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Huber: Wir bestehen auf das Betreuungsgeld

Die Diskussion um das Betreuungsgeld habe dem Ansehen der Koalition geschadet, sagt Erwin Huber (CSU). Aber es sei kein Anlass, die Koalition infrage zustellen. Er sehe darin in erster Linie einen innerparteilichen Zwist innerhalb der FDP.

Erwin Huber im Gespräch mit Jasper Barenberg | 26.09.2012
    Jasper Barenberg: Um die Sache geht es schon lange nicht mehr im schier endlosen Streit um das Betreuungsgeld. In diesem Punkt ist die Lage klar: Arbeitgeber wie Gewerkschaften, Sozialverbände und viele in den Kirchen lehnen das Projekt als schädlich ab, ebenso die Opposition. Um Bedenken bis weit hinein in die CDU zu besänftigen, hat die CSU gerade einem mühsam erreichten Kompromiss zugestimmt. Da stellt sich die FDP quer, bringt den vereinbarten Zeitplan für die Abstimmung im Bundestag zum dritten Mal in Gefahr. Seitdem ist wieder Krise in der Koalition und guter Rat teuer, wie die Kuh vom Eis zu bekommen ist. Vielleicht weiß ja der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber Rat, er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Erwin Huber: Guten Morgen.

    Barenberg: Herr Huber, die FDP beteuert ja ihre Vertragstreue, will dem Betreuungsgeld aber in dieser Form jedenfalls nicht zustimmen. Haben Sie eine Vorstellung, wie ein Kompromiss aussehen könnte?

    Huber: Ja gut, eine Krise sehe ich nicht. Es müssen in der Tat weitere Diskussionen geführt werden. Das Hin und Her um das Betreuungsgeld ist sicher kein Ruhmesblatt für diese Koalition.

    Barenberg: Wie groß ist die Blamage?

    Huber: Ja, seit Ostern zieht sich das hin, hat ja begonnen eigentlich mit dem Brief von CDU-Abgeordneten und dann immer wieder ein Hin und Her und Auf und Ab. Also ich meine schon, dass das insgesamt dem Ansehen der Koalition schadet, und da haben viele leider mitgewirkt. Aber es ist auf der anderen Seite wiederum kein Anlass, die Koalition in Frage zu stellen. Jedenfalls von der CSU möchte ich deutlich sagen, wir setzen darauf, dass wir uns verständigen und dass wir das letzte Jahr dieser Legislaturperiode dann auch gut über die Runden bringen.

    Barenberg: Die FDP hat ja angedeutet, dass mögliche Gegenleistungen ein gangbarer Weg wären. FDP-Parteivize Volker Zastrow hat hier gestern im Deutschlandfunk im Interview darüber gesprochen. Das können wir uns vielleicht gerade mal anhören. Er hat zum Beispiel ins Spiel gebracht, die Praxisgebühr abzuschaffen. Wäre das eine Möglichkeit, der FDP entgegenzukommen?

    Huber: Ich muss mal fragen, wie viel wir der FDP noch entgegenkommen müssen, denn das Betreuungsgeld war ja in einem Paket mit anderen Maßnahmen, die von uns umgesetzt wurden. Beispielsweise die Steuersenkung ist durch den Bundestag, die Pflegeneuregelung ist beschlossen, dann die Neuregelung der Einkommen bei der Zuwanderung. Alles das ist beschlossen. Es hängt nur das Betreuungsgeld an der FDP. Also für milliardenschwere weitere Zugeständnisse wegen der FDP ist kein Spielraum da.

    Barenberg: Gehört nicht der Tauschhandel, gehört nicht der Kompromiss als notwendiger Bestandteil zur Politik dazu?

    Huber: Doch, das will ich ausdrücklich sagen. Wir sind ja auch beweglich. Wir haben ja nun eine Reihe von Möglichkeiten noch zusätzlich ins Spiel gebracht, Vorsorgeuntersuchungen, Alterssicherung. Über das kann man sicher reden. Aber ich habe ausgeschlossen, dass jetzt da Milliarden zur Verfügung stünden, denn die Konsolidierung des Bundeshaushalts ist ja nun auch ein Ziel, das die FDP ständig auch betont, zurecht auch betont, und deshalb kann sie nicht als Gegenleistung zum Betreuungsgeld beispielsweise beim Solidarzuschlag weitere Milliarden Steuersenkungen erwarten. Also das geht über den Rahmen hinaus, der in diesem Zusammenhang zur Verfügung steht.

    Barenberg: Hören wir uns vielleicht gerade noch mal an, was Volker Zastrow von der FDP, der Landesvorsitzende in Sachsen, hier ausführlich im Deutschlandfunk gestern gesagt hat.

    O-Ton Volker Zastrow: "Die Koalition hat nicht mehr viel Zeit, wir müssen die Weichen stellen, wir dürfen nicht vergessen, dass das große Entlastungsprojekt, was diese Koalition auf den Weg gebracht hat, nämlich die Abmilderung der kalten Progression, von SPD, Linken und Grünen im Bundesrat blockiert wird. Was machen wir denn, wenn es am Ende eben nicht durchgesetzt wird? Dann brauchen wir ein anderes Entlastungszeichen, und das kann beispielsweise eine Abschaffung der Praxisgebühr sein, das kann aber auch noch mal eine Diskussion über eine Absenkung des Solidaritätszuschlages sein, oder, was für uns ganz wichtig ist, eben eine Abschaffung der Stromsteuer."

    Barenberg: Soweit also der FDP-Politiker Volker Zastrow. – Herr Huber, wo liegt denn der Unterschied zwischen einem Kompromiss und billigem Geschacher?

    Huber: Ja, also ich möchte jetzt da keine lange Definition machen, die in irgendein Lexika eingeht. Das ist immer eine Ansichtssache. Dass man sich bewegen muss von allen Seiten, möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Aber so wie ich das sehe, haben die Forderungen von Herrn Zastrow auch innerhalb der FDP keine Zustimmung gefunden, weil dies das finanziell mögliche überschreitet. Außerdem möchte ich darauf hinweisen: Es ist auch vielleicht ein Erfolg der FDP, dass die Beiträge zur Rentenversicherung zum 1. Januar 2013 sinken. Da haben die Arbeitnehmer etwas davon. Das ist auch eine Milliarden-Entlastung. Auch die Arbeitgeber haben natürlich damit eine Entlastung. Das heißt also, man hat sich bewegt, von unserer Seite ganz deutlich. Es ist ein Spielraum weiter für Verhandlungen da. Aber ich möchte ganz klar sagen, dass es in viele Milliarden geht, ist für uns nicht vorstellbar.

    Barenberg: Die Abstimmung im Bundestag wurde bereits zweimal verschoben, jetzt wird sie wohl ein drittes Mal verschoben werden müssen. Wie groß ist denn der Schaden für Parteichef Horst Seehofer, wenn er auf dem CSU-Parteitag am 19. Oktober eben keinen Erfolg präsentieren kann?

    Huber: Also es ist sehr schön, dass sich viele da Gedanken machen, aber Horst Seehofer kann wirklich erhobenen Hauptes vor den Parteitag treten, denn die CSU ist geschlossen. Wir haben das seinerzeit in der Tat in den Koalitionsvertrag hineingebracht und wir bestehen darauf. Das heißt also, er wird da ungeteilten Beifall des CSU-Parteitages bekommen. Übrigens auch Bundeskanzlerin Merkel, die ja nun auch ganz klar zu diesem Betreuungsgeld steht, nach dem Grundsatz, das ist in der Koalition vereinbart und das muss umgesetzt werden. Ich sehe dahinter auch in erster Linie einen innerparteilichen Zwist innerhalb der FDP. Da sind natürlich manche unterwegs, die der FDP-Führung nicht Gutes wollen und die dann das Wort des FDP-Vorsitzenden infrage stellen. Also da muss sich die FDP in erster Linie Gedanken machen, wie sie in der Öffentlichkeit erscheint mit dem Vor und Zurück, und ich glaube, vor den Wahlen in Niedersachsen wäre es für die FDP sehr wichtig, Klarheit zu schaffen und nicht eine weitere Hängepartie hinzuziehen.

    Barenberg: Blicken wir noch mal auf Ihre Partei, auf die CSU. Hängt vom Betreuungsgeld tatsächlich Wohl und Weh Ihrer Partei ab mit Blick auf die Landtagswahl und auch auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr?

    Huber: Also wir haben das eingebracht, wir sind da aus Überzeugung der Meinung, dass das Betreuungsgeld eine wichtige Ergänzung ist. Ich möchte eines einmal klarstellen, weil Sie am Anfang Gruppen genannt haben, die dagegen wären. Ich glaube, dass viele der Meinung sind, wir wollen das Betreuungsgeld anstelle des Kitaausbaus. Das ist nicht der Fall. Wir haben in Bayern eine hohe Dynamik, was den Ausbau von Kitaplätzen angeht. Wir haben den Kommunen unbegrenzte Fördergarantien gegeben. Wir wollen, dass im nächsten August, wenn der Rechtsanspruch in Kraft tritt, alle, die einen Kitaplatz wollen, den auch bekommen. Und wir sehen das Betreuungsgeld komplementär dazu, also nicht alternativ zum Kitaausbau, sondern für die, die eben einen Kitaplatz nicht in Anspruch nehmen, und damit sind wir der Überzeugung, dass wir damit umfassend, im Grunde im Sinne von Wahlfreiheit für die Familien etwas tun. Das werden wir auch durchsetzen. Und wenn es scheitert, dann wird man die Verursacher dafür benennen. Also die Koalition sehe ich da nicht in Gefahr, auch nicht die Zukunft der CSU, aber eines ist klar: Wir bestehen darauf.

    Barenberg: Und wie hoch wird der Preis sein, den Sie der FDP zahlen müssen für die Zustimmung?

    Huber: Wissen Sie, am Anfang von weiteren Gesprächen kann man im Grunde aus verhandlungstaktischen Gründen nicht alles auf den Tisch legen. Ich meine, die FDP ist gefordert. Sie ist ja leider innerhalb der letzten 14 Tage nicht gesprächsfähig gewesen. Es gab aber das Angebot, lasst uns über Details noch sprechen, und dann kam eigentlich von der FDP keine Antwort. Es gab auch keinen, sagen wir mal, Verhandlungsführer von Seiten der FDP, mit dem man die Details hätte besprechen können. Das heißt, wir fordern die FDP auf, kommt an den Verhandlungstisch, legt eure Karten auf den Tisch, wir können über alles reden, was vertretbar und verantwortbar ist. Dass man jetzt Milliarden draufsattelt, geht natürlich nicht, aber wir sind beweglich und flexibel, um weitere Details möglicherweise im Kompromiss zu regeln.

    Barenberg: Erwin Huber, der frühere CSU-Parteichef, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.

    Huber: Danke auch!


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