Rebekka Habermas sagte im Dlf, man müsse zur "Ehrenrettung der Regierung sagen, dass erstmals überhaupt in einem Regierungsvertrag zwischen CDU und SPD festgehalten wurde, dass Kolonialgeschichte aufgearbeitet werden muss". Es gebe eine Reihe von Initiativen im Auswärtigen Amt und seitens der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, "die Erinnerungskultur überhaupt erst mal in Gang zu setzen". Habermas betonte, dass es aber wichtig sei, dass die Diskussion um Erinnerungskultur und Erinnerungs-Mahnmale erst einmal in der breiten Gesellschaft ankommen müsse. Dies betreffe Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Bislang werde die Debatte vor allem in den Feuilletons ausgetragen und beschäftige sich vor allem damit, "wie wir mit den kolonialen Objekten umgehen".
Es gebe zwar eine ganze Reihe von Schul-Lehrplänen, in denen Kolonialgeschichte auftauche. Das Thema, falle aber häufig hinten herunter, so die Historikerin. Erstsemester der Universitäten, an denen sie unterrichtet habe, besäßen nicht "mehr als eine rudimentäre Kenntnis der Kolonialgeschichte".
Habermas: Großer Mangel an Kenntnis über Objekt-Herkünfte
Provenienzforschung sei unerlässlich, sagte Habermas. Es sei ein "Skandal" nicht nur für deutsche Museen, sondern auf europäischer Ebene, "dass wir über die wenigsten Objekte auch nur den blassesten Schimmer haben, wo sie herkommen und wie sie vor allem nach Europa gekommen sind".
"Wir müssen darüber diskutieren, mit welchem Eigentumsbegriff operieren wir, wem wollen wir diese Objekte zurückgeben, wie viele sollen zurückgegeben werden", so die Historikerin. Die Objekte seien grundsätzlich "in Unrechtszusammenhängen nach Europa gekommen". Deshalb gehörten sie nicht nach Europa. Schätzungsweise seien "weit über zwei Millionen dieser Objekte" in Deutschland. Das betreffe nicht nur Ethnografika, sondern auch Naturalia. Es sei äußert unwahrscheinlich, dass "auch nur ein Bruchteil dieser Objekte zurückgefordert wird". Habermas folgerte: "Das Schreckgespenst 'Unsere Museen sind bald leer' ist vollkommen übertrieben." Darum gehe es nicht. Sondern darum, mit den Regionen, aus denen die Objekte kommen, "in ein neues Gespräch zu treten über die Objekte". Habermas forderte, einen neuen Dialog mit Afrika, Ozeanien und den Amerikas zu ermöglichen. "Das ist eine Chance, in einen ganz neuen Kontakt zu kommen."