Bei einem Raketenangriff mutmaßlich der Hisbollah auf die besetzten Golanhöhen waren nach israelischen Angaben mindestens zwölf Kinder und Jugendliche gestorben. Israel hatte harte Reaktionen angekündigt. Daraufhin war ein hochrangiger Hisbollah-Kommandeur bei einem israelischen Luftangriff auf Beirut ums Leben gekommen. Kurz darauf wurde der Chef der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran getötet – bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff.
Iran droht seither mit heftiger Vergeltung und Israel rüstet sich für Krieg an mehreren Fronten. Aber auch die USA reagieren. Nahostexperten schätzen die Lage als extrem gefährlich ein, so gefährlich wie seit Jahrzehnten nicht.
Was ist über die Tötung von Hamas-Anführer Hanija bekannt?
Der 62-Jährige Ismail Hanija war seit 2017 politischer Kopf der Terrororganisation Hamas. Der im Ausland ansässige Hamas-Chef lebte in Katar. Nach Angaben der Hamas gab es am Morgen des 31. Juli einen Angriff auf dessen Residenz in Irans Hauptstadt Teheran. Hanija hatte dort Berichten zufolge an der Zeremonie zur Vereidigung des iranischen Präsidenten Peseschkian teilgenommen. Laut der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ ist das Gebäude, in dem sich Hanija aufhielt, von einem Marschflugkörper getroffen worden. Die Hamas und der Iran machen Israel verantwortlich.
Welche Reaktionen gibt es auf das Attentat?
Nach den Anschlägen auf die beiden hochrangigen Funktionäre von Hisbollah beziehungsweise Hamas in Beirut und Teheran droht der Iran mit Vergeltung. Israel werde „einen hohen Preis“ bezahlen, hieß es. Auch verbündete Milizen würden sich demnach beteiligen. Dazu zählen etwa die Huthi im Jemen, die Hisbollah im Libanon und die Hamas. Zudem müssten auch Unterstützer Israels mit Angriffen rechnen.
Laut dem US-Nachrichtenportal „Axios“ rechnen die USA und Israel schon in weniger als einer Woche nach dem Tod Hanijas mit einem Angriff des Iran. Die USA kündigten an, zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge zur Abschreckung in die Region zu entsenden – zum Schutz der US-Truppen vor Ort und des Verbündeten Israel.
Laut „Axios“ bemühen sich die Amerikaner, die internationale und regionale Koalition zusammenzubringen, die bereits im April den iranischen Raketenangriff auf Israel nahezu vollständig hatte abwehren können.
In Israel wächst die Kritik an Premierminister Benjamin Netanjahu. Ein früherer Sprecher der israelischen Armee sagte, es sei keine Strategie erkennbar. „Wollen wir einen völligen Krieg gegen die Iraner?“
Welche Bedeutung hat der Tod von Hamas-Anführer Hanija im Nahostkonflikt?
Hamas-Chef Hanija wurde in der Nacht der Präsidentenvereinigung Irans in Teheran umgebracht. Das sehen Nahostexperten als möglicherweise bewusste Provokation Israels, die böse Folgen haben könnte.
Sollte Israel für den Tod Hanijas verantwortlich sein, zeige das, dass Präsident Netanjahu kein Interesse an einem Waffenstillstand habe, schätzt Politologe Jan Busse. Denn mit Ende des Krieges sehe sich Netanjahu vor seiner Abwahl.
Einige Experten befürchten, dass Israel auf diesem Weg versucht, die USA mit in den Konflikt hineinzuziehen. Dafür hätten die USA dem Nahostexperten Michael Lüders zufolge indirekt grünes Licht gegeben. Politologe Jan Busse verweist auf die israelische Führung, die vermutlich hoffe, sich mit Hilfe der USA der Hisbollah entledigen zu können.
Die Konsequenzen einer Eskalation des Konflikts wären enorm. Perspektivisch könnten sich Russland und China zumindest indirekt auf die Seite Irans stellen und die USA und der Westen auf die Seite Israels, befürchtet Lüders. „Und es gibt keinerlei diplomatische Initiativen, diesen Konflikt zu entschärfen. Es gibt jedenfalls keinerlei Druck auf Israel. Weder seitens der USA und schon gar nicht seins Brüssels, geschweige denn Berlins“, sagt der Nahostexperte.
Durch den Tod des Hamas-Anführers Hanija sehen Experten hierzulande auch die Befreiung der israelischen Geiseln im Gaza-Streifen erschwert. Albrecht von Lucke, Politikwissenschafter und Redakteur der politischen Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik", spricht von einem „enormen Rückschlag“. Die Verhandlungen in Katar sollen maßgeblich über Hanija gelaufen sein, sagt Politologe Jan Busse.
Ganz anders sieht es der Islamwissenschaftler Simon Fuchs von der Universität Jerusalem. Er geht davon aus, dass es Israel darum ginge, „maximalen Druck aufzubauen“, um vielleicht doch noch zu einem Abkommen über die Freilassung der Geiseln zu kommen.
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