Samstag, 18. Mai 2024

"Coming Home"
Basketballerin Griner veröffentlicht Memoiren

Brittney Griner ist eine der besten Basketballspielerinnen der Welt. Griner spielte auch in Russland. Im Februar 2022 wurde sie im Flughafen von Moskau mit Cannabis-Öl im Gepäck erwischt und verhaftet. Fast zehn Monate war sie im Gefängnis.

Von Kerstin Zilm | 05.05.2024
Griner trägt eine College-Jacke und klatscht in die Hände
Ehrenbekundung am ehemaligen College: Brittney Griners Trikotnummer wird bei den Baylor Lady Bears nicht mehr vergeben. (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / Matthew Lynch)
Der 15. Februar 2022 ist heiß und schwül in Phoenix, Arizona. Basketballspielerin Brittney Griner hat keine Lust aufzustehen, aber sie muss zum Flughafen. Seit sieben Jahren spielt sie nach Ende der WNBA-Saison für den russischen Klub Jekaterinburg. Vier Mal hat sie mit dem Team die Euroleague-Meisterschaft gewonnen. Ihr Gehalt in Russland ist verglichen mit dem in den USA fünf Mal so hoch. Sie bekommt mehr als eine Million Dollar pro Saison, plus Superstar-Luxus vom Privatjet bis zu den besten Hotels.
In Eile packt Griner ihre Sachen. Alles geht nach Plan, bis sie am Flughafen in Moskau umsteigen will, in den Flieger nach Jekaterinburg am Uralgebirge, der viertgrößten Stadt Russlands. Sicherheitsbeamte fordern sie auf, ihr Gepäck zu öffnen und genau durchzusehen. Sie fühlt zwei Glasfläschchen. Cannabis-Öl. Im Exklusivinterview mit dem Fernsehsender ABC sagt Griner, sie habe beim Packen total vergessen, dass die in der Tasche waren:
"Mein Herz fiel aus meinem Körper, als ob ein Fahrstuhl runterfällt, und ich dachte: mein Leben ist vorbei. Alles, wofür ich so schwer gearbeitet habe, wird zusammenbrechen und verschwinden."

Urteil: Neun Jahre Strafkolonie

Eine Woche später beginnt Russland seine volle Invasion in der Ukraine. Brittney Griner wird zum Spielball im internationalen Konflikt. Die russische Regierung zeigt keine Gnade und verurteilt die WNBA-Spielerin zu neun Jahren in einer Strafkolonie. Mehrere Tage dauert der Zugtransport gen Norden. Die Haftbedingungen waren so entwürdigend, dass sie an Selbstmord dachte, erzählt Griner:
"50, 60 Frauen waren in meinem Gebäude. Wir hatten ein Badezimmer mit drei Toiletten, kein warmes Wasser und ein Waschbecken wie ein Trog, wo sich die anderen alle möglichen Körperteile wuschen während ich mir die Zähne putzte."

Die Dreadlocks müssen ab

Ihr Bett ist viel zu kurz für die 2 Meter 6 große Athletin und hart. Die Matratze hat einen riesigen Blutfleck. 16 Stunden am Tag näht sie Uniformen für russische Soldaten. Sieben Tage in der Woche. Darf sie eine Stunde in den Hof, herrschen dort Minusgrade und ein Schneesturm bläst ihr um die Ohren. Sie ist erschöpft, fängt an zu rauchen, und verabschiedet sich von ihrem Markenzeichen: den taillenlangen Dreadlocks:
"Es musste einfach sein. Spinnen waren über meinem Bett und bauten Nester. Mein Haar wurde nach dem Waschen nie trocken und gefror. Ich wurde krank. Du tust, was du tun musst, um zu überleben."
Griner legt den Ball in den Korb, ihre Haare fliegen durch die Luft.
Brittney Griner 2019: Mit langen Dreadlocks im Einsatz für Jekaterinenburg (imago images / ZUMA Press / Ettore Griffoni via www.imago-images.de)
Athletinnen und Athleten solidarisieren sich mit Brittney Griner und ihrer Frau Cherelle, die in den USA für ihre Freilassung kämpft. Die US-Regierung verhandelt mit Russland um einen Gefangenenaustausch. Ihr Angebot: Griner und Paul Whelan, ein seit vier Jahren unter Spionageverdacht in Russland festgehaltener Ex-Marinesoldat, gegen Viktor Brut, einen berüchtigten Waffenhändler.

Deal mit "Händler des Todes"

Am achten Dezember hat US-Präsident Biden eine gute Nachricht: Brittney ist sicher. In einem Flugzeug auf dem Weg nach Hause.
Whelan ist nicht Teil des Deals. In Social Media Posts beschimpfen Kritiker Brittney und die US-Regierung. Die Freiheit der Basketballspielerin sei die Freilassung des sogenannten „Händler des Todes“ nicht wert gewesen.

Rückkehr nach Phoenix

Im Mai 2023 ist Brittney Griner zurück auf dem Basketballparkett mit ihrer Mannschaft, den Phoenix Mercury. Ihr Selbstbewusstsein ist geschrumpft. Verletzungen sind an der Tagesordnung.  Bis heute habe sie die Schikanen des Straflagers nicht verarbeitet, sagt sie im Interview. Am schlimmsten aber seien die Schuldgefühle:
"Damit bin ich immer noch nicht durch. Ich habe alle enttäuscht, meine Familie, meine Mannschaft, meine Fans. Damit werde ich immer noch nicht fertig."
Im Ausland spielen will Brittney Griner nicht mehr. Mit einer Ausnahme - die Olympischen Spiele in Paris: "Wieder für mein Land zu spielen; das Land, das mich gerettet hat zu repräsentieren und die Goldmedaille für es zu holen, das würde dem Ganzen die Krone aufsetzen."