Dienstag, 14. Mai 2024

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Haltbarkeit von elektronischen Geräten
"Das ist weder ökologisch nachhaltig noch sozial fair"

Elektronische Geräte werden von den Herstellern für eine gewisse Lebensdauer konzipiert. Die müsse länger werden, forderte die Grünen-Politikerin Renate Künast im Deutschlandfunk. Die Verbraucher würden von der Industrie unter Druck gesetzt.

Renate Künast im Gespräch mit Mario Dobovisek | 15.02.2016
    Renate Künast im Bundestag am 22.5.2015
    Renate Künast, Vorsitzende des Bundestags-Rechtsauschusses, Renate Künast (Grüne) (picture alliance/dpa/Rainer Jensen)
    Nach Ablauf der Garantie gehen technische Geräte häufig und schnell kaputt - so der Eindruck vieler Verbraucher. Eine von der Industrie eingebaute "Selbstzerstörung" gibt es nach einer Studie des Freiburger Öko-Institutes zwar nicht. Allerdings werden Geräte für einen bestimmten Zeitraum gebaut. Smartphones werden häufig auf Wunsch des Kunden ausgetauscht - beispielsweise, weil er ein neueres, moderneres Gerät haben möchte. Deshalb werden solche Geräte für eine gewisse Lebensdauer gebaut.
    "Man setzt uns unter Druck"
    Das stört die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast. Haushaltsgeräte würden so produziert, wie ungefähr die Nutzungsdauer sei. "Es ist immer der gekniffen", der das Gerät länger benutzen möchte oder länger benutzen müsse. Das gilt laut Künast für Leute, die nicht jeden "Modewahn" mitmachen, aber auch für diejenigen, die sich die Anschaffungen neuer Geräte in kürzeren zeitlichen Abständen nicht leisten können.
    "Man setzt uns als Kunden doch dann am Ende faktisch unter Druck, dass nach x Jahren die Dinge kaputt gehen und man sich dann etwas Neues kaufen muss. Das ist weder ökologisch nachhaltig, noch sozial fair." Geräte müssten länger halten, so Künast. "Wir brauchen quasi mehr Qualität in den Geräten. Wir brauchen mehr Transparenz, damit man zum Beispiel weiß, wie viel Wasser braucht ein Gerät, wie viel Strom verbraucht ein Gerät."

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Die Garantie läuft ab und gefühlt kurze Zeit später gibt das Smartphone seinen Geist auf. Es lässt sich einfach nicht mehr starten, der Bildschirm bleibt schwarz, auch ein neuer Akku hilft nichts. Ein Neues muss her, ein Ärgernis. Da steckt doch bestimmt der Hersteller dahinter, denken wir, doch viele Menschen tauschen ihre technischen Geräte aus, schlicht weil sie unzufrieden sind, weil es inzwischen bessere auf dem Markt gibt, schnellere, kleinere, und produzieren damit einen großen Berg an Technikschrott. Das Umweltbundesamt hat sich deshalb für eine Studie angesehen, warum wir Deutschen Technik wie Smartphones, Fernseher oder Waschmaschinen eigentlich ersetzen. Die Experten sprechen dabei auch von Obsoleszenz, von der natürlichen oder künstlichen Alterung eines Produktes.
    Am Telefon begrüße ich die Grünen-Politikerin Renate Künast. Im Bundestag ist sie Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und war selbst auch Verbraucherschutzministerin. Guten Morgen, Frau Künast.
    Renate Künast: Guten Morgen, Herr Dobovisek.
    "Die Haushaltsgeräte werden so produziert, wie ungefähr die Nutzungsdauer und Gewohnheit ist"
    Dobovisek: Keine Selbstzerstörungsschaltung der Industrie. Glauben Sie das, Frau Künast?
    Künast: So wie das gerade dargestellt wurde ja, aber es ist auch sehr sophisticated, mit dem Wort zu spielen. Es gibt keinen Selbstauflösungsmechanismus, wie wir es vielleicht im James-Bond-Film irgendwo sehen würde, aber es gibt etwas sehr, sehr Ähnliches, und das heißt, die Dinge, die Haushaltsgeräte werden so produziert, wie ungefähr die Nutzungsdauer und Gewohnheit ist. Man produziert es billiger, einfacher, weil es dann ja gerne auseinanderfallen darf, und damit schließt sich auch der Kreis. Sobald man hört, wann die Dinge normalerweise kaputt gehen, oder wann ein moderneres Gerät auf dem Markt ist, das vielleicht mehr kann, wechselt man dann.
    Dobovisek: Aber die Studie zeigt ja ganz klar, dass sich die Industrie dem Kaufverhalten ihrer Kunden anpasst, und wenn die alle zwei Jahre ein neues Smartphone kaufen wollen, müssen Smartphones nicht zehn Jahre halten. Was ist daran also falsch?
    Künast: Was daran falsch ist, weil die schon mal annehmen, wie lange ich oder Sie ein Gerät benutzen würde, und es ist immer der gekniffen, der sich sagt, ich benutze es länger, weil ich diesen Modewahn, dass ich das nächste Gerät brauche, nicht mitmache, oder wer wenig Geld hat und sich die Frage stellen muss, kann ich mir jetzt eine neue Waschmaschine kaufen, weil sie noch leiser dreht oder so, oder muss ich das Geld für was anderes ausgeben. Man setzt uns als Kunden doch dann am Ende faktisch unter Druck, dass nach x Jahren die Dinge kaputt gehen - vorhin ist das Wort fünf Jahre gefallen - und man sich dann etwas Neues kaufen muss. Das ist weder ökologisch nachhaltig, es ist weder sozial fair bei denen, die nicht so viel ausgeben können, und es ist auch nicht in Ordnung. Überlegen Sie mal: Man könnte teilweise mit ganz wenigen Cent nur die Dinge anders produzieren, sodass sie länger halten würden.
    Dobovisek: Aber es sind ja vor allem die billigen Geräte, die schnell kaputt gehen, sagt auch die Stiftung Warentest, und dementsprechend ist das ein Anreiz für die Kunden, meistens eher günstige Geräte zu kaufen und eben nicht die wahnsinnig teure Waschmaschine zum Beispiel von Miele oder anderen Prämienherstellern.
    Künast: Ja, sehen Sie mal. Aber das ist am Ende teurer. Es gibt ja auch den Satz, ich kann es mir nicht leisten, billiges Zeug einzukaufen. Warum, weil es vielleicht im Augenblick 10, 20 Euro billiger ist, aber wenn es dann nach wenigen Jahren schon kaputt geht, hat man dann faktisch in der gleichen Zeit fürs Thema Waschmaschine oder was immer mehr Geld ausgegeben.
    "Geräte müssen und können generell länger halten"
    Dobovisek: Müssen Geräte generell länger halten?
    Künast: Ja. Ich finde, Geräte müssen und können generell länger halten. Wir brauchen quasi mehr Qualität in den Geräten. Wir brauchen mehr Transparenz, damit man zum Beispiel weiß, wie viel Wasser braucht ein Gerät, wie viel Strom verbraucht ein Gerät. Wir brauchen andere Standby-Schaltungen, damit sie, falls überhaupt nötig, viel, viel weniger Strom gebrauchen. Und man muss es dem Gerät auch im wahrsten Sinne des Wortes ansehen. Ein Gerät ist ja nicht deshalb schon von hoher Qualität, weil es irgendwie hipp ist, oder die Marke stimmt, sondern das Produkt selber muss auch stimmen: wenig Nebenkosten und lange Haltbarkeit.
    Dobovisek: Aber wenn ich mir eine Waschmaschine zum Beispiel im Laden angucke und da überfrachtet werde von 1.000 verschiedenen Zahlen? Ich will doch eigentlich nur wissen, wie lange sie hält.
    Künast: Sie wollen wissen, wie lange sie hält, auf was die Lebensdauer ausgerichtet ist. Genau! Das wäre dann sozusagen eine zusätzliche Information. Und hinsichtlich des Energieverbrauchs sage ich immer, die jetzige Kennzeichnung ist nicht gut, weil sobald einer nach ein, zwei Jahren oder drei Jahren eine Waschmaschine mit niedrigerem Energieverbrauch herstellt, kriegen Sie das mit der bisherigen Energiekennzeichnung gar nicht klar, weil solche Kennzeichen über lange Jahre an einem Gerät haften, obwohl es schon viel modernere gibt. Am Ende muss man doch sagen, die Dinge werden nicht so produziert, dass sie nach zwei, drei Jahren auseinanderfallen, aber man rechnet mit dem, der als erstes die Nerven verliert und sagt, er braucht was Moderneres. Man rechnet mit dem, der viel Geld hat, und deshalb werden die Dinge so gebaut, dass sie quasi eine, ich sage mal, kurze Lebensdauer haben. Darauf kommt noch die Mode und die Werbung, die uns animieren soll, kauft schneller was Neues. Insgesamt ist es für den Kunden so wenig transparent.
    Dobovisek: Die Industrie ist die Böse und der Kunde ist der Arme?
    Künast: Ach, das am frühen Montagmorgen. Der Kunde ist der, der viel zu wenig Informationen über das Produkt bekommt, und solange man keine Transparenz und Information herstellen muss, gibt es Teile der Industrie, die versuchen, es für sich möglichst billig zu machen bei der Produktion und den Rohstoffen.
    "Es braucht auch im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie klare Regeln"
    Dobovisek: Dann gucken wir uns mal, gerade was die Rohstoffe angeht, einen anderen Aspekt an. Immer weniger defekte Geräte werden tatsächlich repariert, weil es sich oft nicht lohnt. Viele Geräte sind aber auch inzwischen so verbaut, so verschweißt, dass man sie gar nicht mehr reparieren kann. Bei neuen Smartphones zum Beispiel kann der Kunde nicht einmal mehr den Akku austauschen. Was kann die Politik hier tun?
    Künast: Ja, da brauchte es auch im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie klare Regeln, dass man Dinge so bauen muss, dass man sie einfach auseinandernehmen kann und Teile ersetzen kann. Das ist doch logisch. Wir können nicht in Paris über Klimaschutz reden und danach alle Dinge, die uns im Alltag umgeben, so produzieren, dass man sie möglichst schnell ersetzen muss, was auch wieder Energie, einen hohen Energieverbrauch auslöst. Die Regeln müssen nicht nur bei der Transparenz anders werden, sondern das Design - Design heißt nicht nur, wie sieht es außen aus, sondern wie kann man es auseinandernehmen - muss anders werden, im Übrigen auch so, dass man nachher ganz einfach in einzelne Rohstoffe aufteilen kann, weil Deutschland ist ein rohstoffarmes Land, aber wir haben hier ja mindestens für fünf Milliarden Euro ständig Rohstoffe in Geräten verbaut, und zwar falsch verbaut, sodass man sie nicht einfach wieder in neue Rohstoffe verwandeln kann.
    Dobovisek: Wie gut funktioniert denn da die Wiederverwertung zum Beispiel von Smartphones, Waschmaschinen, Fernsehern etc.?
    Künast: Na ja, im wahrsten Sinne des Wortes noch extrem schlecht. Deshalb meine These am frühen Montagmorgen, das sind die Jobs der Zukunft und die Aufgaben der Zukunft zu lernen, wie man solche Dinge baut, indem man, wissen Sie, nicht immer vermischte Stoffe hat, sondern reine einzelne Rohstoffe. Die kann man dann nämlich ohne große Prozesse einfach einschmelzen und wieder neu benutzen. Sie sehen: Es soll am Ende immer noch aussehen wie eine Waschmaschine, aber die Information soll anders sein, die Transparenz muss anders sein und die Dinge bis hin zum Smartphone müssen ganz anders gebaut werden.
    Dobovisek: Wenn ich meine Glasflasche zurück in den Supermarkt bringe, bekomme ich Pfand zurück. Es gibt also einen Anreiz für mich. Viel zu oft landen elektronische Geräte einfach in der Restmülltonne und damit auf der Deponie oder in der Müllverbrennung. Wie können hier Anreize geschaffen werden?
    Künast: Als Allererstes, glaube ich mal, dass es einfach sein muss, diese Produkte einem ordentlichen Weg zuzuweisen. Glücklicherweise passen die Dinge ja heutzutage auch nicht so einfach in die Mülltonne, sondern ein Anreiz müsste da sein. Der kann übrigens da anfangen, dass man tatsächlich eine generelle Rücknahmepflicht für die Unternehmen hat und die auch die Entsorgung, die ordentliche Entsorgung nachweisen.
    Dobovisek: Mit einem Bonus beim Kauf eines neuen?
    Künast: Das könnte auch so sein. Das wäre ein wunderbarer Wettbewerbsvorteil, den viele Unternehmen ja heutzutage schon machen. Allein das mindestens kostenlose Mitnehmen der alten Maschine. Aber ich sage Ihnen: Wenn ein wirtschaftlicher Vorteil daraus wird und eine Chance, dass man diese Produkte jeweils auch vom Rohstoff her, von der Aufteilung her gut auseinandernehmen kann, dann wird es wirtschaftlich umso lukrativer. Dann wird das Angebot der Unternehmen, ich nehme Deins zurück und Du kriegst noch einen Bonus, umso größer.
    Dobovisek: Renate Künast, Grünen-Politikerin im Bundestag und frühere Verbraucherschutzministerin. Ich danke Ihnen für das Interview.
    Künast: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.