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Griechenland-Hilfen
Rumoren in der Unionsfraktion

Nach der Einigung auf europäischer Ebene stimmt der Bundestag am Mittwoch über das dritte Hilfspaket für Griechenland ab. Ein Ja aus Berlin scheint sicher, allerdings verliert Bundeskanzlerin Merkel in der eigenen Fraktion zunehmend an Rückhalt.

Von Stefan Maas | 15.08.2015
    Die Kanzlerin und der Finanzminister: Merkel und Schäuble am 10.09.2014 im Deutschen Bundestag
    Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble im Bundestag: Der Finanzminister gehört zu den größten Kritikern eines neuen Griechenland-Hilfspakets. (picture-alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Eigentlich standen für den Mittwoch der kommenden Woche deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen auf dem Programm der Bundeskanzlerin. Doch statt zu Gesprächen nach Brasilia zu reisen, wird sich Angela Merkel nun doch wieder einmal mit Athen beschäftigen müssen. Am Vormittag bestätigte ein Sprecher des Parlaments, dass die Bundestagsabgeordneten am kommenden Mittwoch zu ihrer Sondersitzung zusammenkommen, um über das dritte Hilfspaket für Griechenland abzustimmen.
    Dass das deutsche Parlament grünes Licht geben wird, daran gibt es zwar keine grundsätzlichen Zweifel. Für die Kanzlerin und CDU-Chefin ist die Abstimmung dennoch kein Durchmarsch, denn gerade in den Reihen der Union gibt es zahlreiche Abgeordnete, die den neuen Hilfen nicht zustimmen dürften. Im Juli, als über die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm abgestimmt wurde, hatten 60 Abgeordnete von CDU und CSU Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gefolgschaft verweigert und mit Nein gestimmt. Fünf weitere enthielten sich.
    Erschweren dürfte die Überzeugungsarbeit, dass der Internationale Währungsfonds sich eine Beteiligung am dritten Hilfspaket derzeit offenlässt. Diese Beteiligung hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble immer als Ziel ausgegeben. Auch weil Berlin hofft, dass der IWF, der sein Engagement immer an strenge Auflagen knüpft, den Druck auf Athen erhöhen könnte, die vereinbarten Reformen auch wirklich umzusetzen. Nach den gestrigen Verhandlungen erklärte Wolfgang Schäuble, dass man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre die Umsetzung sehr engmaschig kontrollieren werde. Auch werde das Geld nur schrittweise ausgezahlt.
    "Die erste Tranche, die jetzt ja schon unmittelbar ausgezahlt werden muss, wenn entsprechend beschlossen wird, soll auf 26 Milliarden Euro sich belaufen. Dafür sind 10 Milliarden für die Bankenrekapitalisierung vorgesehen, damit möglichst schnell eine Entwicklung in Gang gebracht werden kann, die es erlaubt, die Kapitalverkehrskontrollen wieder aufzuheben. Was natürlich ganz wichtig ist, dass die griechische Wirtschaft schneller weiter sich dynamisch entwickeln kann."
    Schäuble musste sich geschlagen geben
    Gerade zu einer Dynamisierung komme es durch das neue Hilfspaket eben nicht, erläutert Gregor Gysi, der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion im Interview der Woche(*) des Deutschlandfunk:
    "Die meisten Milliarden, die zur Verfügung gestellt werden, dienen ja nur dazu neue Schulden zu bezahlen. Es ist ein Kreislauf, da müssen wieder neue Schulden gemacht werden, um die alten zu bezahlen, und das wird immer so weitergehen."
    Eigentlich müsse es darum gehen, Griechenland eine Chance zum Wachstum zu geben.
    "Wenn ich aber die Renten kürze, wenn ich Steuern erhöhe, und zwar die falschen, die Verbrauchssteuern, ich rede nicht von der Einkommenssteuer, das kann ja ganz vernünftig sein. Aber wenn ich zum Beispiel die Mehrwertsteuer erhöhe für die Inseln, die da privilegiert sind, dann bedeutet das, dass ich den Tourismus erschwere. Wenn ich den Tourismus erschwere, dann geht die wichtigste Einnahmequelle, baue ich dann ab. Dann haben die noch weniger Steuereinnahmen, dann können die ihre Schulden nicht zurückzahlen."
    Das neue Hilfspaket werde erst einmal zu weiteren wirtschaftlichen Problemen und mehr Armut in Griechenland führen, sagte der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold ebenfalls im Deutschlandfunk. Einige der vorgesehenen Strukturreformen seien jedoch sinnvoll: Etwa die Möglichkeit, die Namen von Steuersündern im Internet zu veröffentlichen. Für Finanzminister Schäuble sei die gestrige Einigung eine Niederlage gewesen, sagte der grüne Finanzexperte. Schäuble habe den Grexit nicht durchsetzen können und auch die Beschlüsse nicht hinauszögern können.
    "Ich vermute letztlich weder in der Bundesregierung gab es eine Mehrheit für seine Position noch unter den Europartnern."
    Letztlich habe Schäuble nicht für das Scheitern des Euro verantwortlich sein wollen und habe sich deshalb gebeugt, vermutet Giegold.
    (*Das Interview der Woche mit Gregor Gysi hören Sie am Sonntag, 16.08.2015, ab 11.05 Uhr im DLF)