
Hitzewellen gelten als stille Killer. Denn längst nicht immer werden hitzebedingte Todesfälle auf Anhieb als solche erkannt. Entsprechend kompliziert ist es, die Zahl an Hitzetoten möglichst präzise zu erfassen. Dafür existieren verschiedene statistische Methoden.
Wie werden Hitzetode erfasst?
Auf den Totenscheinen in Deutschland wird als Sterbeursache nur einige Dutzend Mal im Jahr „Hitzschlag“ eingetragen. Es gibt aber sehr viel mehr Menschen, die in Folge der hohen Temperaturen versterben. Sie leiden meist an Grunderkrankungen wie Lungenleiden oder Herzkreislaufproblemen, die dann als primäre Todesursache festgehalten werden. Hitzewellen gelten deshalb als stille Killer. Ihre Auswirkungen lassen sich erst im Nachhinein mithilfe statistischer Methoden erfassen.
In Deutschland sterben jedes Jahr rund eine Million Menschen. Diese Sterbefälle verteilen sich in einer Wellenbewegung über das Jahr. Im Winter wird viel gestorben, im Sommer eher wenig. Diese Kurve zeigt an Hitzetagen aber deutliche Ausschläge nach oben: es kommt zu zusätzlichen Todesfällen.
Ihre Zahl lässt sich berechnen, indem man von den tatsächlichen Todesfällen die für die Jahreszeit erwarteten Todesfälle abzieht. Diese Übersterblichkeit wird also genauso errechnet wie während der Coronapandemie. In sehr heißen Jahren wie 1994, 2003 oder 2018 sterben um die 8.000 Menschen verfrüht durch Hitze. In vergleichsweise kühlen Sommern kommt es immer noch zu zwischen 1.000 und 3.000 Todesfällen aufgrund kurzfristig erhöhter Temperaturen.
Das Robert Koch-Institut hat in seinem zweiten Wochenbericht zur hitzebedingten Mortalität für den Sommer 2025 den Zeitraum bis zur Kalenderwoche 27 ausgewertet. In dieser Woche war es in Deutschland zur ersten schweren Hitzewelle mit Temperaturen nahe 40 Grad Celsius gekommen. Das RKI verzeichnet für das Jahr 2025 bis dahin deutschlandweit rund 1420 hitzebedingte Sterbefälle.
Warum werden manche Hitzetote nicht als solche erkannt?
Wie bei Corona, gibt es auch in Hitzewellen Risikopersonen. Es sterben vor allem Menschen, die älter als 75 Jahre sind und beispielsweise an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemproblemen leiden. Ihr Körper kommt mit der zusätzlichen Belastung nicht mehr zurecht.
Viele dieser Hitzetote sterben in Pflegeheimen, sie waren schon länger geschwächt. Deshalb fällt kaum auf, dass sie aufgrund der hohen Temperaturen vielleicht ein halbes oder ganzes Jahr verfrüht gestorben sind.
Eine Hitzewelle erfasst auch nicht ganz Deutschland gleichermaßen. 1994 waren besonders der Norden und Osten Deutschlands betroffen, 2003 eher der Süden und Westen.
Lassen sich die Auswirkungen einer Hitzewelle vorab vorhersagen?
2025 hat eine Arbeitsgruppe am Imperial College London versucht, eine Prognose in Echtzeit für die Folgen der Hitzewelle im Juni 2025 in England und Wales zu erstellen. Aus früheren Analysen leiteten sie ab, wie viele Menschen in dieser Region in zurückliegenden Jahren jeweils bei bestimmten hohen Temperaturen verstorben sind. In einem zweiten Schritt werteten sie die Wetterprognosen aus und errechneten anhand der vorhergesagten Temperatur für jeden Tag und für jeden Bezirk, wie viele Personen wohl versterben würden.
Nach der Analyse waren für Samstag, den 21. Juni die meisten Todesfälle zu erwarten. Das Risiko lag im Großraum London am höchsten. Mit solchen Echtzeitanalysen hoffen die Autoren, die Bevölkerung noch gezielter warnen zu können und den unsichtbaren Killer Hitze ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Grundsätzlich gilt diese Art der Echtzeitanalyse als plausibel. Allerdings verweisen Experten des Robert Koch-Institutes darauf, dass sich die Beziehung zwischen Temperatur und Sterbefällen im Lauf der Zeit auch verändern kann. Von daher bleibt die statistische Analyse im Nachhinein weiter der Goldstandard für die Abschätzung der Hitzetoten.
Zu wie vielen zusätzlichen Hitzetoten führt der Klimawandel?
Durch den Klimawandel werden Hitzewellen wahrscheinlicher, sie treten auch früher im Jahr auf. Das ist problematisch, weil sich die Menschen noch nicht auf die hohe Hitze einstellen konnten. Die Forschenden vom Imperial College London haben in einer zweiten Analyse nach der ersten Hitzewelle im Juni 2025 die Auswirkungen in zwölf europäischen Städten abgeschätzt (Athen, Barcelona, Budapest, Frankfurt, Lissabon, London, Madrid, Mailand, Paris, Rom, Sassari und Zagreb).
Die Forscher berechneten zunächst, dass in den zwölf Städten rund 2.300 Personen aufgrund der hohen Temperaturen verstorben sind. Danach haben sie die Hitzewelle mit dem Temperaturverlauf in früheren Jahren verglichen und so den Einfluss des Klimawandels ausgemacht. Bis auf Lissabon lag die Temperatur um zwei bis vier Grad höher als zu erwarten. Die Autoren schätzen, dass etwa 1.500 der 2.300 Hitzetodesfälle dem Klimawandel zuzurechnen sind. Die Zahl der Toten hat sich also etwa verdreifacht.
Dass das wärmere Klima die deutlich höhere Zahl der Sterbefälle im Winter verringert, gilt als unwahrscheinlich. Hier ist die Temperatur nur ein Faktor unter vielen, wie etwa Dunkelheit und vor allem Infektionskrankheiten.
Warum haben sich die Auswirkungen von Hitzewellen leicht abgeschwächt?
In Europa und Deutschland wird spätestens seit dem Hitzesommer 2003 vor Hitzewellen gewarnt, das Problem ist im Bewusstsein vieler Menschen angekommen. Zahlreiche Städte haben bereits auch Hitzeschutzpläne.
Noch ist allergings nicht klar, welche Maßnahmen dabei besonders wirksam sind. Die Zahlen des Robert Koch-Institutes zeigen aber, dass sich die Auswirkungen von Hitzewellen seit den Neunzigern etwas verringert haben. Das spricht dafür, dass sich die Menschen in Deutschland besser auf hohe Temperaturen einstellen. Entsprechende Empfehlungen gibt es zum Beispiel vom Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit.
Allerdings zeigen Analysen, dass etwa die Bewohner von Paris sehr viel mehr durch Hitzewellen gefährdet sind als die Bewohner von Austin in Texas. Der Grund dürfte in der unterschiedlichen Ausstattung mit Klimaanlagen liegen.