Die Zollbeamten im westpolnischen Zielona Góra nahe der deutschen Grenze mussten nicht lange suchen, als sie vor einigen Wochen auf die Ladefläche eines gestoppten chinesischen Lkw stiegen. Die Schmuggelware war nicht versteckt, sondern stand direkt vor ihnen, abgefüllt in 1200 grüne Gaszylinder und sauber verpackt in beschrifteten Kartons. In den Zylindern waren teilfluorierte Kohlenwasserstoffe, kurz HFKW, Treibhausgase, die vor allem in Kühl- und Klimaanlagen eingesetzt werden. Ein legales Produkt, aber auch ein potenter Klimakiller. Deswegen ist die Einfuhr in die Europäische Union beschränkt. Die insgesamt 13 Tonnen in dem Laster aus China waren irregulär in die EU gekommen.
"Das ist ein Klimaverbrechen zu einer Zeit in der wir es am wenigsten gebrauchen können. Es ist schön, gute Gesetze zu haben. Aber wenn die nicht durchgesetzt werden, sind sie nichts wert", sagt Clare Perry von der Environmental Investigation Agency, kurz EIA, einer britischen Umweltorganisation. Vor einigen Monaten hatten polnische Beamte schon einmal 26 Tonnen HFKW aus dem Verkehr gezogen, damals in Einwegzylindern verpackt. Die sind verboten und fallen am Zoll deshalb besonders auf. Dass es diesmal Mehrwegzylinder waren, deutet darauf hin, dass die Schmuggler dazulernen.
"Schmuggel durch die Vordertür"
Die beiden Funde aus China waren wohl höchstens kleine Stichproben einer viel größeren Menge Treibhausgase, die regelmäßig illegal nach Europa eingeführt werden. Beobachter sprechen von Gewinnspannen wie im Drogenhandel. Trotzdem läuft der verbotene Import weitgehend offen ab. Clare Perry von der EIA hat eine eigene Bezeichnung dafür: "Wir nennen es Schmuggel durch die Vordertür, denn die Ware muss gar nicht versteckt werden. Es bleibt aber ein illegaler Import."
Für den europäischen Zoll lässt es sich äußerst schwer feststellen, ob eine Ladung legal ist oder nicht. Denn den Unternehmen, die das Treibhausgas HFKW importieren, wird zwar eine Quote zugewiesen, die sie nicht überschreiten dürfen. Es muss aber nicht jede Lieferung gesondert genehmigt werden. Solange ein Händler also grundsätzlich eine Quote vorweisen kann, kann ein Zöllner kaum feststellen, ob sie bereits überschritten ist oder nicht. Clare Perry und ihre Mitstreiter von der EIA haben versucht herauszufinden, wie viele HFKW ohne Quote illegal in die EU geschafft werden, stoßen dabei aber auf Probleme.
"Das ist schwierig festzustellen, weil natürlich niemand Rechenschaft über illegale Einfuhren ablegt. Wir haben uns deswegen die Zahlen der Zollbehörden angesehen und haben überschlagen, wie viel HFKW eingeführt wurde. Das haben wir abgeglichen mit den Mengen an HFKW, die auf dem europäischen Markt verfügbar waren", sagt Perry.
"Das ist schwierig festzustellen, weil natürlich niemand Rechenschaft über illegale Einfuhren ablegt. Wir haben uns deswegen die Zahlen der Zollbehörden angesehen und haben überschlagen, wie viel HFKW eingeführt wurde. Das haben wir abgeglichen mit den Mengen an HFKW, die auf dem europäischen Markt verfügbar waren", sagt Perry.
Was die Kontrolle noch komplizierter macht: Die EU beschränkt die Einfuhr der Treibhausgase nicht nach ihrer tatsächlichen Menge. Für die Quote kommt es darauf an, wie sehr sie sich aufs Klima auswirken. Als Richtwert dafür gilt CO2. Das trägt von allen Treibhausgasen zwar selbst am stärksten zum Klimawandel bei, das liegt aber vor allem daran, dass es so viel davon gibt. Andere Gase sind wesentlich potenter. Das am weitesten verbreitete HFKW zum Beispiel wirkt 1430-mal so stark wie CO2, bei gleicher Menge. Deswegen könne selbst eine vergleichsweise geringe Menge geschmuggelter HFKW-Treibhausgase große Auswirkungen haben, sagt Umweltaktivistin Clare Perry.
Der Regulierung folgte der Schwarzmarkt
"Wir schätzen, dass die HFKW, die 2018 auf den EU-Markt gelangten, die vorgesehene Menge um 16 Millionen Tonnen überschritten haben. Das sind also 16 Prozent mehr als zulässig", sagt Perry. Die EU-Kommission zweifelt zwar an diesen hohen Zahlen, gibt aber an, dass der Schmuggel sie beunruhige.
Dass die EU mit illegalen Einfuhren der Treibhausgase zu kämpfen hat, ist ironischerweise eine Auswirkung ihrer erfolgreichen Politik. Brüssel hat sich vorgenommen, die Verbreitung von klimaschädlichen fluorierten Gasen in der Union deutlich zu drosseln – mit einem ambitionierten Plan. Von 2015 bis 2030 soll die Menge der F-Gase, die in der EU im Umlauf sind, um 80 Prozent gesenkt werden – gemessen am CO2-Äquivalent. Besonders schädliche Gase sollen vom Markt verschwinden. Stattdessen sollen Gase mit niedrigen Werten verwendet werden. Das genannte Quotensystem soll dafür sorgen, dass schrittweise immer weniger der klimawirksamen Gase am Markt erhältlich sind.
Das habe sich schnell auf den Preis ausgewirkt, sagt Daniel de Graaf vom Umweltbundesamt in Dessau: "So richtig ging die Rallye ab 2017/2018 los, und hat dann im Laufe des Jahres 2018 bis 2019 dazu geführt, dass man Aufschläge zu 2014 um 800 Prozent hatte, also wirklich einen extremen Preisanstieg. Und das war auch so ein bisschen der Hallo-wach-Effekt für die Branche: Oh guck mal, es wird wirklich knapp. Nicht nur, dass Betriebe teilweise keine Kältemittel mehr bekommen haben, sondern dass eben ganz andere Preise aufgerufen wurden."
Der Preisanstieg war beabsichtigt. Er sollte dafür sorgen, dass Hersteller und Abnehmer der HFKW auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen – die durchaus vorhanden sind. Nicht beabsichtigt war, dass der bewusst erzeugte Mangel an klimawirksamen HFKW in der EU mit billiger und illegaler Importware aus dem nichteuropäischen Ausland ausgeglichen wird.
Der Preisanstieg war beabsichtigt. Er sollte dafür sorgen, dass Hersteller und Abnehmer der HFKW auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen – die durchaus vorhanden sind. Nicht beabsichtigt war, dass der bewusst erzeugte Mangel an klimawirksamen HFKW in der EU mit billiger und illegaler Importware aus dem nichteuropäischen Ausland ausgeglichen wird.
HFKW ersetzten FCKW
Im Schatten der großen Frage, wie sich die CO2-Emissionen senken lassen, um den Klimawandel abzumildern, tobt hier ein Kampf um einen weiteren Klimaschädling, der zwar in wesentlich geringerem Maße auftritt als das allgegenwärtige CO2, der es wegen seines hohen Treibhauseffekts aber in sich hat. Anders als CO2 sind HFKW kein Beiprodukt, das in Verkehr, Industrie oder Haushalten entsteht, sondern es sind Gase, die gezielt für bestimmte Anwendungen hergestellt werden und sich somit auch gezielter wieder verdrängen lassen.
"Es wird bei den F-Gasen auch von low-hanging fruits gesprochen, wenn es darum geht, die Emissionen zu mindern, weil man eben andere Möglichkeiten hat", sagt Daniel de Graaf.
Dass HFKW heute überhaupt so verbreitet sind, liegt daran, dass sie einst bewusst im großen Stil eingeführt wurden – als Alternative für noch viel schädlichere Substanzen, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, kurz FCKW.
Wer die heute aufspüren möchte, landet zum Beispiel beim Elektrogeräterecycler Remondis in einer großen Industriehalle in Berlin-Neukölln. Meterhoch türmen sich hier alte ausgeschlachtete Kühlschränke zu gewaltigen Schrottbergen. Zwei Container sind bis zum Rand mit ausrangierten schwarzen Kühlaggregaten gefüllt. Um diese abzutrennen, müssen die Kühlschränke ein aufwendiges Recyclingverfahren durchlaufen, denn rund ein Drittel der Altgeräte, die hier pro Jahr verarbeitetet werden, enthält noch FCKW, das die Ozonschicht zerstört. Das Gas-Ölgemisch aus dem Kühlkreislauf müsse deshalb aus jedem Kühlschrank einzeln behutsam abgesaugt werden, damit die gefährlichen Stoffe nicht in die Atmosphäre gelangen, sagt Betriebsstättenleiter Frank Rommel. Mitarbeiter hieven die Kühlschränke auf ein Laufband und lassen sie an die Saugstation fahren.
"Die Kühlgeräte werden so hingelegt, dass sie im Prinzip am tiefsten Punkt angestochen werden können. Das heißt, das Öl läuft hier vor, das FCKW, das ja gasförmig ist, sammelt sich dahinter und drückt im Prinzip das Öl erst raus und kommt dann hinterher als Gas. Und dann haben Sie das ganze Ding entleert", sagt Rommel.
"Die Kühlgeräte werden so hingelegt, dass sie im Prinzip am tiefsten Punkt angestochen werden können. Das heißt, das Öl läuft hier vor, das FCKW, das ja gasförmig ist, sammelt sich dahinter und drückt im Prinzip das Öl erst raus und kommt dann hinterher als Gas. Und dann haben Sie das ganze Ding entleert", sagt Rommel.
Ein Arbeiter befestigt eine Art Klemmzange am Kühlaggregat, an der ein in Metall eingefasster Schlauch hängt, und saugt das FCKW-Gemisch ab. Sobald er fertig ist, trennt ein Kollege mit einer Hydraulikschere die Aggregate vom Kühlschrank. Das abgesaugte Treibhausgas wird in eine Brennanlage gebracht, wo es unter hohen Temperaturen unschädlich gemacht werden kann. Der Rest des Kühlschranks wandert nun in eine Schredderanlage, in der auch die verbliebenen FCKW im Dämmschaum gesammelt werden. Gut fünf Millionen Euro hat Geschäftsführer Gerhard Jokic vor drei Jahren investiert, um das Kühlgeräterecycling auf den neuesten Stand zu bringen. Knapp eine halbe Million Kühlschränke werden in der Anlage jedes Jahr recycelt.
"Die Verweildauer in den deutschen Haushalten ist sehr lang. Das heißt, es kommen immer noch Geräte, die FCKW enthalten, zurück. Und die werden hier erfasst und der Verwertung zugeführt", erklärt Rommel.
Nicht immer wird sauber recycelt
Mit den Kühlschränken werden in Deutschland die letzten Spätfolgen der FCKW entsorgt, die über Jahrzehnte im Einsatz waren. Durch das weltweite Verbot der Stoffe, ist deren Vorkommen auch anderswo stark zurückgegangen – mit gelegentlichen Ausreißern. Die Environmental Investigation Agency habe herausgefunden, dass zum Beispiel in der Mobiltelefonproduktion in China FCKW eingesetzt wurde, berichtet Clare Perry:
"Wir haben Recherchen in China angestellt und haben eine Reihe an Unternehmen ausfindig gemacht, die in ihrer Produktion von Mobiltelefonen FCKW einsetzten. Und die Informationen, die wir von diesen Unternehmen erhielten, deuteten darauf hin, dass es in der Industrie ziemlich weit verbreitet war. Allerdings hat China sich bemüht, den Einsatz landesweit zu unterbinden. Wir werden sehen, ob es gelingt. Die Messungen in der Atmosphäre deuten darauf hin, dass die Emissionen sinken."
Ein weiteres Problem ist, dass das Recycling von alten Kühlgeräten nicht überall so abläuft wie in Berlin-Neukölln. Vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es teils gar keine entsprechenden Anlagen. Die Berliner Recyclingexperten von Remondis berichten auch, dass bei rund einem Viertel der Altgeräte, die bei ihnen angeliefert werden, der Kühlkreislauf schon zerstört worden sei. Das FCKW entweicht in diesen Fällen ungehindert in die Atmosphäre. Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe beschuldigt Recyclingunternehmen und Sammelstellen darüber hinaus, dass der Umgang mit den Altgeräten auch in Deutschland in vielen Fällen zu wünschen übrig lasse:
"Wenn die entsorgt werden, müssen sie qualitativ hochwertig entsorgt werden, sodass die FCKW nicht in die Atmosphäre gelangen, sondern aufgefangen und zerstört werden. Das passiert nach unserer Einschätzung in Deutschland nur sehr unzureichend, auch aufgrund veralteter technischer Standards und auch aufgrund faktisch nicht stattfindender Kontrollen. Und wenn Kontrollen stattfinden, sind das Kontrollen, die vorher angekündigt werden, das heißt also, man kann sich darauf vorbereiten."
Erfolgreicher Kampf gegen FCKW
Insgesamt aber ist der Kampf gegen die FCKW eine Erfolgsgeschichte. Mit dem Montrealer Protokoll von 1987 hatte die internationale Staatengemeinschaft gezeigt, wozu sie in der Lage ist, wenn es darauf ankommt: FCKW wurden in seltener Einmütigkeit verboten. Heute erholt sich die Ozonschicht wieder. Ein Preis des Erfolgs war aber, dass die FCKW durch Stoffe ersetzt wurden, die selbst alles andere als ungefährlich sind. Treibhausgase sind trügerisch. Auch als vor 90 Jahren das erste Mal FCKW eingesetzt wurden, war man sich ihrer Gefahr nicht bewusst. Sie galten als Wundermittel. FCKW waren als Kältemittel ebenso zu gebrauchen wie in Sprühdosen und zum Herstellen von Schaumstoff. Sie brannten nicht, waren geruchslos und für Menschen ungiftig.
Erst als in den 80er-Jahren das Ozonloch entdeckt wurde, war klar, dass die Gase nicht so harmlos waren wie gedacht. Ein Ersatz musste her, schildert Daniel de Graaf vom Umweltbundesamt in Dessau: "Man hat sich dann halt an Stoffen orientiert, die ähnliche Eigenschaften haben und alles was es für ein gutes Kältemittel eben braucht, und ist auf die HFKW gekommen. Die hatten kein ozonschichtzerstörendes Potenzial, das war erst mal prima. Und die Treibhauswirksamkeit dieser Stoffe, die waren erst mal nebensächlich."
Dass die neuen vor allem als Kältemittel eingesetzten Gase immer noch hundert- oder gar tausendfach klimaschädlicher sind als CO2, rückte erst mit der wachsenden Sorge um den vom Menschen verursachten Klimawandel stärker ins Bewusstsein. Mit dem steigenden Verbrauch der Ersatzstoffe sei immer deutlicher geworden, dass auch sie zum Problem geworden waren, sagt de Graaf.
"Wenn Sie mal das Montrealer Protokoll nehmen, das ist 30 Jahre her, da gab es noch zwei Milliarden Menschen weniger auf der Welt, da war China wirtschaftlich gesehen noch ein Zwerg. Die Welt hat sich ja doch deutlich weiterentwickelt und auch der Ressourcenverbrauch, der Energieverbrauch, der Bedarf an Kühlung ist dramatisch gestiegen. Und auch wenn die HFKW ein niedrigeres Treibhauspotenzial hatten, wenn sie aber gleichzeitig ein großes Wachstum haben und sich die Gerätezahl verdoppelt, verdreifacht, dann frisst es das, was Sie auf der einen Seite gewonnen haben, auf der anderen wieder auf", sagt de Graaf.
Der gemeine Haushaltskühlschrank kühlt heute meist mit dem ökologisch unproblematischen Isobutan oder mit einer Mischung aus Propan und Butan. Die klimaschädlichen HFKW wurden als FCKW-Ersatz vor allem in Klimaanlagen, in Kühlsystemen von Supermärkten und in der Industrie eingesetzt, sowie in Millionen Pkw. Im Vergleich zum dominanten CO2 trügen sie zwar einen geringen Teil zum Klimaerwärmungsprozess bei, sagt Daniel de Graaf, sie seien aber dennoch nicht zu missachten:
"Die liegen in Deutschland etwas unter 2 Prozent, 1,6 bis 1,7 Prozent der Gesamttreibhausgasemissionen. Das klingt erst mal wenig, wenn man aber beispielsweise mal dagegen hält: Beim Flugverkehr geht man von 2,5 Prozent der Gesamttreibhausgasemissionen aus. Daran sieht man, es ist die gleiche Größenordnung, und kann nicht sagen, das vernachlässigen wir jetzt mal eben."
Abkehr von HFKW ist beschlossen
2016 reagierte die internationale Staatengemeinschaft. In einem Zusatz zum Montrealer Protokoll, benannt nach dem Tagungsort Kigali, beschlossen die Vertragsstaaten die Abkehr von den hochpotenten HFKW hin zu klimafreundlicheren Alternativen. Der Beschluss verpflichtet Industrie- und Entwicklungsländer in unterschiedlichem Maße, die Produktion und die Verwendung der HFKW zunächst einzufrieren und in den Jahren darauf zu reduzieren. Industrieländer sind verpflichtet, die HFKW-Menge bereits ab diesem Jahr zu senken. Schon vor zehn Jahren hatten die Vertragsstaaten die Diskussion begonnen. Die Europäische Union ging schließlich voran und beschloss in ihrer F-Gas-Verordnung, ab 2015 die Verkaufsmengen bis 2030 schrittweise auf ein Fünftel der damaligen Verkaufsmengen zu reduzieren. Ein Problem dabei: Mit den immer neuen Ersatzstoffen werde der Markt nicht gerade einfacher, sagt Daniel de Graaf:
"Sie hatten früher im Kältebereich genau drei Kältemittel. Man hatte dann noch natürliche Kältemittel, aber damit hat es sich im Wesentlichen gehabt. Es war sehr übersichtlich. Das wurde schon wesentlich komplexer, als die HFKW eingeführt wurden, da hatten Sie viele Reinstoffe, viele Gemische. Und jetzt mit dem neuerlichen Ausstieg aus den HFKW ist die Situation sehr unübersichtlich geworden: Viele verschiedene Produkte, die, selbst wenn es die gleichen sind, von verschiedenen Herstellern unterschiedlich benannt werden."
Die Hersteller haben ein großes Interesse, Ersatzstoffe ebenso lukrativ zu vermarkten, wenn ein altes verboten wird oder Obergrenzen zum Opfer fällt. Als die FCKW verboten wurden, drückten sie die HFKW in den Markt. Nun, da es den HFKW an den Kragen geht, vermarkten sie ebenfalls patentierte Ersatzstoffe. Das kann für sie sogar lukrativer sein als vorher, wenn bei den verbotenen Stoffen etwa das Patent schon ausgelaufen war.
"Einen Strich durch die Rechnung machen ihnen ein bisschen die natürlichen Kältemittel. Deshalb möchte man die möglichst nicht als Alternativen sehen. Daran verdient man nichts, und auch wenn deren Eigenschaften teilweise besser sind in Sachen Energieeffizienz, bewirbt man nur einseitig diese neuen fluorierten Substanzen", sagt de Graaf.
CO2 als Alternative
Das bislang in Autoklimaanlagen eingesetzte HFKW etwa darf wegen seines hohen CO2-Aquivalents seit 2017 nicht mehr verwendet werden. Stattdessen brachten die Hersteller ein Mittel auf den Markt, das sie HFO nannten. Das ist seinem Vorgänger chemisch so ähnlich, dass die Klimaanlagen dafür kaum umgebaut werden müssen. Allerdings hat das neue Kältemittel seine Tücken. Daimler hatte sich zunächst dagegen gewehrt, es in seinen Autos einzusetzen, weil es bei Tests zu Bränden kam, bei denen ätzende Flusssäure entstand. Zudem warnt das Umweltbundesamt, dass die Chemikalie und ihr Zerfallsprodukt Trifluoressigsäure, kurz TFA, in die Umwelt gelangten und im Wasser schwer abbaubar seien.
Clare Perry von der Environment Investigation Agency würde HFKW gern noch rigoroser zu Leibe rücken: "Wir schlagen deshalb auch vor, die F-Gas-Verordnung strenger umzusetzen. Wir könnten HFKW in einigen Produkten früher verbieten als geplant und auf der anderen Seite etwa Steueranreize für die Verwendung klimafreundlicher Alternativen setzen."
Das Umweltbundesamt propagiert vor allem natürliche Kältemittel als Ersatz für HFKW. In den Kühlanlagen von Supermärkten hat sich CO2 heute schon etabliert. In so geringen Mengen, wie es hier eingesetzt wird, fällt es kaum ins Gewicht. Auch Autoklimaanlagen etwa lassen sich mit CO2 betreiben. "Das Problem war, man musste hier ein komplett neues System entwickeln, da CO2 sehr hohe Drucklagen hat zum Teil, da werden andere Kompressoren benötigt", sagt Daniel de Graaf vom Umweltbundesamt. Eine Entwicklungsleistung, die die meisten Autobauer scheuen.
Auch Raumklimaanlagen ließen sich mit einem natürlichen Kältemittel betreiben, mit Propan. Das gilt unter Kältetechnikern als Alleskönner. Stattdessen setzt sich in besonders heißen Ländern für Klimaanlagen gerade ein Stoff mit dem Kürzel R32 durch. Das ist ein HFKW und ist immerhin 675-mal klimaschädlicher als CO2. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch dafür wieder ein Ersatzstoff gefunden werden muss.