Dienstag, 03. Oktober 2023

Schutz vor Hitze
Wie gut Deutschland auf Hitzewellen vorbereitet ist

Hitzeschutzpläne gibt es in den deutschen Nachbarländern seit Jahren. Sie reichen von Maßnahmen in Krankenhäusern bis zu täglichen Anrufen bei vulnerablen Gruppen. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Plan für Deutschland vorgelegt.

31.07.2023

    Eine junge Frau schöpft Wasser aus einem Trinkbrunnen.
    Nicht nur gut bei Hitze: In Berlin gibt es mehr als 200 öffentliche Trinkbrunnen, mit ihnen sollen auch CO2-Emissionen und Plastikmüll vermieden werden. (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Große Hitze und Starkregen sind Extremwetterereignisse, die aufgrund des Klimawandels auch in Deutschland häufiger werden. Das wirkt sich auf Gesundheit und Wohlbefinden aus, besonders bei gefährdeten Gruppen wie älteren Menschen, Schwangeren, Kindern und Personen mit chronischen Vorerkrankungen. Das Problem und die Gefahren der Hitze sind nicht überall präsent, auch weil Deutschland beim Hitzeschutz noch Nachholbedarf hat.
    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Juli 2023 einen Hitzeschutzplan vorgestellt. Das Ziel, an dem er sich messen lassen will: Die Zahl der Sterbefälle 2023 zu halbieren, also unter 4000 zu halten. Das Barcelona Institute for Global Health berichtet von 8170 hitzebezogenen Toten im Sommer 2022 in Deutschland. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts ist allein von Mitte April bis Mitte Juli dieses Jahres von 1500 Hitzetoten in Deutschland auszugehen.

    Inhaltsverzeichnis

    Welche Maßnahmen sieht der Hitzeschutzplan vor?

    Der Schwerpunkt der Initiativen liegt im Moment darauf, zu informieren, aufzuklären und zentrale Hitzetipps bekannter zu machen - vor allem, um Risikogruppen besser zu schützen. Hitzewarnstufen des Deutschen Wetterdienstes sollen frühzeitig vor Hitzewellen warnen. Mit dem Bundesinnenministerium werden Möglichkeiten für akute Gefahrenwarnungen vorbereitet, zum Beispiel über SMS-Nachrichten auf Handys oder die offizielle bundesweite Nina-Warn-App.
    Die Aufklärung forcieren sollen auch Hausärztinnen und Hausärzte. Sie behandeln jährlich 34 Millionen chronisch Erkrankte. Dabei soll jeder Kontakt für individuelle Beratung zum Hitzeschutz genutzt werden. Beispielsweise können Medikamente bei Hitze anders wirken.
    Zuerst soll der vorliegende Hitzeschutzplan kurzfristige Maßnahmen umsetzen. Dann sollen im Herbst 2023 noch mittel- und langfristigen Maßnahmen für den Hitzeschutz ausgearbeitet werden.

    Was soll ein nationaler Hitzeschutzplan bringen?

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Menschen in Deutschland mit dem Nationalen Hitzeschutzplan besser gegen sehr hohe Temperaturen schützen. "Mit dem Klimawandel ist das Auftreten von Hitzewellen immer wahrscheinlicher geworden. Diese beeinflussen unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft", heißt es in einem Impulspapier des Gesundheitsministeriums. Seit dem 26. Juni 2023 ist die Webseite hitzeschutz.de online, mit deren Hilfe Kommunen sich über konkrete Maßnahmen informieren können.
    Damit vorausschauend geplant wird und Städte so gebaut werden, dass sie auch in der Klimakrise lebenswert bleiben, will Umweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Grüne) erstmals ein Klimaanpassungsgesetz auf den Weg bringen, das noch 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossen werden soll.
    Das Gesetz soll die Bundesländer dazu verpflichten, Klimaanpassungsstrategien zu entwickeln. Dafür werden Daten zur Klimasituation und zukünftigen Entwicklungen gesammelt und Maßnahmenkataloge erstellt. Es werden messbare Ziele festgelegt und der Fortschritt regelmäßig überprüft. Das Gesetz ist deutschlandweit verbindlich und soll in städtische Planung und kommunale Haushalte integriert werden. Bei Bauvorhaben und Stadtentwicklung sollen die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt werden. Es wird angestrebt, die Flächenversiegelung gesetzlich zu begrenzen.
    Gemeinsam mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) stellt Lemke Städten und Gemeinden Fördermittel für das Programm "Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" zur Verfügung. Projekte für das Anpassungsprogramm an den Klimawandel können eingereicht werden, wobei diesmal auch Hitzeaktionspläne berücksichtigt werden.
    In anderen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bereits Hitzenotpläne, unter anderem in Italien und Spanien. In Großbritannien gibt es, zumindest für England, seit Jahren einen „Heatwave“-Plan. Als gutes Beispiel gilt Frankreich, dort war nach der Hitzewelle von 2003 ein landesweiter Hitzeaktionsplan eingeführt worden.

    Inwieweit ist Frankreich Vorbild für Deutschland?

    Der jetzige deutsche Hitzeschutzplan entspricht laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu 80 Prozent dem, was auch in Frankreich umgesetzt wird. Das Nachbarland nennt Lauterbach ausdrücklich als Vorbild. Deutschland sei deshalb in engem Austausch mit den französischen Behörden.
    Frankreichs Hitzeschutzplan beinhaltet auch, dass alleinstehende ältere Menschen betreut und kühle Räume in Rathäusern bereitgestellt werden. In Frankreich sollen in der höchsten von vier Warnstufen Kommunen etwa den Zugang zu Schwimmbädern und Stränden erleichtern, Wasser verteilen oder den Sportunterricht an Schulen streichen.

    Was unternehmen deutsche Städte und Kommunen bisher gegen Hitze?

    Die Verantwortung für Hitzemaßnahmen und Hitzeaktionspläne liegt bei den Ländern und Kommunen. Diese sollen sich kurz-, mittel- und langfristig besser auf Hitzephasen vorbereiten und somit den Schutz der örtlichen Bevölkerung gewährleisten. Kommunen und Städte ergreifen bereits Maßnahmen, um sich gegen die Hitze zu wappnen.
    Ein Beispiel ist die Stadt Mannheim, die aufgrund ihrer Lage in einer warmen Region besonders betroffen ist. Mannheim fördert die Begrünung von Dächern und Fassaden. Auch Böden werden entsiegelt; Asphalt zugunsten des natürlichen Bodens entfernt. Jedes Jahr werden im Stadtgebiet zudem tausend neue Bäume gepflanzt. Mannheim soll langfristig zu einer Schwammstadt werden. Deren Flächen nehmen, wenn es regnet, das Wasser auf und speichern es möglichst lange, anstatt es zu kanalisieren und abzuleiten. In Göttingen wird ein Stadtwasser-Hitzeplan entwickelt, der auf Datenanalysen basiert und Risiken durch Hitze und Starkregen identifiziert.
    Als einziges Bundesland hat bislang Hessen einen umfassenden Hitzeschutzplan und ein Hitzewarnsystem, das über eine landeseigene App Hinweise des Wetterdienstes verbreitet. Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerium hat im Juni einen Musterhitzeaktionsplan zum Schutz älterer und pflegebedürftiger Menschen erstellt.
    Sechs weitere Bundesländer arbeiten an Hitzeschutzplänen oder planen dies. Das Saarland will seinen im September 2023, Bremen bis Ende 2023 vorlegen. Hamburgs Hitzeschutzplan soll bis zum Herbst 2024 fertig sein. Rheinland-Pfalz, Berlin und Thüringen geben als Zielmarke für einen landeseigenen Hitzeschutzplan das Jahr 2025 aus.
    Einige Maßnahmen haben die Länder dabei bereits umgesetzt: So gibt es in NRW einen Hitzewarndienst sowie eine Info-Website. Berlin hat bereits ein Hitzeschutz-Konzept für das Gesundheitswesen entwickelt. Dieses sieht Maßnahmen wie Trinkempfehlungen, kühlere Lagerung von Medikamenten und Verlegung von Risikopatienten in klimatisierte Zimmer vor. Die Kältezentrale in Berlin stellt kaltes Wasser für Kühlsysteme in verschiedenen Gebäuden bereit. Köln hat einen ähnlichen Hitzeaktionsplan wie Berlin, der ebenfalls auf ältere Menschen fokussiert ist.

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    Trotz der bereits getroffenen Maßnahmen gibt es Nachholbedarf. Oft fehlt es den Kommunen an einer rechtlichen Grundlage für den Hitzeschutz. Das führt zu Ressourcenengpässen. Außerdem besteht Bedarf an Wissen, Kapazitäten und Ressourcen, um in kleineren Gemeinden angemessene Maßnahmen umzusetzen. Eine weitere Herausforderung ist die Verstetigung der Hitzeschutzmaßnahmen, denn häufig sind Projektmittel zeitlich begrenzt.

    Warum ist es in der Stadt wärmer als auf dem Land?

    In der Regel ist es in Städten wärmer als auf dem Land. Dieses Phänomen wird als "städtische Wärmeinsel" bezeichnet. Versiegelte Flächen und eng stehende Häuser speichern die Hitze, sodass es in der Stadt bis zu zehn Grad wärmer sein kann als im Umland. Wegen der höheren Luftverschmutzung durch Fahrzeug- und Industrieabgase werden zudem Sonnenstrahlen eher durch die Luft aufgenommen, wodurch die Wärme in der Atmosphäre bleibt. Außerdem verdunstet aufgrund der geringeren Pflanzendecke weniger Feuchtigkeit, auch gibt es weniger Schatten - ein wichtiger Faktor, um die Entstehung von Hitze gezielt zu verhindern.
    Weil sie stärker von Hitzeinseleffekten und Hitzewellen betroffen sind, bereiten sich größere Städte in Deutschland besser auf den Hitzeschutz vor als kleinere Gemeinden. Sie ergreifen dazu verschiedene Maßnahmen zur Klimaanpassung. Dazu gehören unter anderem die Schaffung von Schattenflächen durch Bäume, Sonnensegel oder Arkaden, die Verwendung von nicht aufheizbaren Materialien für Gebäude und Fassadenbegrünung. Grünflächen können Wasser speichern, kühlend wirken und bei Starkregen Überflutungen verhindern.

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    Welche Gefahren und Auswirkungen hat die Hitze?

    Vor allem alte Menschen, Kranke, Kinder und Schwangere leiden unter den hohen Temperaturen. Babys und Kleinkindern macht die Hitze besonders zu schaffen. Sie können ihren Wärmehaushalt schlechter regulieren als Erwachsene, schwitzen weniger effektiv und sind mitunter nicht in der Lage, eigenständig ausreichend Flüssigkeit zu trinken. Bei älteren Menschen funktionieren die Nieren häufig nicht mehr so gut, sie scheiden mehr Wasser aus, als sie trinken. Mögliche Folgen: Verwirrtheit, Stürze, Schlaganfall, Herzinfarkt. "Hitze tötet Menschen", fasst Peter Bobbert, Internist und Vorsitzender der Berliner Ärztekammer, die Gefahren zusammen.
    Im Sommer 2022 forderte die Hitze allein in Berlin mehr als 400 Menschenleben, deutschlandweit 4.500. Ein Jahr zuvor waren es insgesamt 8.700 Hitzetote. Das Robert-Koch-Institut ermittelt seit Jahren einen systematischen Zusammenhang zwischen Hitze und Sterberate.
    Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen sind aufgrund ihrer anfälligeren Verfassung besonders gefährdet - wegen der Hitze gesundheitliche Folgen zu erleiden. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, betonte insbesondere die Risiken für Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen. Ein Beispiel ist die Verschlechterung der Symptome von COPD und Asthma aufgrund der zusätzlichen Belastung der Luft durch die Wärme.

    dpa, epd, og, sc, mfied