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Wissenschaft trifft Hobbywissenschaftler

An der Uni Köln bemüht man sich auch um den Austausch mit nicht-professionellen Forschern. Engagierte Hobby-Mineralogen zum Beispiel können mit ihrem Fachwissen so manchem Geowissenschaftler das Wasser reichen.

Von Katrin Sanders | 15.05.2010
    Der Mineraloge Rolf Hollerbach betrachtet das Fundstück des Sammlers unter dem Mikroskop. Gemeinsam dreht und betastet man den pistaziengrünen Stein. Der Besucher ist nicht zum ersten Mal da. Regelmäßig bringt der Hobbymineraloge Funde aus der Osttürkei mit in die Mineraliensprechstunde an der Universität zu Köln. Das kostenlose Angebot am Geomuseum nutzt er für seine Leidenschaft: Steine, Mineralien, Fossilien aus der Heimat:

    "Mein Hobby ist das, lange Zeit, ich arbeite über diese Sache. Ich habe zu Hause viele verschiedene Steine, sehr viele. Ich spaziere viel auf den Bergen. Ich suche und suche und suche."

    Und das Geomuseum hilft Sammlern wie ihm beim Sortieren. Der große Renner sind angebliche Meteoritenfunde, sagt Rolf Hollerbach. Ein echter war allerdings in all den Jahren noch nicht dabei. 90 Prozent der Fragen kann der Kustos des Geomuseums mit Blick durch das Mikroskop sofort klären. Dennoch: Wenn Profis für Mineralogie und Hobbywissenschaftler sich treffen, ist das, so sagt er, eine Begegnung auf Augenhöhe.

    "Es kommen Sammler, die mit ganz speziellen Wünschen auch kommen. Die haben häufig auf ihrem Sammelgebiet mehr Wissen, als jeder Mineraloge normalerweise hat. Und es gibt aber auch manchmal Fälle, wo wir dann mal mit unserer instrumentellen Analytik drangehen müssen, wenn es sich lohnt!"

    Das Geomuseum der Uni Köln mit den teils spektakulären Funden und Kristallen ist zu festen Öffnungszeiten für jedermann frei zugänglich. Steine aus der Wühlkiste gibt es umsonst zum Mitnehmen.

    Natürlich gibt es weitere Institute, an denen ähnliche Schätze zu entdecken sind: Die Sammlung antiker Münzen, die anatomischen Exponate der medizinischen Fakultät, auch eine Sammlung alter Instrumente ist nach Terminvereinbarung zu besichtigen. Doch kaum jemand weiß davon, Interessierte müssten sich durchfragen, sagt Ursula Pietsch-Lindt von der Koordinierungsstelle Wissenschaft und Öffentlichkeit.

    "Muss man sagen: Es ist nicht einfach, an diese Informationen heranzukommen. Weil es eben eine sehr große Universität ist, die viele Schätze in ihren Kammern verborgen hat, bis hin in die Untergründe."

    Und ein zentraler Wegweiser bis in diese Untergründe existiert nicht mehr. So könnten die Schätze durchaus in Vergessenheit geraten, zum Beispiel auch dieses Serviceangebot:

    "Das Institut für musikalische Volkskunde hält eine Datenbank bereit, und wenn Sie auf der Suche sind nach einem Lied, von dem sie nur Bruchstücke wissen, sei es eine Lied- oder Textzeile wissen, dann können Sie sich an dieses Institut wenden und die werden ihnen dann helfen, ihren Ohrwurm zu komplettieren."

    Der Anspruch der Universität zu Köln, sich dem breiten Publikum zu öffnen, ist groß: Seniorenstudium oder Kinderuniversität sind längst Standard. Für die13-15-Jährigen gibt es die Junioruni: Mit Vorlesungen und Workshops, der letzte zum Thema Astrophysik, geht man darin auch neue Wege:

    "Das ist dann so eine Mischung aus Edutainment, also auch etwas unterhaltsam die Wissenschaft nachgebracht, aber dann auch streng methodisch angeleitet, wie muss ich vorgehen, wenn ich einen Planeten beobachten möchte und einen Antrag stelle bei einem Teleskop."

    Mit den Angeboten, wie die Uni Köln das Wissen in die Öffentlichkeit trägt, steigt regelmäßig die Nachfrage: Die kostenfreien Ringvorlesungen oder die Wissenschaftsnacht mit dem Vorlesungsmarathon unter dem Titel 24 Stunden Bildung umsonst sind immer sehr gut besucht. Daneben entstehen andere, neue Formen der Wissensvermittlung, die ein Publikum jenseits der Hochschule ansprechen:

    Beim 1. Kölner Science Slam finden sich am Abend desselben Tages 200 Unter-25-Jährige ein. Science Slam - das sind Zehnminuten-Präsentationen aktueller Forschungsarbeiten. Am Ende wird das Publikum die Beste ermitteln. Programm und Inhalt sind zunächst Nebensache:

    "Ich weiß nicht, was auf uns zukommt, ich lasse mich überraschen und freu mich auf einen lustigen interessanten Abend: Weil ich auf YouTube ein Video gefunden habe und fand das ist lustig, hab ich gedacht, gehst du mal hierhin. Dementsprechend hoffe ich, dass einfach ein paar Themen kommen, wo man sagt: ziemlich cool."

    Beispielsweise die Forschungsfrage eines Sportwissenschaftlers aus Münster: Was trainiert die Bauchmuskeln effektiver: Sit-ups im Fitnessstudio oder gezielte Lachübungen? Für solche Themen zahlen die meisten Zuschauer auch Eintritt. Zuschauer, die in einer traditionellen Ringvorlesung eher nicht zu finden sind.

    "Das Problem ist, dass das was in den Unis passiert von der breiten Bevölkerung doch immer so ein bisschen als Elfenbeinturmkocherei angesehen wird. Und man traut den Jungs eigentlich nicht, dass die populärwissenschaftlich arbeiten können. Und ich hoffe mal, dass der Science Slam jetzt populärer wird, aber dabei die Wissenschaft nicht ganz hinten runterfallen lässt."

    Wenige Stunden später ist klar: Etwas mehr Wissenschaft hätte dem Science Slam gut getan. Aber der Abend war unterhaltsam. Die Mischung aus Kölsch und Campus kommt an - ein neuer Weg, wie das Wissen unters Volk kommen kann.