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"Hochschulbibliotheken sind für einen Hochschulbetrieb völlig unverzichtbar"

Studierende haben zu vielen Lehrbüchern und elektronischen Zeitschriften nur dann Zugang, wenn die Hochschule sie bereitstellt, betont die Vorsitzende des deutschen Bibliotheksverbands, Monika Ziller. Am Tag der Bibliotheken fordert sie deshalb mehr Investitionen die Bildung.

Monika Ziller im Gespräch mit Kate Maleike | 24.10.2011
    Kate Maleike: Gedeckelter Haushalt, steigende Kosten und Krisenmanagement bei den besonders teuren wissenschaftlichen Fachzeitschriften aus dem Ausland. Wir haben es vorhin gehört, die Unibibliothek in der Stuttgarter Innenstadt muss ordentlich hin und her rechnen, damit der Betrieb auch rund läuft. Damit steht sie nicht alleine in Deutschland, der aktuelle Lagebericht des deutschen Bibliotheksverbandes zeichnet ein relativ besorgniserregendes Bild. Monika Ziller ist die Vorsitzende des Verbandes. Guten Tag, Frau Ziller!

    Monika Ziller: Guten Tag!

    Maleike: Heute ist ja, habe ich schon gesagt, der Tag der Bibliotheken, und Sie erreichen wir gerade in einer Bibliothek, die am Mittag frisch zur Bibliothek des Jahres gekürt wurde: Es ist die Stadtbibliothek in Berlin-Lichtenberg.

    Ziller: Ja.

    Maleike: Lassen Sie uns doch zunächst über die wissenschaftlichen Bibliotheken sprechen. Wie ernst ist die Lage wirklich?

    Ziller: Ich denke, es ist schon berechtigt, die Lage als ernst zu bezeichnen, wenn mehr als die Hälfte aller Hochschulbibliotheken in einer Umfrage angibt, dass sie jetzt oder in den nächsten Monaten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung hinnehmen muss, und das bekanntermaßen bei massiv steigenden Studierendenzahlen.

    Maleike: Wie wird sich das auswirken? Wir haben ja vorhin in Stuttgart gehört, noch ist es bei den Studierenden nicht angekommen, aber vermutlich werden dann irgendwann die Öffnungszeiten sich zum Beispiel verändern.

    Ziller: Es wirkt sich aus auf die Reduzierung von Öffnungszeiten. Das ist besonders dann der Fall, wenn den Bibliotheken Personaleinsparungen abverlangt werden, und natürlich auch bei Reduzierungen des Medienetats. Nun ist die Lage in Deutschland ja sehr unterschiedlich. Baden-Württemberg gehört bekanntermaßen zu den reichen Bundesländern. In den ärmeren Bundesländen, die plagen sich tatsächlich in Teilen mit existenziellen Sorgen herum.

    Maleike: Das heißt, wir reden über Schließungen eventuell?

    Ziller: Schließungen von Fachbereichsbibliotheken, aber sicher keine Schließung von Gesamteinrichtungen. Hochschulbibliotheken sind für einen Hochschulbetrieb völlig unverzichtbar, da besteht sicher kein Zweifel. Aber das Angebot und vor allen Dingen ein Angebot, das ja jetzt eigentlich deutlich ausgebaut werden müsste, sowohl was die Bestände wie auch die Öffnungszeiten angeht - wenn das nicht mehr bedarfsgerecht gesteuert werden kann, ist das schon dramatisch.

    Maleike: Warum wird denn bei den Bibliotheken gespart? Es sind die haushalterischen Sachzwänge, klar - so argumentiert dann gerne das Land und auch die Politik. Aber anders rum sagt man damit den Bibliotheken ja auch: Wir halten euch nicht mehr für so ganz wichtig. Ist das richtig, ist das auch ein Imageproblem in Zeiten des Internets?

    Ziller: Ich denke, hier klafft ein großer Spalt zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von Bibliotheken einerseits und der realen Nachfrage andererseits. In der öffentlichen Diskussion steht oft die elektronische Information im Mittelpunkt, das heißt, man sagt halt, die können alles im Internet finden, Bücher kann man auch im Internet runterladen, wozu überhaupt noch Bibliotheken? Für die - bleiben wir mal bei den Hochschulbibliotheken -, da sieht es für die Studierenden natürlich ganz anders aus. Die brauchen Lehrbücher, die brauchen Zugänge zu elektronischen Zeitschriften, die sie nur auf dem Campus bekommen, nur, wenn die Bibliothek sie bereitstellt, und ohne das kann heute keine wissenschaftliche Ausbildung erfolgen und natürlich auch keine Forschung.

    Maleike: Mehr Geld und Personal zu fordern ist zwar logisch, aber angesichts der Haushaltslagen und dem EU-Krisen-Szenario, was wir ja im Moment haben, ja fast illusorisch, oder?

    Ziller: Ich denke, hier kommt es immer auf die Prioritätensetzung an. Es wird sehr viel in unserem Land da drüber geredet, wir müssten eine Bildungsrepublik sein. Bildung ist das wichtigste für die nachfolgende Generation, aber dieser Anspruch muss auch eingelöst werden. Und Bibliotheken stehen hier in gewisser Weise im Zentrum, weil sie ein Speicher für sehr viele Tätigkeiten im Bereich Bildung, Forschung und Lehre sind.

    Maleike: Was könnten aber dann Lösungswege sein, um die knappen Kassen etwas voller zu machen? Zum Beispiel private Investoren?

    Ziller: Ja, diese werden ja auch gesucht von den Bibliotheken, aber private Investoren - das wissen wir, glaube ich, alle - suchen sich Felder, wo dieses private Engagement eben auch sehr deutlich nach außen wahrgenommen wird. Und da gehören zum Beispiel andere Bereiche der Kultur einfach mehr dazu wie dieser Basisbereich Bibliothek. Der ist einfach- sage ich jetzt mal - zu wenig glänzend, und zu viel Basis, aber er muss, glaube ich, erst mal ausreichend politisch wahrgenommen werden, um hier auch Verbesserungen zu erreichen.

    Maleike: Heute ist ja nicht nur der Tag der Bibliotheken, sondern auch Auftakt zu einer Aktionswoche "Treffpunkt: Bibliothek". Da soll nicht nur darauf aufmerksam gemacht werden, dass es den wissenschaftlichen Bibliotheken schlecht geht, sondern auch den kommunalen und städtischen. Was kann man in der Aktionswoche erleben?

    Ziller: Sie können über 4700 Veranstaltungen in Bibliotheken aller Sparten in Deutschland erleben. Wir wollen ja nicht nur das Negative in den Vordergrund stellen, sondern vor allem auch die Leistungsfähigkeit von Bibliotheken, die Vielfalt zeigen, wir haben die Kampagne unter das Motto Schätze gestellt. Und Schätze gibt es heute in nahezu jeder Bibliothek - auch eine naturwissenschaftliche Fachbibliothek hat hier was vorzuweisen, und das wird hier in einer ganz vielfältigen Weise dargestellt, und damit wollen wir eben das Image, aber auch die Aufmerksamkeit für Bibliotheken erhöhen.

    Maleike: Frau Ziller, letzte Frage: Was wäre Ihr größter Wunsch für die Bibliotheken in Deutschland? An wen würden Sie ihn richten?

    Ziller: Mein größter Wunsch wäre, dass wir zu einer langfristig gesicherten Finanzierung kommen. Das könnte natürlich auch über Gesetze geregelt werden, aber die Gesetze müssen dann auch einen materiellen Gehalt haben. Es gibt aber auch viele andere Wege, und das wünsche ich mir vordringlich, dass hier in den nächsten Jahren was getan wird.

    Maleike: Noch schnell was zur Aktionswoche, wo findet man Informationen im Internet? Über das Internet haben wir ja schon gesprochen.

    Ziller: Ja: www.treffpunkt-bibliothek.de.

    Maleike: Also für alle die, die sich für die Bibliotheken ganz besonders interessieren. Deutschlands Bibliotheken leiden unter Personal- und Geldkürzungen. Eine bundesweite Aktionswoche soll deshalb die Bedeutung dieser Einrichtungen noch mal unterstreichen. Ganz herzlichen Dank! In "Campus und Karriere" war das die Vorsitzende des deutschen Bibliotheksverbandes, Monika Ziller.

    Ziller: Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.