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Großbritannien
Labour-Politiker Tony Benn gestorben

Er war einer der scharfzüngigsten Kritiker von Margaret Thatcher, britischer Kriegspolitik und Privatisierung: Tony Benn galt zeitweise als gefährlicher Radikaler, später als politische Institution. Heute ist er im Alter von 88 Jahren gestorben.

Von Jochen Spengler | 14.03.2014
    Tony Benn sitzt mit einer Pfeife in den Händen auf einer Treppe vor seinem Haus in London.
    Nicht nur die Labour-Anhänger trauern um Tony Benn, hier 2002 vor seinem Haus in London. (picture alliance / dpa)
    "Jeder Krieg ist Mord an Männern, Frauen und Kindern. Jeder Krieg ist Vergewaltigung und Plünderung und kriminelle Verschwendung. Wir repräsentieren hier heute die Menschen der Welt gegen die Reichen und Mächtigen, die weiter dominieren wollen."
    Tony Benn war schon Ende 70, als er 2004 als erster Präsident der "Stop the War Coalition" vor Zehntausenden gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan protestierte. Drei Jahre zuvor hatte er sein Mandat im Unterhaus aufgegeben, dem er mehr als 50 Jahre lang angehörte.
    Schon gegen den Falklandkrieg 1982 und gegen den ersten Irakkrieg 1991 hatte Benn als Labour-Abgeordneter und als scharfzüngiger Gegenspieler von Margaret Thatcher argumentiert:
    "Großbritannien hat den Irak mit Chemiewaffen bombardiert in den 1920er Jahren…
    Wir haben geplant, Kuwait zu besetzen 1958… Und die Doppelmoral der britischen Politik im Nahen Osten ist das, was bemerkt werden wird in der arabischen Welt."
    Antony Wedgwood Benn war eine der wichtigsten linken Galionsfiguren der Labour-Partei.
    Groß, schlank und charismatisch, wurde er 1950 im Alter von 25 Jahren erstmals ins Unterhaus gewählt. Anfangs galt er als Mann der Mitte. Als sein Vater 1960 starb, erbte er dessen Adelstitel und Sitz im Oberhaus, wodurch er automatisch sein Mandat im Unterhaus verlor.
    Wege aus der Mitte
    Benn kämpfte erfolgreich dafür, die Adelswürde, ein von der Queen verliehenes Privileg, niederlegen zu können. 1963 war er der erste Lord, der seinen Titel zurückgab. Ein erster Sieg gegen das Establishment. Tony Benn war kein Mann des Kompromisses; seine Mutter habe ihn gelehrt, dass alle Entscheidung auf der moralischen Frage beruhten: richtig oder falsch.
    "My mother said to me once – all decisions including political decisions are basicly moral – is it right or wrong."
    In den 60er- und 70er-Jahren diente Tony Benn als Minister in zwei Labour-Regierungen. Im Amt rückte er immer weiter nach links. 1971 wurde er für zwei Jahre Labour-Vorsitzender. Doch mit seinem radikalen Eintreten für Verstaatlichungen, für die Abschaffung des Oberhauses und gegen die EU-Mitgliedschaft polarisierte er seine Partei. Eine sozialdemokratische Gruppe um Roy Jenkins spaltete sich ab und Labour blieb nahezu zwei Jahrzehnte in der Opposition. Dort arbeitete sich Tony Benn an Margaret Thatcher ab und agitierte unter anderem gegen die von ihr geplante Kopfsteuer:
    "To give one hundert percent support to those who do not or cannot or will not pay the poll tax." ("Denen hundertprozentige Unterstützung geben, welche die Kopfsteuer nicht zahlen werden, können oder wollen.")
    Keine Angst vor dem Tod
    Tony Benn war nicht nur ein glänzender Redner, sondern auch ein begabter Autor. Allein sein politisches Tagebuch umfasst acht Bände. Inzwischen ist Tony Benn in der öffentlichen Wahrnehmung längst von einem einst gefährlichen Radikalen zu einer politischen Institution geworden; wie kein anderer stand er für soziale Gerechtigkeit.
    Heute Morgen ist er im Alter von 88 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben. Premierminister David Cameron würdigte ihn als einen "großartigen Schriftsteller, Redner und Aktivisten, dem zuzuhören niemals langweilig war". Tony Benn hatte vier Kinder. Mit seiner Frau Caroline war er 51 Jahre lang verheiratet. Sie starb im Jahr 2000 an Krebs:
    "Ihr Mut, als sie wusste, dass ihre Zeit vorbei war, hat mich sehr beeindruckt. Von ihr habe ich gelernt, wie man stirbt. Ich habe viel darüber nachgedacht. Wenn Du gehst, möchtest Du eine Idee von Dir hinterlassen; die Tagebücher zeigen, was ich glaube, in meinem Leben getan zu haben. Ich fürchte mich überhaupt nicht davor, zu sterben."