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Hebammen
Der Beruf muss wieder attraktiver werden

Schon seit Jahren machen die Hebammen auf die Probleme ihres so wichtigen Berufsstands aufmerksam. Es gab Streiks und Demonstrationen. Vor allem, weil die Versicherungsbeiträge massiv erhöht worden waren. Aber das ist nur ein Thema auf dem Deutschen Hebammen-Kongress. Um die Geburtshilfe insgesamt steht es schlecht in Deutschland.

Von Axel Schröder | 03.05.2016
    Eine Hebamme der Frauenklinik des Johannes Gutenberg Universitätsklinikums in Mainz tastet den Bauch einer Schwangeren .
    Eine Hebamme der Frauenklinik des Johannes Gutenberg Universitätsklinikums in Mainz tastet den Bauch einer Schwangeren . (picture-alliance/ dpa/dpaweb)
    2.500 Hebammen aus ganz Deutschland diskutieren noch bis morgen im Hamburger Congress-Centrum über die aktuellen Herausforderungen für ihren Berufsstand. Eine von ihnen ist Christina Hinderlich. Sie kritisiert, dass immer weniger Hebammen immer mehr Geburten begleiten sollen:
    "Es ist so, dass unser Gesundheitswesen so drastisch abgebaut hat, dass die Stellenplanung ganz anders aussieht. Es gibt Kliniken, da kann es sein, dass es über 1.000 Geburten sind und eine Hebamme im Dienst ist. Da kommt es alle zwei, drei Wochen vor, dass auch mal zehn Geburten gleichzeitig laufen. Und die Frauen sind nicht mehr gut versorgt."
    Auch kaum noch versierte Ärzte
    Zum Teil, so die Hebamme, würden heute mehr Kaiserschnitte durchgeführt oder eine Saugglocke eingesetzt, nur um Zeit zu sparen. Durchschnittlich 2.300 Euro brutto verdient eine Hebamme, erklärt die Präsidentin des Hebammen-Verbands, Martina Klenk. Dem stehen massiv erhöhte Haftpflichtbeiträge für Hebammen gegenüber. Die Versicherer argumentieren, dass gerade Geburtsfehler oft immense Kosten nach sich ziehen können, die im Falle einer schweren Behinderung des Kindes jahrzehntelang anfallen können. Wegen der gestiegenen Versicherungsbeiträge bekommen Hebammen seit Mitte letzten Jahres einen sogenannten Sicherstellungszuschlag, der aber längst nicht ausreiche, so Martina Klenk.
    "Das ist eine erste Hilfe. Aber es ist nicht die Lösung. Denn das Haftpflichtproblem ist ein sehr komplexes. Zum einen finden wir kaum noch Versicherer, das andere ist, dass die Prämien weiter steigen werden. Wir haben im nächsten Jahr über 8.000 Euro zu zahlen jährlich. Das wissen wir jetzt schon. Und insofern ist der Sicherstellungszuschlag nur ein Tropfen auf den heißen Stein."
    Ein schreiendes Baby. Aber was tun, wenn das Kind schreit? Hebammen helfen vor während und nach der Geburt.
    Was tun, wenn das Kind schreit? Hebammen helfen vor während und nach der Geburt. (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    Seit Jahren sinke die Zahl der Hebammen, die eine Ausbildung anfangen. Und die Folgen sind spürbar, so Volker Ragosch, Gynäkologe an der Asklepios-Klinik in Hamburg-Altona: "Die Situation in ganz Deutschland ist: Es gibt kaum noch Hebammen auf dem Markt. Und es gibt übrigens auch kaum noch gynäkologisch und geburtshelferisch versierte Ärzte auf dem Markt. Das heißt, wir müssen wirklich zusehen, dass wir diesen Beruf wieder attraktiver machen, dass wir die Arbeitsbedingungen verbessern. Dass wieder wirklich mehr Leute das machen wollen."
    Spektrum der Tätigkeiten vergrößern
    Attraktiver könne der Beruf auch durch die Akademisierung der Ausbildung werden, glaubt die Verbands-Chefin Martina Klenk. Ab 2020 sollen sich Hebammen ihr Wissen an Fachhochschulen aneignen und dann, so die Hoffnung, könnte auch ihr Einkommen steigen. Eine andere Möglichkeit wäre es, wie in anderen Ländern schon geschehen, auch das Spektrum der Ausbildung und das Tätigkeitsfeld der Hebammen zu erweitern, so Martina Klenk: "In Schweden ist es so, dass eben Hebammen mit Beginn der reproduktiven Phase der Frau - wenn das Mädchen also die erste Menstruation hat - dann halt eben zur Hebamme geht. Dass dort über Empfängnisverhütung gesprochen wird. Die Hebammen sind in Schweden befugt, die Pille zu verschreiben. Und die Hebammen betreuen dort die Frauen eben auch bis zum Ende der Wechseljahre. Und das wäre eine gute Möglichkeit, dass auch in Deutschland zu etablieren."
    Neben diesen berufspolitischen Themen geht es auf dem Hamburger Hebammen-Kongress auch um die in den letzten Jahren sprunghaft gestiegenen Entbindung per geplantem Kaiserschnitt oder um die Frage nach dem richtigen Umgang mit der wachsenden Zahl möglicher Vorsorgeuntersuchungen - welche pränatalen Tests sind sinnvoll? Und wie sollten Mütter und Väter beraten werden, bei deren Nachwuchs schon im Mutterleib eine mögliche Behinderung diagnostiziert wird? Diese Beratung müssten nicht zwangsläufig nur Mediziner übernehmen. Auch die Hebammen könnten dazu ihren Beitrag leisten.