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Herr Professor, woher kommt mein Taschengeld?

Die Universität Siegen machte nach dem Tübinger Modell die Kinder-Uni in Südwestfalen zur festen Größe. Seit 2007 können dort Kinder zwischen acht und zwölf Jahren den Wissenschaftsbetrieb kennenlernen. Während der Dienstagvorlesung waren die Ohren besonders gespitzt. Da ging es auch um die Frage: Wo kommt das (Taschen-)Geld her?

Von Frank Klischies | 15.05.2010
    Für die Kinder-Uni Siegen gilt auch in diesem Semester: Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Nur wer auch dieses Mal ganz schnelle Eltern hatte, bekam einen der begehrten 500 Studienplätze und kann die insgesamt vier Vorlesungen besuchen. "Studiengebühren" sind übrigens an den Kinder-Unis kein Thema, denn die Vorlesungen sind kostenlos. Aber erst einmal müssen sich die Kinderstudenten ihren Teilnahmestempel abholen. Denn der ist ganz wichtig.

    "Wenn man drei Stempel hat, kann man an der letzten Vorlesung den Ausweis vorzeigen und dann kriegt man halt ein Diplom."

    Jedes Kind trägt seinen blauen Studienausweis um den Hals und wird - wie jedes Mal – am Empfang mit Blöcken und Stiften versorgt. Und es werden auch vier Karten mit unterschiedlichen Farben ausgeteilt. Die spielen am Ende der Vorlesung noch eine wichtige Rolle.
    Was finden die Kinder an der Kinder-Uni so interessant?

    "Weil ich da ´was lernen kann.
    Die verschiedenen Themen und wie die uns das erklären.
    Weil die das so gut gestalten, mit Experimenten und so ´was."

    Was motiviert Eltern, ihre Kinder nach der Schule - spätnachmittags - zur Uni zu begleiten?

    "Ich finde die Kinder-Uni ein hervorragendes Instrument, damit Kinder einfach an wissenschaftliche Themen herangeführt werden, denn Kinder sind von Natur aus neugierig, und somit können sie einfach ihr individuelles Leben mit der Wissenschaft verquicken."

    "Vielleicht werden hier Fragen beantwortet – kindgerecht, die man als Eltern vielleicht nicht so beantworten kann, könnte ich mir vorstellen."

    Die Kinder-Uni ist auch für die Hochschullehrer eine ganz besondere Herausforderung und zugleich Neuland. Gilt es doch, einem sehr jungen Publikum, bei dem die schulische Laufbahn sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen steckt, komplexe und teilweise auch komplizierte Themen zu servieren. Und zwar altersgerecht und attraktiv, das heißt multimedial.
    Wie kommt Hochschulwissen ansonsten unters Volk?

    "Normalerweise nur über die Studierenden, die wir sonst hier haben und über die Veröffentlichungen, die wir Wissenschaftler schreiben, aber nicht auf diese direkte Art und Weise, wie wir das jetzt mit den Kindern machen,"

    … erklärt der Volkswirtschaftler Prof. Hans-Jürgen Schlösser.
    Europaweit gibt es mittlerweile 70 Kinder-Unis. In die Landkarte Deutschlands könnte man über 50 Fähnchen stecken, um die Städte mit Kinder-Unis zu kennzeichnen. Die Uni Siegen ist mit ihrer Kinder-Uni seit 2007 am Start und braucht sich keine Zukunftssorgen zu machen, weil sie auch sehr alltagsnahe Themen findet.

    Bei der Vorlesung an diesem Dienstag ging es beispielsweise um die Frage: "Wie komme ich zu meinem Taschengeld?" Weil bei der Wissensvermittlung im Falle von Kindern auch der Weg das Ziel ist, ließen sich die beiden Wirtschaftswissenschaftler Hans-Jürgen Schlösser und Arnd Wiedemann etwas ganz Besonderes einfallen. Sie nahmen den 15-jährigen Moritz Wiedemann mit aufs Podium und inszenierten ein Vater-Sohn-Gespräch in den heimischen vier Wänden, dem sich später "Hans-Jürgen" hinzugesellte. Darin wurde alles Wichtige gesagt: wo das Geld herkommt und was damit so alles passiert. Ein an für sich trockenes Thema!

    "Und da haben wir uns gedacht, mit den Filmen das Ganze ein bisschen aufzulockern, damit das auch für die Kinder interessant ist. Andere Kollegen, gerade die aus der Physik oder aus der Biologie oder aus der Chemie, die haben es auf der Ebene natürlich ein bisschen leichter, da kann es dann krachen, zischen und puffen, da kriegt man auch einen größeren Effekt eigentlich raus."

    Trotzdem waren die Kinder ganz bei der Sache, bestätigt auch der 23-jährige Maschinenbaustudent Björn Wollny. Er gehört zu den zahlreichen Betreuern und weiß, wodurch sich bei den Kindern schwindendes Interesse bemerkbar macht.

    "Ja, man merkt´s dann, wenn sie anfangen zu zeichnen oder schon den ersten Flieger basteln und schwer mit ihrem Nachbarn sprechen, dann versuchen wir dazwischen zu gehen, das ein bisschen zu regulieren und dann klappt das meist ganz gut."

    Am Dienstag jedenfalls wurde die gute Thermik im Audimax nicht genutzt und der Papierflugverkehr war gleich null. Die große Aufmerksamkeit der acht- bis 12-Jährigen zeigte das abschließende Quiz, bei dem die erwähnten vier Karten zum Zuge kamen. Vier möglichen Antworten wurde je eine Farbe zugeordnet und siehe da: Fast synchron ging jedes Mal die richtige Farbe in die Luft.
    Welcher Erwachsene hätte das gewusst?
    Von den 763 Milliarden Euro, die in der gesamten EU im Umlauf sind, wandern 328 Milliarden Euro in Deutschland von Geldbeutel zu Geldbeutel. Und weil solche Zahlen nicht nur die kindliche Vorstellungskraft sprengen, machte Arnd Wiedemann das den Kindern besonders anschaulich: Würde man die genannte Summe in 1-Euro-Münzen auftürmen, wie oft käme man zum Mond?

    "Fünfmal habe ich gehört und das ist genau perfekt, denn fünfmal ist goldrichtig."

    Spätestens seit Dienstag wissen die 500 Kinder auch, dass das Taschengeld, wenn man nichts dafür tun muss, eine Transferleistung ist und ein Einkommen, wenn man etwas dafür tun muss.
    Was begeisterte die Kinder?

    "Ich fand´s am interessantesten, wie das Geld von der Bank aus dem Geldautomaten kommt."

    "Dass es da so eine große Bank gibt für ganz Europa, die dann den kleineren Banken Geld leiht. Dass es halt so einen Kreislauf gibt."

    Und wie fanden es die Professoren?

    "Ich bin superbegeistert. Ich würde das auch sofort noch einmal machen, wenn man mich wieder fragt – mit einem anderen Thema, aber die Resonanz, die die Kinder gegeben haben, die Begeisterung, die im Saal durchklang – das war schon fantastisch."

    Welches Ziel verfolgt die Kinder-Uni?

    "Ich denke, es ist eine sehr gute Sache, die Kinder auf durchaus etwas spielerische Weise an Wissenschaft, Universität heranzuführen. Das ist eine Betonung des Bildungsgedankens und holt die Universität, die doch für den normalen, jungen Menschen sehr weit entfernt hier auf dem Hügel ist, ein bisschen näher in die Welt."

    Die Dezibel-Werte kurz nach 18 Uhr sprachen eine eindeutige Sprache …

    Kinderuni Siegen
    Koordinatorin der Kinder-Uni Siegen: Sandra Schönauer

    Die Vorlesungsreihe (Sommersemester) im Überblick:

    - 18. Mai 2010 Prof. Dr. Horst Görg (Bauingenieurwesen)
    Einfälle statt Abfälle
    - 25. Mai 2010 Prof. Dr. Thomas Coelen (Erziehungswissenschaften)
    Was machen eigentlich Kindheitsforscher?