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Hofreiter (Grüne) zum Konjunkturpaket
"Die Automobilindustrie muss dringend gestützt werden"

Anton Hofreiter hat sich im Dlf für Konjunkturmaßnahmen für die deutsche Automobilindustrie ausgesprochen. Es mache dabei aber sowohl für das Klima, als auch die Arbeitsplätze keinen Sinn, wenn man hier nur auf die alten Technologien setze, sagte der Grünen-Fraktionschef.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Sandra Schulz |
Anton Hofreiter (Bündnis90/Die Grünen), Vorsitzender der Bundestagsfraktion, spricht vor der Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen im Jakob-Kaiser-Haus.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter will Konjunkturhilfen für die Autoindustrie - aber nicht für veraltete Technologien (Immanuel Bänsch/dpa/picture-alliance)
Durch die Corona-Pandemie steckt die deutsche Wirtschaft tief in der Krise, Bund und Kommunen stehen vor Milliardenlöchern bei den Steuereinnahmen. Vielleicht noch am Dienstag (02.06) soll ein Koalitionsgipfel Maßnahmen beschließen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Hilfen für die Automobilindustrie sind einer der umstrittensten Punkte des Konjunkturpakets. Dazu kommen Kinderbonus für Familien und Hilfen für Firmen aus der Gastronomie, Tourismus und dem Veranstaltungsbereich.

Auch die Grünen seien der Meinung, dass eine Schlüsselbranche, wie die Automobilindustrie in Deutschland "dringend gestützt werden müsse", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter im Dlf. Es mache nur für die Arbeitsplätze und das Klima mittelfristig keinen Sinn, wenn man nur auf die alten Technologien setze. "Deswegen wollen wir das kombinieren mit einer Kaufprämie für Null-Emissions-Fahrzeuge, Hilfen für Weiterbildung von Mitarbeitern und Transformationszuschüsse für Zulieferer", so Hofreiter.
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"Koalition verfällt in ihren üblichen Streitmodus"
Es sei dabei nicht verwerflich, wenn Ministerpräsidenten die Interessen ihrer Länder vertreten. Dies sei nur problematisch, wenn sich eine Bundesregierung auf Bundesebene dadurch auseinander dividieren lasse. "Es ist demokratisch problematisch, wenn über Jahre oder Jahrzehnte auf kommunaler Ebene de facto nichts mehr entschieden werden kann, weil am Ende nur der Sparzwang regiert", so Hofreiter. Man dürfe die Rolle der Kommunen nicht unterschätzen.
"Ich finde es problematisch, dass die Koalition auch in diesem Fall in ihren üblichen Streitmodus verfällt", sagte der Grünen-Fraktionschef zu den Gesprächen über ein Milliardenpaket zur Belebung der deutschen Konjunktur.

Lesen Sie hier das vollständige Interview.
Sandra Schulz: Herr Hofreiter, ist bei den Plänen irgendwas dabei, was Sie gut finden?
Anton Hofreiter: Ich glaube, dass die Bundesregierung durchaus auch Dinge sinnvoll macht, wenn sie darüber diskutiert, dass die Wirtschaft unterstützt wird, dass es Konjunkturpakete gibt. Nämlich es ist ja schon überhaupt ein Fortschritt, dass die Erkenntnis da ist, dass Konjunkturpakete notwendig sind und nicht der sogenannte Markt alles alleine regelt.
Aber ich habe insgesamt den Eindruck, dass bei den Konjunkturpaketen die Regierung in ihren alten GroKo-Modus zurückfällt: Jedes Ministerium wurschtelt vor sich hin und es gibt keinen größeren Plan, und vor allem, es gibt kein Ziel, wie man sich vorstellt, wie man Dinge wie Digitalisierung, Klimaschutz, Gerechtigkeit und Konjunkturhilfen zusammenbringt.
"Eine Schlüsselbranche zu stützen, ist richtig."
Schulz: Kommen wir auf die Punkte, die Sie darüber hinaus wahrscheinlich absehbar nicht gut finden. Im Gespräch sind jetzt wieder Ideen für eine Autoprämie. Auch Autos mit Verbrennungsmotoren könnten davon profitieren. Jetzt ist die Automobilindustrie in Deutschland ja eine Schlüsselbranche. Was ist daran falsch, eine Schlüsselbranche zu stützen?
Hofreiter: Eine Schlüsselbranche zu stützen, ist richtig. Wir sind auch der Meinung, dass diese Schlüsselbranche dringend gestützt werden muss. Aber es macht in unseren Augen keinen Sinn, sondern es ist mittelfristig für die Arbeitsplätze und nicht nur fürs Klima kontraproduktiv, wenn man auf die alte Technologie setzt.
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Und deshalb: Wir wollen auch eine Unterstützung der Autoindustrie, aber das kombinieren damit, dass auf Null-Emissions-Fahrzeuge gesetzt wird, dass der Umbau unterstützt wird. Da wollen wir eine Mischung aus einer Kaufprämie für umweltfreundliche Fahrzeuge und direkten Zuschüssen und Hilfen von Weiterbildung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zu gerade für Zulieferer Transformationszuschüssen, dass denen der Umstieg gelingt. Denn die Autoindustrie soll nicht nur dieses Jahr weiter existieren, sondern in den nächsten Jahren, und da ist sie im Wettbewerb im Moment relativ weit hinten, was moderne Technologien angeht. Und deshalb; Konjunkturhilfen kombinieren mit einem Aufbruch in die Zukunft.
Schulz: Umweltfreundliche Autos - meinen Sie damit auch neuere Autos mit Verbrennungsmotoren, die ja auch deutlich emissionsärmer sind als ältere Modelle?
Hofreiter: Nein, das meine ich nicht, nämlich ob die emissionsärmer sind, da muss man unterscheiden zwischen den klassischen Schadstoffen Stickoxide und CO2. Und wir glauben, die Autoindustrie hat nur eine Zukunft, wenn sie auch deutlich weniger CO2 produziert, in meinen Augen Null-Emissions-Fahrzeuge.
Schulz: Jetzt wissen wir alle um die niedrigen Marktanteile der Elektrofahrzeuge und dieser Null-Emissions-Fahrzeuge. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt, man könne eine Branche nicht hochziehen, wenn man nur einen kleinen Teil ihrer Produkte fördert. Wo liegt er falsch?
Hofreiter: Er liegt darin falsch, dass wir zu viel öffentliches Geld dadurch in die alte Technik stecken. Wir wollen auch viel Geld in die Hand nehmen, aber wie gesagt, wir wollen nicht nur eine Kaufprämie machen, sondern wir wollen sie erstens für umweltfreundliche Fahrzeuge vorziehbar machen, so dass man jetzt schon sich ein Auto kauft, das man dann erst in ein, zwei Jahren beziehen kann.
Und wir wollen wie gesagt insbesondere die mittelständischen Zulieferer mit direkten Transformationsfonds unterstützen bei den Investitionen in die neue Technik. All das kann man jetzt sofort beginnen und hat auch jetzt sofort da eine Wirksamkeit.
"Wir müssen dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft noch Arbeitsplätze haben"
Schulz: Warum weiß das Winfried Kretschmann nicht, dass Sie, die Grünen im Bundestag das wollen?
Hofreiter: Winfried Kretschmann kämpft mit uns gemeinsam, und das habe ich erst mit ihm gemeinsam gemacht für einen CO2-Preis und für viele dieser Dinge. Aber er hat schlichtweg auch das Problem, dass gerade Mercedes besonders weit hinten ist und er damit ein besonders angeschlagenes Unternehmen in seinem Bundesland hat, das noch einen weiten Weg vor sich hat in der Transformation. Aber ich halte es trotzdem für nicht den richtigen Weg.
Schulz: Aber den Pragmatismus, oder man könnte auch sagen den Realismus von Winfried Kretschmann, da haben Sie dann schon Nachsicht?
Hofreiter: Ich sagte, wir kämpfen auf vielen Ebenen gemeinsam, aber in dem einen Punkt halte ich es nicht für pragmatisch, sondern einfach für die falsche Idee. Denn wir müssen wie gesagt dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft noch Arbeitsplätze haben, und wir müssen auch sehr viel Geld für andere Bereiche ausgeben – davon, dass das Ganze sozial gerecht zugeht, bis zu den erneuerbaren Energien, bis zu Bus und Bahn, die auch in großen Schwierigkeiten stecken.
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Kommunen in der Coronakrise - "Systemrelevanter als die Autoindustrie"
Der Bürgermeister von Illingen im Saarland, Armin König (CDU), hat an die Bundesregierung appelliert, den durch die Coronakrise in Not geratenen Kommunen zu helfen. Denn ohne die Kommunen werde es keine Demokratie auf Dauer geben, sagte König im Dlf.
Schulz: Ich würde mit Ihnen gerne weitergehen zum nächsten Streitpunkt. Es gibt ja den Vorschlag von Finanzminister Scholz von der SPD, der den Kommunen helfen will, sie entlasten will, ihnen helfen will, ihre Altschulden los zu werden. Wir sehen Unterstützung für diesen Vorschlag zum Beispiel von Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen, wo es natürlich auch viele hoch verschuldete Kommunen gibt.
Wir haben aber auch sofort das Nein gehört von Markus Söder aus Bayern, weil wir wissen, dass dort die Kommunen finanziell gut dastehen. Auch da sehen wir jetzt wieder den Schulterschluss zwischen einem Markus Söder und Winfried Kretschmann. Der hat auch sofort gesagt, wir haben in Baden-Württemberg keine überschuldeten Kommunen. Wer buchstabiert jetzt bei Ihnen in der Partei den Begriff Solidarität aus?
Hofreiter: Da sehen Sie was Exemplarisches innerhalb der Union. Das sind einfach klassische Länderinteressen. Ministerpräsidenten und auch Ministerpräsidentinnen sind da erst mal an den Interessen ihrer Länder dran.
"Nichts Verwerfliches, wenn Ministerpräsidenten Interessen ihrer Länder vertreten"
Schulz: Oder ist das auch exemplarisch für die Grünen?
Hofreiter: Das gibt es auch bei den Grünen, ja. Das ist auch nichts Verwerfliches, wenn Ministerpräsidenten Interessen ihrer Länder vertreten. Problematisch ist, wenn eine Koalition auf Bundesebene sich da auseinanderdividieren lässt, und deswegen erwarte ich da eine kluge Mischung aus kurzfristigen Hilfen, langfristigen Investitionsprogrammen und einer vernünftigen Altschuldensanierung.
Wir wissen, dass Kommunen, die zum Teil über Jahrzehnte in der Sanierung stecken, dass das am Ende vor Ort hoch problematisch ist, und man sollte die Rolle der Kommunen nicht unterschätzen. Sie sind die Ebene, wo die Bürgerinnen und Bürger direkt auf die öffentliche Hand treffen, und deswegen ist es auch demokratisch problematisch, wenn über Jahre oder Jahrzehnte auf kommunaler Ebene de facto nichts mehr entschieden werden kann, weil nämlich am Ende nur der Sparzwang regiert.
Schulz: Wir haben nicht mehr viel Zeit, aber noch mal die Frage. Wer sagt es Winfried Kretschmann?
Hofreiter: Das hat überhaupt nichts Spezifisches mit Winfried Kretschmann zu tun. Es ist wie gesagt in allen Parteien bei allen Ministerpräsidenten. Es geht hier darum, dass auf Bundeebene vernünftig entschieden wird, und auf Bundesebene muss entschieden werden, dass deutschlandweit für die Kommunen und für die Leute vor Ort das richtige Ergebnis zustande kommt, nämlich wie gesagt unser Ansprechpartner ist die Bundesregierung und von der Bundesregierung erwarte ich für die gesamte Bundesrepublik vernünftige Regelungen.
Die Ministerpräsidentinnen und Präsidenten sprechen für ihre Länder. Das ist gut und richtig so. Aber eine Koalition darf sich davon nicht beeindrucken lassen. Deswegen finde ich es problematisch, dass die Koalition auch in diesem Fall in ihren üblichen Streitmodus verfällt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.