Archiv


Griechische Neonazis unter Druck

Fast die gesamte Parteispitze der Goldenen Morgenröte sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Der rechtsextremen griechischen Partei werden unter anderem Mord, Sprengstoffanschläge und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Auch die staatliche Parteienfinanzierung wurde eingestellt.

Von Gunnar Köhne |
    Auf dem Schreibtisch seines Abgeordnetenbüros stehen nur ein Becher Kaffee und ein Computerbildschirm. In der gegenüberliegenden Ecke sitzen zwei Mitarbeiter und essen Pizza. An der Wand das Parteisymbol der Goldenen Morgenröte, das an ein Hakenkreuz erinnert.

    Ilias Kasidiaris ist Abgeordneter und Pressesprecher der Partei. Doch er hasst Journalisten. Zuletzt hat er einem Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters die Kamera aus der Hand geschlagen. Ununterbrochen reibt sich der 33-jährige Kampfsportler die Knöchel seiner rechten Faust. Dann gibt er eine Stellungnahme ab:

    "Das einzige Verbrechen, das man uns anlasten kann, ist, dass wir gezeigt haben, wer in diesem Land die Bürger bestiehlt und wie schlecht es regiert wird. Niemand kann uns in unserem politischen Kampf aufhalten. Bei den nächsten Wahlen werden wir auf den ersten oder zweiten Platz kommen."

    Kasidiaris hat allen Grund, sich in der Öffentlichkeit wieder friedlicher zu zeigen. Denn seine Partei steht mit dem Rücken zur Wand. Fast die gesamte Parteispitze, darunter der Vorsitzende Michaloliakos, sitzt derzeit in Untersuchungshaft, Kasidiaris selbst ist nur auf Kaution und unter Auflagen freigekommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor, außerdem Mord, Erpressung, Sprengstoffanschläge und Geldwäsche.

    Der Morgenröte wurde inzwischen auch die staatliche Parteienfinanzierung entzogen. Nach dem Mord an einem linken Musiker durch ein Parteimitglied entschied sich Regierungschef Samaras durchzugreifen. Für Kasidiaris' Anwalt, Pavlos Sakaris, ist das ein politisches Spiel. Das Verbrechen eines Einzeltäters wolle die Regierung nutzen, um einen politischen Konkurrenten loszuwerden:

    "Sie konnten die Partei nicht mit politischen Mitteln bekämpfen. Darum bedienen sie sich nun der Justiz. Die Anklage wurde vom Innenminister persönlich angeordnet. Dann ging alles ganz schnell. Nach nur 10 Tagen war die Anklage fertig. Und sie umfasst nur 9 Seiten! Die Beweise für die Bildung einer kriminellen Organisation sind überaus dünn."

    Doch die Maßnahmen gegen die Rechtsradikalen zeigen offenbar Wirkung. Neuesten Umfragen zufolge ist die Partei in der Wählergunst abgestürzt, von 14 auf 7 Prozent. Etliche Parteibüros wurden geschlossen, weil sich die Mitarbeiter nach Polizeirazzien nicht zurück trauen. Selbst Tattoo-Studios sind betroffen. Sie melden, dass sich immer mehr Kunden, Hakenkreuze oder rassistische Sprüche von der Haut entfernen lassen wollen.

    Die Journalistin Maria Psara ist den Rechtsradikalen seit Jahren hartnäckig auf den Fersen. Für ihre Zeitung "Ethnos" hat sie unter anderem die Zusammenarbeit zwischen der Morgenröte und höchsten Polizeioffizieren offen gelegt. Sie hat auch mit Aussteigern gesprochen, auf deren Aussagen sich die Anklage vor allem stützt.

    Mehrmals wurde Psara am Telefon bedroht. Sie kritisiert, dass der Staat erst einschritt, nachdem ein Grieche dem Treiben der Rechtsradikalen zum Opfer gefallen war. Nach dem Mord an einem pakistanischen Einwanderer, Anfang des Jahres, war die öffentliche Empörung noch weitaus verhaltener. Doch nun habe die Regierung Angst, dass die Situation außer Kontrolle gerät:

    "In den Straßen von Athen herrschte Krieg. Nach dem Mord an dem linken Rapper konnte die Regierung nicht länger zuschauen, wie die Truppen der Rechtsradikalen Abend für Abend Jagd auf Einwanderer und andere Bürger machen. Natürlich hat diese Maßnahme auch etwas mit den Kommunal- und Europawahlen im nächsten Jahr zu tun. Aber die Regierung musste jetzt handeln und zeigen, dass sie diese Gewalt nicht länger toleriert."

    Eine politische Partei kann in Griechenland nicht verboten werden, das sieht die Verfassung nicht vor. Wird die Führungsspitze der Morgenröte aber in einem Prozess als kriminelle Bande verurteilt, dann dürfte sich die Partei davon nur schwer erholen. Rechtsradikales Gedankengut bleibe in ihrem von der Wirtschaftskrise schwer gebeutelten Land aber weiter salonfähig, warnt Maria Psara. Nun komme es darauf an, dass sich die Neonazis im Gefängnis nicht als politische Opfer darstellen könnten:

    "Wir brauchen jetzt einen fairen Prozess. Damit die Griechen sehen, dass diese Leute nicht deshalb vor Gericht stehen, weil sie die Regierung bekämpfen. Sondern weil sie Mörder sind, Nazis und Hitlerverehrer."