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IAA erstmals in München
Neues Konzept überzeugt Kritiker nicht

Neuer Standort, neuer Name, neue Ausrichtung: Als IAA Mobility findet die weltbekannte Messe in diesem Jahr erstmals in München statt - eine reine Automobilmesse will sie dabei nicht mehr sein. Das geht manchem zu weit, für Umweltverbände und Aktivisten bleibt dagegen auch der erweiterte Ansatz falsch.

Von Silke Hahne | 06.09.2021
Das Logo der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA Mobility) steht auf dem Marienplatz. Die IAA Mobility 2021 soll vom 07. bis 12.09.2021 in München stattfinden.
Seit Tagen werden an zentralen Punkten in der Münchner Innenstadt Bühnen und Stände aufgebaut (dpa)
"Ladies an gentlemen, the BMW iVision circular provides a glimpse of our circular future…" - Wie ein Wertstoffhof sieht die BMW-Bühne auf der IAA nicht aus. Dennoch dreht sich hier heute alles ums Recycling: Ein Auto, das komplett aus nachwachsenden Rohstoffen und wiederverwendeten Materialien entsteht. Und selbst komplett wiederverwertet werden kann.

Autokonzerne eifern nicht mehr um PS

Die Internationale Automobil-Ausstellung IAA will zwar keine mehr sein, dennoch stehen in den ersten Präsentationen für die Presse Autos klar im Vordergrund. Die Leistungsschau zum Auftakt der Messe lassen sich die Platzhirsche BMW, Volkswagen und Daimler nicht nehmen. Auch wenn sie nicht mehr um PS eifern, sondern um die ehrgeizigsten Umweltziele: "Our Motto is: Reduce now…"
Ein Elektroauto ist an eine Ladestation angeschlossen
Laden statt Zapfen - Deutschlands Weg in die Mobilitätswende
In Sachen E-Mobilität hat bei den deutschen Autobauern ein Umdenken eingesetzt, zumal E-Autos stark subventioniert werden. Ein Garant für mehr Klimaschutz ist das E-Auto aber nicht per se.
BMW etwa brüstet sich damit, der erste deutsche Hersteller zu sein, der sich zum 1,5-Grad-Ziel verpflichtet habe. Die Branche hat also ihre gewohnt großen Versprechen im Gepäck - kleiner als früher nehmen sich hingegen die Messestände aus: Kein Autohersteller belegt noch eine ganze Messehalle.
Dafür hat sich die Messe in anderer Richtung ausgedehnt. Seit Tagen werden an zentralen Punkten in der Innenstadt Bühnen und Stände aufgebaut. Diese kostenfreien, sogenannten Open Spaces, offene Räume, sollen das Ansinnen unterstreichen, dass auf der IAA die Zukunft der Mobilität verhandelt wird. Die soll einerseits elektrisch sein.

VW-Chef prognostiziert "nächsten, viel radikaleren Wandel"

Es kündige sich aber schon der nächste, viel radikalere Wandel an, prognostizierte Volkswagen-Chef Herbert Diess: "The next, much more radical change, is the transition towards much safer, smarter and finally autonomous cars." Das autonome Fahren werde die Auto-Industrie wie nichts anderes zuvor verändern, vor allem in Form von Robotaxis, glaubt der VW-Chef.
Das Bild zeigt einen Arbeiter an einem Montageband in einer VW-Autofabrik. Der Arbeiter trägt eine Mundnasenmaske.
Coronavirus und die Autoindustrie - Nagelprobe für eine Branche im Umbruch
Die Autoindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands. Die Corona-Pandemie hat die Branche in ein Nachfrage-Tief gestürzt – vor dem Hintergrund des Umbaus zu mehr Elektromobilität.
Den letzten großen, wenngleich unfreiwilligen Bruch, hat die Corona-Pandemie der Autobranche verpasst und sie prägt auch die IAA. Sie ist eine der ersten größeren Messen, die in Deutschland seit dem Ausbruch der Pandemie wieder stattfinden. Ein virologisches Experiment, auch wenn weniger Gäste kommen dürften als in früheren Jahren und für Messe und Freiflächen die 3-G-Regel gilt.

Kritik am neuen Konzept

Nicht nur zahlreiche Besucher bleiben der Messe wohl in diesem Jahr fern, auch Aussteller aus der Autobranche fehlen. Toyota zum Beispiel ist nicht dabei, genau wie der Stellantis-Konzern mit Marken wie Opel, Peugeot und Fiat. Einer fehlt auf Automessen nie, und das ist Ferdinand Dudenhöffer, emeritierter Professor und jetzt Leiter des privaten Auto-Institutes CAR. Er ist skeptisch, ob das neue Konzept aufgeht: "Vielleicht muss man in Zukunft auch noch ein bisschen am Konzept arbeiten. Es sind viele Fahrräder hier, es sind viele Themen hier, aber vielleicht sind es zu viele Themen und man sollte sich stärker auf das Auto konzentrieren. Denn das Auto hat eine Riesen-Zukunft."
Gegner der Automesse IAA Mobility haben ein Schild mit der Aufschrift "IAA Mobility" mit dem Zusatz "Klimakrise - Vollgas voraus!" übersprüht
Gegner der Automesse IAA Mobility haben ein Schild mit der Aufschrift "IAA Mobility" mit dem Zusatz "Klimakrise - Vollgas voraus!" übersprüht (dpa/Sven Hoppe)
Das sehen Umweltverbände und Aktivisten ganz anders. Die Initiative "Sand im Getriebe" zum Beispiel. Die Gruppe bildete sich zur IAA 2019 und ist auch in diesem Jahr in München aktiv. Auch die neue IAA halten sie für eine Lobbyveranstaltung, erklärt Sprecherin Lou Winters: "Das ist ein unglaublicher Betrugsversuch. E-Autos, was ja Teil dieser Show sein soll, sind ja keine Lösung. Wie werden denn die Batterien eigentlich hergestellt."
Interview mit Lou Winters: "Wir können der Klimakrise nicht in einem E-SUV davon fahren"

In der Sendung "Informationen am Morgen" (07.09.2021) kündigte Lou Winters von der Initiative "Sand im Getriebe" massive Proteste ihres Bündnisses sowie anderer Klimaaktivisten an, die "viel, viel größer und stärker" ausfallen würden als vor zwei Jahren bei der IAA in Frankfurt/Main. Dabei richteten sich diese Aktionen sowohl gegen die Autoindustrie als auch gegen die Politik, die seit Jahren eine Mobilitätswende verschlafen habe und sich nur den Lobbyinteressen der Konzerne hingegeben habe, sagte Winters im Dlf. Sie kritisierte die Veranstaltung als "grünes Täuschungsmanöver" der Autolobby. Es brauche kollektive Lösungen für Mobilität und keine protzigen Elektro-Autos.

Dialog mit ganz kritischen Stimmen gescheitert

"Sand im Getriebe" tritt für eine städtische Mobilität ohne Autos ein. Ein Ziel der IAA Mobility ist damit schon jetzt teilweise gescheitert: Der Dialog mit den ganz kritischen Stimmen. Die Ablehnung von "Sand im Getriebe" ist fundamental: "Was haben denn diese Autokonzerne in den letzten Jahren produziert außer Abgasskandale. Also da haben wir gar nichts mit denen zu bereden, da ist nichts mehr mit einem Dialog zu machen."
Blick auf den Kaiserdamm in Berlin, auf dem zahlreiche Autos fahren.
Fußgänger werden bei der Verkehrsplanung übersehen "In verschiedenen Städten auf der ganzen Welt wird der öffentliche Raum in erster Linie dem Auto zugewiesen", kritisiert der Verkehrswissenschaftler Giulio Mattioli.
Statt Dialog plant die Gruppe Aktionen des zivilen Ungehorsams. In ihrem sogenannten Aktionskonsens ruft sie zum ruhigen, besonnenen Protest auf. Es werde von den Aktivisten keine Eskalation ausgehen. Das bayrische Innenministerium schätzt die Lage anders ein, hält Gewalt für möglich und will bis zu 4.500 Polizeikräfte einsetzen. Schon zum Auftakt war die Polizei an den Zufahrten, Eingängen und in den Messehallen präsent.