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Griechenland und die Krise (2/5)
Fluch und Segen der Privatisierung

Staatliche Unternehmen privatisieren, um mit dem Geld Schulden abzubauen: Das war eine der vielen Auflagen, die die Geldgeber der griechischen Regierung gemacht haben. Aber die Privatisierungen sind bis heute umstritten. Und einige Bürger leisten Widerstand.

Von Rodothea Seralidou |
    Flugzeuge der ehemaligen staatlichen Fluggesellschaft Olympic auf dem alten Athener Flughafen in Elliniko
    Das Gelände des alten Athener Flughafens in Elliniko wird privatisiert - noch stehen dort die Flugzeuge der ehemaligen staatlichen Fluggesellschaft Olympic (Deutschlandradio/ Rodothea Seralidou)
    Das Gelände des alten Athener Flughafens. Hinter einem verrosteten Maschendrahtzaun stehen alte Flugzeuge der Olympic, der ehemaligen staatlichen Fluggesellschaft Griechenlands, die schon längst von der Konkurrenz aufgekauft wurde. Zwischen den Landebahnen wächst Gras. Neben dem Gelände fahren ab und zu Autos vorbei, sonst passiert weit und breit nichts.
    Giannis Konstantatos hofft, dass sich das bald ändert. Der Bürgermeister von Elliniko, dem Athener Vorort, in dem der alte Flughafen liegt, gilt als fleißig und progressiv, weiht einen Spielplatz nach dem anderen ein, kümmert sich um die Alltagsprobleme der Leute.
    In seinem Büro informiert ihn seine Sekretärin gerade über die Termine des Tages und übergibt ihm eine Liste mit Beschwerden, die Anrufer über die Bürgerhotline gemacht haben: "Da ist der Baum, der stört, ein kaputter Abfallcontainer oder der Bürgersteig, der repariert werden muss. Dinge halt, die den Alltag der Menschen betreffen."
    Giannis Konstantatos, Bürgermeister von Elliniko, an seinem Schreibtisch
    Giannis Konstantatos, Bürgermeister von Elliniko, ist für die Privatisierung des alten Flughafens in dem Athener Vorort (Deutschlandradio/ Rodothea Seralidou)
    Mammutprojekt soll Touristen anlocken
    Der Alltag der Menschen: Das ist, was ihn interessiert, sagt Konstantatos. Und der soll besser werden. Deswegen war er von Anfang an für die Privatisierung des alten Flughafens. Insgesamt 620 Hektar, viermal so groß wie der Hyde-Park in London.
    "Die Privatisierung wird Unternehmer anziehen und der Stadt Einnahmen bringen. Die Investoren sprechen von 10.000 Arbeitsplätzen zu Beginn des Projekts und 70.000 Arbeitsplätzen, wenn alles fertig ist. Eigene Studien haben wir nicht gemacht, aber ich denke schon, dass das, was die Investoren planen, der Realität entsprechen wird."
    Die Investoren, ein griechisch-arabisch-chinesisches Konsortium, planen Großes. In einem Promo-Video zeigen sie, wie die brachliegende Fläche bald aussehen soll: Hochmoderne Einkaufszentren sollen entstehen, Luxus-Wohnungen mit Blick aufs Meer, ein Kasino, ein Wolkenkratzer an der Küste, mehrere Luxus-Hotels, ein Yachthafen. Ein Mammutprojekt, das jährlich eine Million Touristen zusätzlich in die griechische Hauptstadt locken soll.
    Das Bauprojekt soll kleiner wirken als es ist
    Phädon Georgiadis beeindrucken diese Superlative nicht. Auf seinem Wohnzimmertisch hat der 56-jährige Stadtplaner mehrere Karten des alten Flughafengeländes ausgebreitet. Er zieht seine Lesebrille an, und zeigt auf viereckige Kästchen: "Diese Häuser hier, die gibt es schon. Sie sind höchstens 14 Meter hoch. Und diese hier, wollen die Investoren bauen. Die sehen auf den Plänen genauso groß aus, nicht wahr? In Wahrheit werden sie aber 70 Meter hoch sein."
    Mit solchen Tricks wolle das Konsortium sein Bauprojekt kleiner wirken lassen als es ist, vermutet Georgiadis. Seit Jahren kämpft der zweifache Familienvater zusammen mit anderen Anwohnern gegen das Vorhaben. Solche Wohntürme so nah am Meer passen nicht zu Athen, sagt er. Und: Athen brauche sie auch nicht.
    "Auf dieser Fläche sollte 2004, nach den Olympischen Spielen, ein großer Park entstehen, die Küste sollte unangetastet bleiben. Ein Park - das ist es, was Athen wirklich fehlt. Jeder Athener Bürger hat nur 2,5 Quadratmeter Grünfläche zur Verfügung. In anderen europäischen Städten können es auch schon mal 15 oder gar 25 Quadratmeter sein."
    Stadtplaner Phädon Georgiadis in seinem Wohnzimmer, vor ihm liegen Baupläne der Investorengruppe für den alten Athener Flughafen und eigene Grafiken
    Stadtplaner Phädon Georgiadis kritisiert die Privatisierungspläne für den alten Athener Flughafen (Deutschlandradio/ Rodothea Seralidou)
    Reformprogramm schwebt über allem
    Einen Park soll es auch nach den Plänen der Investoren geben – zwischen den Wohnungen und Hotels. Doch Georgiadis befürchtet, dass dieser viel zu klein ausfallen wird. Er ist sich sicher: Wäre es keine Forderung der Geldgeber – die umstrittene Flughafen-Privatisierung wäre schon längst gestoppt worden.
    "Immer wenn ein Expertenkomitee entscheiden musste, ob die Nutzung unter den vorgesehenen Bedingungen erlaubt ist oder nicht, schwebte das Reformprogramm wie ein Damokles-Schwert über ihrem Kopf. Das können wir sehr gut in den Protokollen der Besprechungen nachlesen. Es ist absurd, du kannst doch von einer unabhängigen Instanz nicht verlangen, dass sie etwas absegnet, damit der Staat nicht pleite geht."
    "Das Risiko tragen die Investoren"
    Ginge es nach Giannis Konstantatos, dem Bürgermeister der Flughafen-Gemeinde, wäre das Bauprojekt schon längst fertig – auch ohne die strengen Augen der Geldgeber. Der Wunsch nach einem extrem großen Park sei schön und gut, sagt Konstantatos, aber in klammen Zeiten unrealistisch. Und dass die Investoren die Fläche für Peanuts bekommen haben, wie die Kritiker sagen, findet er auch nicht. 915 Millionen Euro für 620 Hektar mag wenig klingen, sagt er, aber die Investoren gingen dafür auch eine Reihe von Verpflichtungen und Risiken ein:
    "Sie müssen Gebäude abreißen, andere Gebäude bauen, die Bäume des Parks pflanzen, Straßen bauen. Insgesamt reden wir über eine Acht-Milliarden-Investition. Und wenn das Projekt floppt, wenn zum Beispiel die Wohnungen nicht verkauft werden und die Investoren bankrott gehen – das ist ja alles möglich –, dann geht all die geschaffene Infrastruktur auf den griechischen Staat über."
    Phädon Georgiadis kämpft trotzdem weiter gegen das Bauprojekt. Mit 500 Anwohnern hat er vor dem Obersten Verwaltungsgericht geklagt, ein Verhandlungstermin steht noch aus.
    Wie das Gericht entscheiden wird? Der Stadtplaner schaut von seinen Landkarten hoch und lächelt bitter. Unter normalen Umständen, sagt er, hätte das Gericht dieses Projekt nie erlaubt. Doch normal seien die Umstände in Griechenland schon lange nicht mehr.