Gesundheit
Hausärzte dringend gesucht

In Deutschland fehlen Hausärzte: Viele gehen demnächst in Rente, planen ihre Praxis aufzugeben oder weniger zu arbeiten. Gleichzeitig steigen die Patientenzahlen. Die Politik will gegensteuern. Welche Modelle könnten in Zukunft besser funktionieren?

    Ein Plakat mit dem Text "Wir suchen einen Hausarzt / Ärztin - Praxis Vorhanden" steht an einer Straße
    Hausärzte werden nicht nur in vielen ländlichen Regionen gesucht. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Deutschland steht vor einem wachsenden Problem in der medizinischen Grundversorgung: Immer mehr Hausärztinnen und Hausärzte gehen in den Ruhestand, doch der Nachwuchs bleibt aus. Der Hausarztmangel betrifft heute bereits viele Regionen und könnte sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen.

    Inhalt

    Wie groß ist der aktuelle Hausärztemangel in Deutschland?

    In den nächsten zehn Jahren geht laut Prognose der Robert Bosch Stiftung jeder zweite Hausarzt in Rente, dann werden rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein. Nachwuchs? Fehlanzeige. Schon heute fehlen bundesweit mehr als 5.000 Hausärzte und Hausärztinnen. Seit 2015 ist die Zahl der hausärztlichen Einzelpraxen von damals 30.000 um rund 5.000 gesunken. Auch bei Gemeinschaftspraxen gab es einen Rückgang um rund 1.000.
    Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung plant etwa ein Viertel der derzeit praktizierenden Allgemeinmediziner zudem, innerhalb der nächsten fünf Jahre aus dem Beruf auszusteigen, der Rest möchte seine Wochenarbeitszeit reduzieren. Besonders betroffen sind ländliche Regionen. 40 Prozent aller Landkreise droht laut der Prognose der Robert Bosch Stiftung eine krasse Unterversorgung. Aber auch in Städten nimmt der Druck zu.

    Was sind die Hauptgründe für den Hausärztemangel?

    Neben dem demografischen Wandel spielen auch strukturelle Probleme eine Rolle: Die Bevölkerung wird älter und damit betreuungsintensiver. Gleichzeitig kämpfen Ärztinnen und Ärzte mit überbordender Bürokratie, hohem Arbeitsdruck und mangelnder Unterstützung im Praxisalltag.
    Eigentlich sollte die Digitalisierung den bürokratischen Aufwand erleichtern, doch etwa zwei Drittel der befragten Mediziner sprechen von einer regelmäßigen Beeinträchtigung durch Software und Programme. Es komme immer wieder zu Problemen bei der Anwendung.
    Den Umfrageergebnissen der Bertelsmann Stiftung zufolge verbringen die Mediziner rund 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Sprechstunden und Hausbesuchen. Die restliche Zeit wenden sie für Verwaltungsaufgaben, Fortbildung oder sonstigen Tätigkeiten auf.
    Hinzu kommt: Immer mehr Mediziner entscheiden sich für Teilzeitstellen oder Anstellungen in Kliniken mit geregelten Arbeitszeiten, um das unternehmerische Risiko der Selbstständigkeit zu minimieren und lange Arbeitszeiten zu vermeiden. Ein selbstständiger Arzt arbeitet laut Kassenärztlicher Vereinigung rund 53 Stunden in der Woche.

    Wie wirkt sich der Personalmangel auf Hausarztpraxen aus?

    Das Gesundheitssystem gerät vielerorts an seine Grenzen. Die Versorgung wird dünner, besonders auf dem Land. Dort fehlen viele Praxen und in den bestehenden Praxen werden oft keine neuen Patienten aufgenommen. Patienten finden daher schwerer einen neuen Hausarzt, die freie Arztwahl ist somit ebenfalls stark eingeschränkt. Termine werden knapper, Wartezeiten länger.
    Gleichzeitig hat die alternde Bevölkerung einen höheren Behandlungsbedarf und nutzt diese häufig ineffizient. Laut einer Studie haben ältere Menschen in Großstädten nicht selten sogar zwei Hausärzte, die sie für dieselben Beschwerden konsultieren.

    Ist der Hausärztemangel eine reine Geldfrage?

    Nein, denn es gibt sogar finanzielle Anreize wie Startgelder von bis zu 60.000 Euro durch die Kassenärztliche Vereinigung für neue Praxisöffnungen. Doch es fehlt an Ärzten und Ärztinnen, die diesen Schritt gehen wollen. Und so bleiben viele Kassensitze unbelegt, während sie vor allem in den Städten bei Fachärztinnen voll belegt sind.

    Welche Lösungsansätze gibt es, um den Hausärztemangel zu beheben?

    Die Politik setzt auf das Primärarztsystem. Dieses soll den Zugang zum Facharzt regeln und so die Versorgung strukturieren. Alle Patienten sollen künftig zunächst zur Hausarztpraxis, die dann bei Bedarf zum Facharzt überweist. Ausnahmen sind vorgesehen für Besuche beim Zahnarzt, Gynäkologen und Augenarzt.
    Die Idee ist umstritten. Während zum Beispiel Verena Bentele vom Sozialverband VdK die Idee als Hilfe für Patienten im Gesundheitsdschungel begrüßt, warnt Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Weniger Facharztbesuche bringe das Modell nicht, dafür höhere Kosten, mehr Bürokratie und neue Engpässe bei Hausärzten.
    Sollten sich Aufgaben wie Terminmanagement, Befundaustausch, Diagnostik und Behandlungsabläufe zukünftig besser digitalisieren lassen, wäre das eine weitere Entlastungsmöglichkeit für die Praxen. Noch läuft die Digitalisierung aber nur schleppend an.
    Eine andere Idee ist das Modell der Teampraxen. Dabei übernehmen speziell geschulte medizinische Fachangestellte bestimmte Routineaufgaben wie Wundversorgung, Vorsorgeuntersuchungen oder Versorgungen bei chronischen Krankheiten und entlasten damit die Ärzte. Dieses Modell ist in Kanada und Skandinavien bereits etabliert. Laut den Umfrageergebnissen der Bertelsmann Stiftung sehen über 70 Prozent der Hausärzte das Entlastungspotenzial durch diese Aufgabenübertragung als sehr groß oder eher groß an.
    Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kündigte an, die Rolle nichtärztlicher Gesundheitsberufe zu stärken und mehr Gestaltungspielräume zu schaffen. Mehr Medizinstudienplätze und vereinfachte Zulassungsverfahren sind ebenfalls in Planung. Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung liegt allerdings noch nicht vor. Langfristig braucht es aber bessere Arbeitsbedingungen und weniger Bürokratie, um die hausärztliche Versorgung zu sichern.

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