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Im "Magischen Schiff" um die Erde

Raumfahrt. - Genau zwei Jahre ist es her, dass China erstmals einen so genannten Taikonauten ins All schoss. Jetzt geht das Reich der Mitte noch einen Schritt weiter: mit der Mission "Shenzhou VI" - "Magisches Schiff" - sollen zwei Raumfahrer eine Woche im Orbit bleiben.

    Nicht einmal 24 Stunden war Yang Liwei im All. Das war im Oktober 2003. Seitdem gibt es neben den USA und Russland eine dritte Nation, die eigenständig Menschen in eine Erdumlaufbahn schießen kann. Obwohl der Flug von Shenzou V ein voller Erfolg war, gehen die Chinesen erst jetzt den nächsten Schritt: mit dem sechsten "magischen Schiff" sollen erstmals zwei Taikonauten ins All starten und diesmal fünf Tage dort verweilen. Hua Chongzhi, Vize-Chef der China Aerospace Science and Technology Corporation.

    "Wir werden wieder mit der Rakete "Langer Marsch 2F" starten. Deren bemannter Teil besteht aus drei Modulen: Da ist zunächst die so genannte Arbeitskapsel. Mit ihr werden die Taikonauten starten und zur Erde zurückkehren. Dann werden wir erstmals ein Orbital-Modul fliegen. Dort hält sich die Besatzung während des Fluges auf. Es wird vor der Landung abgetrennt und verbleibt auf einer Umlaufbahn. Schließlich haben wir das Antriebsmodul. Es dient der Navigation im Weltall und verglüht am Ende der Mission in der Atmosphäre. "

    Im Gegensatz zum ersten bemannten Flug ist die Rettungsrakete für diese Mission mit einem "Feuerschutzsystem" versehen worden. Da China aus seinen Raumfahrtplänen ein ähnliches Geheimnis macht wie die Sowjetunion zu Zeiten des kalten Krieges, gibt es nur Spekulationen, was damit gemeint sein könnte. Sie beginnen beim Löschen eines Brandes auf der Startrampe, und sie enden bei einer schnelleren Abtrennung der Crew-Kabine von der restlichen Rakete nach dem Schleudersitzprinzip.

    "Die Mission Shenzhou VI ist ein weiterer Test für die chinesische Raumfahrtindustrie. Es werden weitere Orbital-Module folgen, mit denen wir beim nächsten Mal das Ankoppeln in der Umlaufbahn üben wollen. In zehn bis 15 Jahren soll daraus eine eigene chinesische Raumstation mit mehreren Modulen werden, so wie die Mir und die ISS."

    Außerdem sitzt auf der obersten Stufe der Startkonfiguration eine Live-Bild-Kamera, wie sie die Amerikaner beim letzten Shuttle-Start verwendet haben. Jesco von Puttkamer, Langzeitplaner bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA.

    "Ich hab‘ mir die Technik angeschaut und kenne die ja auch von den Russen noch her. Das ist im größten Teil ja das Sojus-Gerät mit Verbesserungen. Das Orbital-Modul der Chinesen bleibt im Orbit als unbemannter Satellit mit eigenen Beobachtungsaufgaben, während die Wiedereintrittskapsel genau wie das Sojus-Modell gebaut ist, mit einigen Verbesserungen. Und der Maschinenteil, der wird weggeworfen, so wie die Sojus-Maschinenanlagen."

    Wie die Russen haben auch die Chinesen mittlerweile gemerkt, dass Raumfahrt Geld kostet, und ihre ehrgeizigen Pläne einer bemannten Mond-Landung bereits im letzten Jahr aufgegeben. Vorerst will das Reich der Mitte sich in der Erdumlaufbahn aufhalten, sich dabei aber nicht nur auf Technik des einstigen kommunistischen Bruders verlassen. Auch die USA kommen als Partner in Frage. Im letzten Jahr trafen sich erstmals die Chefs der beiden Raumfahrtbehörden, vor zwei Wochen soll es beim Gipfel der Präsidenten George Bush und Hu Jintao auch um eine mögliche Zusammenarbeit im All gegangen sein.

    "Ich glaube nicht, dass China – auch wenn sie zunächst einmal selbständig ihre Technik entwickeln wollen und vielleicht sogar eine chinesische Raumstation als Zielsetzung haben – auf die Dauer die Raumfahrt alleine durchführen will, so dass also früher oder später durchaus die Möglichkeit besteht, dass China ein Teil der internationalen Partnerschaft im Weltraum wird."

    Wenn die USA sich ab 2010 von der Internationalen Raumstation zurückziehen, könnte für China ein Platz im All frei werden. Die chinesischen Orbital-Module verfügen über einen Dockingadapter, der auch an die ISS passt. Und der Raketenbahnhof in der inneren Mongolei liegt auf demselben Breitengrad wie das amerikanische Pendant in Cape Canaveral, so dass auch die Umlaufbahn der ISS von China aus leicht zu erreichen wäre.