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Historiker zur Weimarer Republik
"Am Anfang war Gewalt"

Die unterschiedlichen politischen Strömungen in der Weimarer Republik hätten sich in der Anfangsphase stark radikalisiert, sagte der Autor und Historiker Mark Jones im Dlf. Die Gewalt am Anfang der jungen Republik sei auch Wegbereiter für die Gewalt der Nationalsozialisten gewesen.

Mark Jones im Gespräch mit Michael Köhler | 25.12.2018
    Auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin hält Friedrich Ebert (M) am 9. November 1918 eine Ansprache
    Auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin hält Friedrich Ebert (M) am 9. November 1918 eine Ansprache. An diesem Tag stürzte das deutsche Volk das letzte Kaiserreich, der SPD-Politiker wurde Reichskanzler und später der erste Reichspräsident. (picture-alliance / dpa)
    Das Buch "Am Anfang war Gewalt" von Mark Jones beginnt mit der Beschreibung eines Hinrichtungskommandos am 11. März 1919. Da liegen das Ende des Ersten Weltkrieges und die Ausrufung der Republik schon etliche Monate zurück. Diese Szene ermögliche, "die Gewalt zu erfassen", sagte Jones im Dlf. Die Szene am Anfang seines Buches solle außerdem abbilden, wie die Gewalt zugenommen habe - nach dem November 1918.
    Die Gewalt am Anfang der jungen Republik sei auch Wegbereiter für die Gewalt der Nationalsozialisten gewesen, so Jones. Zwar sei die Zukunft 1919 offen gewesen, dennoch könnten die späteren Entwicklungen leichter verstanden werden, wenn man den Anfang der Gewaltbereitschaft und Radikalisierung in der Weimarer Republik genauer analysiere. "Man assoziiert das Wort Demokratie mit einer positiven politischen Errungenschaft" - die Diktatur stünde für das Gegenteil, was wir nicht wollten. "Bei dieser Sinnbildung vergessen wir, dass Demokratien auch Gewalt nutzen."
    Blick auf Berlin-Mitte um 1920. Vorne ein breiter Platz mit Automobilen, im Hintergrund der Berliner Dom.
    Berlin-Mitte kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges (Imago / United Archives International)
    So sei es auch zu Beginn der Weimarer Republik gewesen. Dabei sei es interessant zu beobachten, welche Wendung auch die Sozialdemokratische Partei hingelegt hätten. "Vor dem Ersten Weltkrieg wollten sie die Todesstrafe abschaffen, 1919 führten sie den Schießbefehl ein."
    Die Radikalisierung von Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann sei aber keine Ausnahme - "kein deutscher Sonderweg - das ist etwas, das findet man bei der Gründung von neuen Staaten." Man habe sich bedroht gefühlt. "Durch die Gewalt haben sie gezeigt, dass sie in der Lage sind, den neuen Staat zu verteidigen." Es wäre aber falsch zu behaupten, dass die Radikalisierung nur von einer Gruppe ausgegangen sei. Auch bei den Spartakisten sei es zu steigender Gewaltbereitschaft gekommen. Der körperlichen Radikalisierung sei aber auch eine sprachliche Radikalisierung vorausgegangen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.