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Großbritannien
Wetten auf den Brexit

Die Briten lieben Pferde- und Fußballwetten, doch damit nicht genug! Auch politische Wetten werden immer mehr zum Geschäft: Die Buchmacher rechnen mit umgerechnet 50 Millionen Euro Umsatz beim Referendum über den Brexit im Juni. Und die Vorhersagen in Form von Wettquoten waren auch schon manches Mal präziser als die der Meinungsforscher.

Von Friedbert Meurer | 13.04.2016
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    Politische Wetten gibt es zwar schon lange in Großbritannien, seit dem Schottland-Referendum vor eineinhalb Jahren boomen sie. (dpa / picture alliance / Andy Rain)
    "Rule the World", ein krasser Außenseiter, gewinnt letzten Samstag das Grand National, das berühmte Pferderennen in Aintree bei Liverpool. Die Briten lieben Pferde- und Fußballwetten, aber sie wetten auch auf Politisches, zum Beispiel auf den Brexit.
    "Wenn Sie die Quoten nehmen, dann sind sie zwei zu fünf", erklärt Alex Donohue von Ladbrokes, dem führenden Wettanbieter in Großbritannien. "Das heißt, wenn Sie fünf Pfund auf einen Verbleib in der EU wetten, können Sie nur zwei gewinnen. Wir sagen also: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 65 Prozent bleibt Großbritannien in der EU."
    Der Ladbrokes-Mann öffnet auf seinem Handy nun eine App und sieht, dass Hillary Clinton mit 1 zu 2 die Favoritin für die US-Wahl ist.
    "Auf zwei Pfund Wetteinsatz gibt es ein Pfund Gewinn – man erhält dann also insgesamt drei Pfund zurück."
    Im Wettangebot sind auch: Wer wird nächster Vorsitzender der Tories? Boris Johnson, der für den Brexit ist, führt mit 4: 7. Wann legt Cameron sein Amt nieder? Heißer Tipp: noch dieses Jahr. Gewinnt die Schottische Nationalpartei die Regionalwahlen im Mai? Fast sicher, 1 zu 66.
    "Bookies" liegen häufig anders
    September 2014, Schottland sagt mit 55 zu 45 Prozent Nein zur Unabhängigkeit. Die Buchmacher waren sich im Vorfeld immer sicher: Die Schotten würden klar "No" sagen. Die Meinungsforschungsinstitute tippten dagegen auf einen knappen Ausgang, einige zuletzt sogar auf eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit - und lagen anders als die "Bookies" falsch.
    "Wir sind nachweislich präziser in unseren Voraussagen. Die Stichprobe der Meinungsforschungsinstitute ist oft sehr klein, vielleicht 1000 oder 2000 Leute. Wenn wir jetzt beim EU-Referendum mehrere Millionen Pfund an Wetteinsatz bekommen, und jeder wettet zwischen fünf und zehn Pfund, dann beteiligen sich bei uns Hunderttausende, also viel, viel mehr Leute."
    Schon mehrmals waren die "Bookies" besser als die "Pollster", die Buchmacher präziser als die Demoskopen. Zuletzt bei der Unterhauswahl im Mai 2015 sahen die Institute Labour knapp vor den Konservativen, die Buchmacher wussten es besser. Präzise waren sie aber auch nicht, die Quoten für eine absolute Mehrheit der Tories, zu der es ja kam, lagen bei 1:100. Ein Unterschied ist auch folgender:
    "Wenn ich mein sauer verdientes Geld auf eine Wette platziere, dann überlege ich genau, welche Voraussage ich treffe. Die Umfrageinstitute fragen nach meiner Meinung, nach dem, was ich hoffe. Beim Wetten aber entscheide ich, was vermutlich kommen wird. Wenn Hunderttausende bei uns wetten, ergibt das einen sehr beweglichen Markt. Dem unterliegt viel Geld, dessen Bewegungen uns sehr akkurate Prognosen treffen lassen."
    Die Frage nach der Moral solcher Wetten
    Wettanbieter Alex Donohue kennt noch ein anderes Phänomen: Wetter setzen ohne Probleme auch auf das Gegenteil dessen, was sie sich erhoffen. Wenn dann die favorisierte Partei – oder bei der Sportwette die Lieblingsmannschaft - verliert, hat man wenigstens den Gewinn als Trostpflaster. Er werde übrigens oft von Ausländern gefragt: Ist das nicht unmoralisch oder anstößig, Geld auf demokratische Wahlen zu setzen?
    "Ich antworte dann, schauen Sie sich die Fernsehübertragungen an. Über Politik wird genauso wie über ein Fußballspiel berichtet. Da sitzen die Experten herum, es wird analysiert. Die ganze Zeit machen die Leute Vorhersagen. Ob vor einem Pokalfinale oder vor einer Wahl, es ist doch das gleiche. Experten sitzen im Studio und der Moderator fragt: Was glauben Sie, wird passieren?"