
Die deutsche Wochenschau berichtete im Frühjahr 1941 vom Kriegsschauplatz im Mittelmeer. Das Unternehmen Merkur - auch bekannt als die Schlacht um Kreta - war eine der größten Luftlandeoperationen der Geschichte. Nach dem Überfall der Wehrmacht Anfang April besetzte Deutschland damals innerhalb kürzester Zeit ganz Griechenland. Was folgte, nennt der Historiker Hagen Fleischer, langjähriger Professor an der Universität Athen, ein brutales Besatzungsregime.
"Es war eindeutig die blutigste Besatzung von allen nicht-slawischen Ländern. Weit über 30.000 exekutierte Zivilisten, darunter auch viele Frauen und Kinder. Systematisch zerstörte Infrastruktur und Wirtschaft. Plünderorgien, vom Raubbau in den Bergwerken, bis hin zum Abtransport von Olivenöl und von Lebensmitteln. Und daraus resultierten die mindestens 100.000 Hungertoten im ersten Besatzungswinter."

"Noch lange Zeit danach war Griechenland in Ruinen"
"1.770 zerstörte Dörfer, über 400.000 Häuser, 80 Prozent der Straßen und der Zugverbindungen zerstört - Häfen, Flughäfen, Brücken. Noch lange Zeit danach war Griechenland ein Land in Ruinen, ein Land voller kranker Kinder, Waisenkinder und Frauen in schwarzer Trauerkleidung."
Hagen Fleischer: "Damit wurden dann vor allem solche Kosten und Ausgaben der Wehrmacht gedeckt, die nicht unter die normalen Besatzungskosten in einem Krieg fallen, sondern das waren dann die Kosten für die Kriegsführung im östlichen Mittelmeer. Also selbst Rommels Nordafrikafeldzug wurde zum Teil von den Griechen mitfinanziert."
Deutschland zahlte einmal in den 60er-Jahren
"Deutschland sollte dadurch bis zu seiner Wiedervereinigung nicht verpflichtet werden können, Entschädigungen für die Zeit des Zweiten Weltkriegs zu zahlen. Das war ein Geschenk für Deutschland, damit das Land sich erholen und seine im Krieg zerstörte Wirtschaft wieder aufbauen kann."
Deutsche Einheit brachte Thema neu auf dem Tisch
"Wir sind der Meinung: Der Zwei-plus-Vier-Vertrag war ein Friedensabkommen. Das bedeutet, jeder Schutz, der dem geteilten Deutschland gewährt wurde, hört auf. Deutschland aber hat seit 1990 die Haltung, dass dieses Thema juristisch und politisch abgeschlossen sei."
Immerhin, die blutige Besatzung Griechenlands ist in jüngster Zeit mehr ins Bewusstsein der deutschen Politik und Öffentlichkeit gerückt. Schauplätze von Massakern wie Lyngiades, Kommeno oder Distomo sind nicht mehr namenlose Orte. Dabei war auch in Griechenland die Aufarbeitung der Vergangenheit lange Zeit ein Tabu-Thema. Sie wurde weder von den Regierungen thematisiert noch in den Schulen gelehrt.

"Die größte Widerstandsorganisation in der Besatzungszeit war aber die linke EAM gewesen, die Nationale Befreiungsfront, die den Bürgerkrieg verlor. Viele Rechte hingegen hatten entweder mit den deutschen Besatzern kollaboriert oder sie hatten zumindest nicht am Widerstand teilgenommen. Und bei den Linken war das Trauma aus der Zeit noch sehr präsent. Sie haben gehofft, dass das Vergessen dieser Zeit zu einer Versöhnung der Nation führen würde. Die Haltung beider Seiten hat also nicht gerade dazu beigetragen, dass das Wissen rund um die Besatzungszeit aufrecht erhalten bleibt. Im Gegenteil."
Neues Interesse während Finanzkrise
"Die Leute wollten erfahren, was während der Besatzungszeit passiert war, wie sich das langfristig auf Griechenland ausgewirkt hat. Hinzu kam die inakzeptable Haltung der Nordeuropäer, vor allem Deutschlands, dem griechischen Volk gegenüber: das Stereotyp des faulen Südländers, der vom Kapital des Nordes profitiert. Viele Griechen sahen sich darin bestätigt, dass die Deutschen uns schon immer schaden wollten."
"Mit Scham und Schmerz bitte ich im Namen Deutschlands die Familien der Ermordeten um Verzeihung."
"Gerechtigkeit", riefen Einwohner des Dorfes Lyngiades, als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck am 7. März 2014 den kleinen griechischen Ort besuchte, um – "der Opfer eines grausamen Massakers zu gedenken". Wehrmachtsangehörige hatten am 3. Oktober 1943 82 Bewohner ermordet, darunter 34 Kinder, und fast alle Häuser zerstört. Eine Geste der Versöhnung vom deutschen Bundespräsidenten, der bei seinem Besuch aber auch deutlich machte, dass Deutschland Reparationszahlungen nach wie vor ablehne. Die deutsche Haltung bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Athen im Januar 2019:
"Alles in allem dürfen Sie davon ausgehen, wir sind uns unserer historischen Verantwortung bewusst. Wir wissen auch, wie viel Leid wir über Griechenland gebracht haben als Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus."
Die deutsche Haltung
"Das Militärlager Chaidari im gleichlautenden westlichen Stadtteil von Athen, Ausbildungsgelände der griechischen Armee. Unter der Besatzungszeit fiel es in die Hände der deutschen Okkupanten. Es war das einzige Gefangenenlager für alle Feinde des Dritten Reichs und diente als Geisellager für Vergeltungsoperationen der Wehrmacht und der SS."
Jugendarbeit, um sich für Reparationen zu drücken?
"Ausschlaggebend für die Idee des Jugendwerkes ist unsere feste Überzeugung, dass der Austausch von Jugendlichen ganz wichtig ist für die Zukunft und das Verhältnis der beiden Länder und das Zusammenwachsen Europas. Zwischen fast allen Ländern in Europa bietet sich das an, kann man sagen, aber zwischen Deutschland und Griechenland nochmal in besonderer Art und Weise, weil es ja auch eine gemeinsame Geschichte gibt, aus der eine moralische Verantwortung Deutschlands mit erwächst."

"Die deutsche Bundesregierung müsste erstmal beweisen, dass wir ihr vertrauen können, dass es dem Land wirklich um Freundschaft und Kooperation geht. Das wäre Voraussetzung für all diese Annäherungsversuche. Ohne die deutsche Bereitschaft aber, auch Reparationen und Entschädigungen zu zahlen, geht das nicht. So handelt es sich dabei nur um Aktionen, die uns täuschen oder uns provozieren wollen! Als wäre Griechenland kein unabhängiger Staat, sondern ein Protektorat, eine Kolonie!"
Misstrauen auch gegen Wissenschaftsprojekte
"Zunächst wurden ja die Videos, die Zeitzeugenaufnahmen, gemacht und die wurden kontextualisiert und wissenschaftlich erschlossen. Das Archiv enthält nicht nur die Videos, sondern enthält auch Informationen über diese Personen, Informationen über Orte, über Geschehnisse."
Die Finanzierung mit überwiegend deutschen Geldern stieß in Griechenland aber auf Kritik - auch vom Rat für Reparationsforderungen und dem Netzwerk der griechischen Opfergemeinden.
"Als wir das Bildungsmaterial hatten im November und es erst im Dezember letzten Jahres vorgestellt haben, waren die alarmiert: Die Deutschen kommen in unsere Schulen und diese Leute mit diesem Projekt, die Deutschen dahinter, wollen, dass der Geschichtsunterricht neu geschrieben wird, was vollkommen falsch ist. Wir haben gedacht, wir führen das System ein und das wird genutzt – wo auch immer! Aber ein großer Teil unserer Energie geht jetzt dazu auf, zu beweisen, dass wir nicht gesteuert sind von der Regierung A oder von der Regierung B."
Grüne und Linke fordern Umdenken
"In Lyngiades kam tatsächlich der Wunsch an uns, dass wir helfen, ein Museum einzurichten. Die haben noch kein Museum. In Komeno, das ist auch ein bekannter Ort, der sehr, sehr, sehr gelitten hat, haben sie auch kein Museum, und wir sind jetzt dabei, mit ihnen zusammen so ein dezentrales Konzept zu entwickeln, und das große Problem ist, dass sie auch kein Gästehaus haben."

"Da haben wir eine kommunale Arztpraxis inzwischen energetisch und sanitär saniert, war in einem miserablen Zustand. Das wird auch akzeptiert als eine Geste, die zeigt, dass man, was die Regierung nicht macht, eben auf Zivilebene versucht im kleinen Stil zu machen."
"Auch die Geschichte dessen, dass Griechenland immer auf das Wohlwollen des Lands der Täter angewiesen war nach dem Krieg - wir wollen diese Geschichte aufbrechen. Und deswegen wollen wir, dass der Bundestag heute Schluss macht mit der demütigenden und falschen Aussage, für Griechenland habe sich die Frage der Reparationen erledigt."
Und Gregor Gysi von den Linken fügte in der Debatte hinzu:
"Warum gilt eigentlich der Grundsatz 'Pacta sunt servanda', also, dass Verträge einzuhalten sind, nicht für die Rückzahlung des Zwangskredits, den Nazideutschland Griechenland während der Besatzung abverlangte? Da das Hitler-Regime mit der Rückzahlung schon begonnen hatte, es also selbst als Kredit anerkannt hatte, und die Bundesrepublik in der Rechtsnachfolge steht, sollte man nun endlich Verhandlungen mit Griechenland über die Konditionen der Kreditrückzahlung aufnehmen."
Versöhnung für Griechen schwer vorstellbar ohne Reparationen
"Diese Initiativen haben weder etwas mit der in die Tiefe gehenden Suche nach der historischen Wahrheit der nationalsozialistischen Besatzungszeit und deren Folgen für Griechenland zu tun, noch mit deren Verständnis; auch nicht mit der kollektiven Erinnerung der heutigen Griechen."
In der Bundestagsdebatte zum 80. Jahresstag des Überfalls auf Griechenland am 25. März hatten Rednerinnen und Redner parteiübergreifend von historischer Verantwortung, verbindender Kultur, gemeinsamer Zusammenarbeit und lebendigem Brückenbauen gesprochen und Projekte wie den deutsch-griechischen Zukunftsfonds oder das deutsch-griechische Jugendwerk als sinnvolle Schritte auf dem Weg der Versöhnung bezeichnet.