wird, die sitzen da mit drin -, das sind ausgewiesene Gegner dieses Neustarts, den es jetzt geben soll. Andererseits sitzen da ausgewiesene Gorleben-Kritiker drin. Ich will die da beide nicht drin haben, sondern ich will Wissenschaftler haben, die über diesen Konflikt hinausdenken und wirklich schauen, was ist nötig, um überhaupt gesellschaftlich eine Situation zu bekommen, dass man so ein Endlager am Ende auch bekommt. Weil, das klingt vielleicht aus meinem Munde etwas seltsam, aber am Ende muss es ja möglich sein, dass der Standort, den die Geologen für den am wenigsten schlechten halten, dass der dann nicht am Widerstand der örtlichen Bevölkerung scheitert. Deswegen brauchen wir ein Verfahren und brauchen Akteure in diesem Verfahren, denen die Menschen wirklich vertrauen.
    Der Konflikt in der Gesellschaft muss gelöst werden
    Ehring: Stehen Sie denn zu der weißen Landkarte, oder lehnen Sie Gorleben von vornherein ab?
    Stay: Es ist längst erwiesen, dass Gorleben geologisch viel schlechter ist als viele andere Salzstöcke zum Beispiel in Norddeutschland. Von daher wäre es eigentlich logisch gewesen, Gorleben schon vorher auszuschließen. Jetzt hat man diesen Konflikt sozusagen mit in das neue Verfahren reingepackt und meine große Sorge ist, dass das neue Verfahren daran auch scheitern wird. Dann hat man einen Standort, da sind schon 1,6 Milliarden vergraben worden. Wie will man den ergebnisoffen vergleichen mit neuen Standorten? Da spielen dann ganz viele Interessen rein, da spielt der alte Konflikt rein und daran droht, das dann zu scheitern. Ich glaube, die Chancen wären anders größer gewesen, aber nun ist Gorleben mit drin. Das ist der einzige Standort, der in diesem Gesetz benannt ist. Auch von daher ist er schon wieder im Vorteil und wir müssen nun schauen, ob es trotzdem in irgendeiner Weise gelingen kann, dieses Verfahren. Wir haben dazu ganz konkrete Vorschläge an die Politik gemacht und hoffen, dass die Politik jetzt über ihren Schatten springt und wirklich sagt, okay, wir versuchen das gemeinsam. Dazu gehört für uns, dass diese Kommission nicht Mehrheitsabstimmungen macht, weil diesen Konflikt in der Gesellschaft kriegen wir nicht gelöst, wenn die eine Seite die andere überstimmt. Dann wird die Minderheit wieder den Konflikt außerhalb weiter betreiben. Sondern wir sagen, in dieser Kommission braucht es Konsensentscheidungen. Wir müssen uns auf einen gemeinsamen Weg einigen und vor allem auch müssen wir uns einigen, wer diese Wissenschaftler sind, die wirklich integre Persönlichkeiten sein müssen.
    Ehring: Soweit Jochen Stay von der Initiative "Ausgestrahlt". Das Gespräch haben wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.