Sonntag, 12. Mai 2024

Kommentar zu Habeck
Der Vizekanzler hat den richtigen Ton getroffen

Robert Habeck wird für seine Worte zum Nahostkonflikt gefeiert. Dem Vizekanzler sei es gelungen, die innenpolitischen Debatten in die richtigen Bahnen zu lenken, kommentiert Jörg Münchenberg. Doch seine staatsmännische Rede müsse auch Folgen haben.

Ein Kommentar von Jörg Münchenberg | 02.11.2023
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, bei Beratungen im Bundeskanzleramt in Berlin
Für seine knapp zehnminütige Videobotschaft zum Nahostkonflikt erhält Vizekanzler Robert Habeck von vielen Seiten Lob. (IMAGO / Metodi Popow)
Der Vizekanzler hat den richtigen Ton getroffen. Bei einem Themenkomplex, bei dem viele inzwischen die Orientierung verloren haben; bei dem viele längst der Propaganda der Terrormiliz Hamas aufgesessen sind. Bei dem sich auch manche Politiker schwertun, eine verständliche Sprache und eindeutige Haltung an den Tag zu legen.

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Im Gegensatz zu Robert Habeck. Dem es gelingt, die kontroversen innenpolitischen Debatten und Konflikte hierzulande, die der neue Krieg in Nahost ausgelöst hat, zu sortieren und in die richtigen Bahnen zu lenken. Dabei sagt der Minister im Kern eigentlich Selbstverständliches: Deutschland steht wegen seiner unheilvollen historischen Vergangenheit und Schuld in einer besonderen Verantwortung gegenüber Israel; Antisemitismus ist inakzeptabel und muss strafrechtlich konsequent verfolgt werden.

Überzeugende Empathie für Israel

Dass Habecks Ansprache jetzt dennoch einen so enormen öffentlichen Wiederhall findet, liegt nicht nur an seiner schnörkellosen Sprache. Denn die Realität zeigt: Juden hierzulande haben wieder Angst, fürchten um ihre Sicherheit. Es gibt einen weit verbreiteten Antisemitismus von links bis rechts, und angesichts der täglichen furchtbaren Bilder von Zerstörung und Elend aus dem Gazastreifen drohen die grausamen Mordtaten der Hamas nach einem Monat immer mehr in den Hintergrund zu rücken.
Das alles greift der Minister in seiner staatsmännisch gehaltenen Rede auf und kritisiert dies in aller Deutlichkeit, verbunden auch mit einer überzeugenden Empathie für Israel.

Habeck geht schwierigen Themen nicht aus dem Weg

Sicher, es war der Bundeskanzler, der als einer der ersten westlichen Staatenlenker nach Israel gefahren ist, um ein deutliches Ausrufezeichen der deutschen Solidarität zu setzen. Und der dies später mit einer Regierungserklärung im Bundestag noch einmal bekräftigt hat.
Doch Olaf Scholz ist kein mitreißender Redner. Ihm fehlt zugleich die emotionale Ansprache, aber auch die schonungslose Analyse, die der Vizekanzler nun so überzeugend formuliert hat. Dem man ohnehin zu Gute halten muss, schwierigen politischen Themen gerade aus Sicht eines Grünen nicht aus dem Weg zu gehen. Sei es die Forderung nach Waffenlieferungen für die Ukraine noch lange vor dem russischen Angriffskrieg oder auch die nach einem schärferen Kurs in der Migrationspolitik.

Antisemitismus konsequent bekämpfen

Dennoch stellt sich auch jetzt – nach Habecks scharfer Abgrenzung gegenüber Antisemitismus in Deutschland– die Frage nach den Folgen.
Denn konsequente Härte der Behörden gegenüber jeglicher Form von Antisemitismus muss auch umgesetzt, die Präventivarbeit an den Schulen erheblich ausgeweitet werden. Und die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson muss auch - unabhängig vom weiteren Kriegsverlauf in Nahost - weiter uneingeschränkt Bestand haben, gerade auch im öffentlichen Diskurs. 
Jörg Münchenberg, geboren 1966; studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Kanada und Nürnberg-Erlangen. Seit 1997 beim Deutschlandfunk als Moderator und Redakteur zunächst in der Wirtschaftsredaktion; später Korrespondent im Berliner Hauptstadtstudio und europapolitischer Korrespondent in Brüssel. Nach einer Station im Zeitfunk derzeit wieder im Berliner Hauptstadtstudio.