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Großbritannien
Umerziehung für Dschihad-Rückkehrer

Großbritanniens Innenministerin Theresa May hat dem Parlament ein umstrittenes Anti-Terror-Gesetz vorgelegt. Es enthält Auflagen für Briten, die sich dem IS-Terror angeschlossen haben und zurückkehren wollen. Vorgesehen ist auch ein Verbot von Lösegeldzahlungen.

Von Jochen Spengler | 26.11.2014
    Großbritanniens Premierminister David Cameron und Innenministerin Theresa May laufen auf die Kamera zu.
    Großbritanniens Premier David Cameron und Innenministerin Theresa May wollen ausgereiste britische Extremisten nur unter bestimmten Bedingungen wieder ins Land lassen. (AFP/ Toby Melville)
    Ein terroristischer Anschlag in Großbritannien gilt nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden derzeit als sehr wahrscheinlich, ja unvermeidlich. Daraus zieht die konservative Innenministerin Theresa May eine Konsequenz:
    "Wenn Polizei und Geheimdienst glauben, dass die Bedrohung, der wir uns gegenüber sehen, größer ist als zu jeder Zeit vor oder nach dem 11.September 2001, dann sollten wir zuhören und nach sorgsamer Analyse unsere Gesetze verschärfen und unsere Eingriffsmöglichkeiten erhöhen."
    Heute legt Theresa May mit ihrem neuen Anti-Terror- und Sicherheits-Gesetz das seit dem Jahr 2000 bereits siebte Maßnahmenpaket im Kampf gegen den Terror vor. Es soll zügig durchs Parlament gebracht werden, um noch bis Ende Januar in Kraft zu treten.
    Fünf Anschläge vereitelt in diesem Jahr
    Allein in diesem Jahr hätten die Sicherheitskräfte fünf geplante Anschläge vereitelt und in den vergangenen vier Jahren 750 Terrorverdächtige festgenommen. Theresa May verweist auf die erfolgreiche Arbeit seit den Attentaten vom 7.Juli 2005 in London, denen 56 Menschen zum Opfer fielen:
    "Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass seither rund 40 Terroranschläge verhindert werden konnten. Es gab Pläne, auf unseren Straßen wahllose Massaker zu verüben wie in Mumbai, die Londoner Börse in die Luft zu jagen, Flugzeuge zu sprengen, einen britischen Botschafter und Soldaten zu ermorden.
    Deswegen enthält das neue Gesetz eine ganze Reihe von Maßnahmen. So müssen Fluggesellschaften Passagierdaten weitergeben, öffentliche Stellen wie Schulen, Universitäten oder Gefängnisse werden verpflichtet, gegen extremistische Propaganda vorzugehen. Und um die Finanzströme für Terrorgruppen zu stoppen, wird es Versicherungen gesetzlich verboten, Lösegeld für Geiseln zu zahlen.
    Internetprovider werden zur Vorratsdatenspeicherung angehalten: Ein Jahr lang müssen sie IP-Adressen aufbewahren, damit die Behörden ermitteln können, wer welchen Computer oder welches Mobilgerät wann genutzt hat.
    Polizei soll Pässe einziehen dürfen
    Schon vor einigen Wochen hatte Premierminister David Cameron Schritte gegen Bürger angekündigt, die sich am Terrorkampf des IS im Nahen Osten beteiligt haben oder beteiligen wollen.
    "Indem wir der Polizei das Recht geben, an den Grenzen Pässe und Tickets für 30 Tage einzuziehen, um ihr die Zeit zu geben, das betroffene Individuum zu überprüfen. Und es gibt neue Befugnisse für die Polizei, Verdächtigen die Rückkehr zu verwehren, es sei denn sie akzeptieren unsere Bedingungen."
    So sollen Rückkehrer nur dann ins Land gelassen werden, wenn sie sich mit polizeilicher Überwachung, einer Anklage und Umerziehungskursen einverstanden erklären oder einem Hausarrest und elektronischen Fußfesseln zustimmen. Auch dürfen die Behörden den Terrorverdächtigen zu einem Aufenthaltsort zwingen, der weit entfernt vom alten Freundeskreis und Wohnort liegt.
    Zwar haben der liberale Koalitionspartner und die sozialdemokratische Labour-Opposition schon Zustimmung signalisiert. Dass das Gesetz dennoch nicht ganz so leicht die parlamentarischen Hürden nehmen könnte, machte heute der Widerspruch des staatlichen Überwachungsbeauftragten für Terrormaßnahmen deutlich. David Anderson hält Teile des Gesetzes für unpraktikabel und rechtswidrig, da es in einem Rechtsstaat Sache der Gerichte und nicht der Polizei sei, über den Entzug von Pässen zu entscheiden.