Dienstag, 19. März 2024

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Impfneid und Impfdrängler
"Der eine oder andere geht schimpfend aus der Praxis"

Immer mehr Menschen versuchen, sich an der Impf-Priorisierung vorbeizumogeln, wie Recherchen von Report Mainz ergeben haben. Einige Ärzte unterstützten sie dabei mit nicht regelkonform ausgestellten Attesten, sagte Astrid Tributh vom Hausärzteverband Brandenburg im Dlf - Gefälligkeitsatteste für Impfdrängler.

Astrid Tributh im Gespräch mit Anh Tran | 11.05.2021
Schild mit der Aufschrift "Corona-Schutzimpfung in der Praxis. Impfstoff: Astra Zeneca. Mittwoch, 12.05.2021 ab 16 Uhr."
Immer mehr Menschen werden in Deutschland bei ihren Hausärzten geimpft - einige bekommen auch nicht regelkonform ausgestellte Atteste, sagte Astrid Tributh vom Hausärzteverband Brandenburg im Dlf (picture alliance/dpa | Oliver Berg)
Noch sind nicht alle Priorisierungsgruppen in Deutschland geimpft. Doch die Ungeduld bei vielen Menschen wächst - und damit nehmen auch die Versuche zu, die Priorisierung zu umgehen. Eine Kontrolle von fingierten Atteste im Impfzentrum sei dabei kaum möglich - anders als bei den Hausärzten, sagte Hausärztin Astrid Tributh im Dlf. "Das läuft bei uns nicht so, die kommen bei uns natürlich nicht durch, weil die einfach keine Priorisierung haben."
Astrid Tributh ist Hausärztin in Potsdam und stellvertretende Vorsitzende des Hausärzteverbands Brandenburg. Sie hat selbst in einem Impfzentrum gearbeitet und einige zweifelhafte Atteste junger Menschen gesehen. "Sie hatten gar keine dieser Erkrankungen und haben es sich dann eben einfach mehr oder weniger erschlichen, durchgesetzt, haben es bekommen. Und die werden dann im Impfzentrum geimpft." Mehr als einen hohen Blutdruck habe sie bei der Anamnese des Patienten nicht gefunden. "Das waren für mich mehr oder weniger Gefälligkeitsatteste, weil sie nicht in die Priorisierung fielen. Da ist für mich schon ein Impfdrängler, aber das sind auch Menschen, wo der Patient mit dem Arzt einfach nicht ganz regelkonform gearbeitet hat."
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Weiter Skepsis gegenüber Astrazeneca

Im normalen Alltag gebe es viele Menschen, die wegen einer Impfung in ihrer Hausarzt-Praxis anrufen, weil sie denken, die Priorisierung sei für alle Impfstoffe aufgehoben. "Wenn wir ihnen erklären, dass Biontech den Priorisierungen unterliegt und dass es da eine klare Regel gibt, wer geimpft werden darf, verstehen sie es schon. Aber sicher, der eine oder andere geht auch schimpfend oder brüllend aus der Praxis, das haben wir auch schon gehabt, oder schmeißt den Hörer hin."
Viele kämen auch mit dem Wunsch, unbedingt geimpft werden zu wollen, lehnten dann eine Impfung mit Astrazeneca aber ab. "Das ist nicht so, dass das nur die jungen Leute sind - die sind da fast unkomplizierter - sondern die über 60-Jährigen, die unbedingt auf Biontech bestehen und sich von Astrazeneca nicht überzeugen lassen, aber in keinster Weise eine Priorisierung haben, die dann auch bei uns natürlich nicht geimpft werden." Die Menschen würden dann auf eine Warteliste gesetzt. "Das wird aber bestimmt noch - Sie wissen, wie die Lieferzeiten sind - zwei, drei Monate dauern, bis die dann mal dran sind, mit Biontech geimpft zu werden, weil wir einfach noch genug priorisierte Menschen im Vorfeld haben."
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Lehrer, Kita-Erzieher, pflegende Angehörige priorisiert

Bevorzugt werden in ihrer Praxis momentan noch Lehrer, Kita-Erzieher, pflegende Angehörige und Angehörige von Schwangeren. "Ich priorisiere auch sehr gerne neben den Psychotherapeuten und Ergotherapeuten auch Reha-Therapeuten. Ich möchte gerne, dass meine Menschen auch langsam im Reha-Sport wieder Normalität kriegen, weil unsere chronisch Kranken das schon dringend brauchen."
Von der Politik wünscht sich Tributh mehr Klarheit und mehr Impfstoffe. "Ich würde alle gerne impfen. Eine große Schlange sollte sich hier anstellen, wenn ich wirklich genügend Impfstoff hätte."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)