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Impfpflicht für Pflegeberufe
Bas (SPD): Eine wirklich fatale Diskussion

Bärbel Bas (SPD) kritisiert die neu angestoßene Debatte um die Impfpflicht für den Pflegebereich. Damit würden Ängste geschürt, sagte sie im Dlf. Zunächst müsse umfassend aufgeklärt werden, um etwa Berufstätigen im Pflegebereich die Befürchtungen zu nehmen. Arbeitgeber und Politik seien in der Pflicht.

Bärbel Bas im Gespräch mit Silvia Engels |
Zwei blaue Gummihandschuhe halten eine Spritze mit Coronaimpfstoff
Die von Markus Söder (CSU) losgetretene Diskussion um eine Impflicht für den Pflegebereich komme "viel zu früh" im Dlf, sagte die SPD-Politikerin Bärbel Bas im Dlf (picture-alliance/TT News Agency/ Mikael Fritzon)
Wenn es um Impfungen gegen das Coronavirus geht, bietet sich ein zweigeteiltes Bild. Auf der einen Seite versuchen Bund und Länder mehr Impfstoff zu beschaffen und den Impfprozess gegen SARS-CoV-2 zu beschleunigen. Viele Menschen warten sehnsüchtig auf die Immunisierung. Eine erste Tranche des Wirkstoffs des US-Herstellers Moderna ist nun auch in Deutschland angekommen und wird in den Ländern verteilt.

Viele Pflegekräfte wollen vorerst keine Impfung

Auf der anderen Seite gibt es bei der Gruppe des medizinischen Personals, die ja neben den Hochbetagten als erste geimpft werden, eine erkleckliche Zahl an Menschen, die aus Sorge vor Nebenwirkungen vorerst keine Impfung wollen. Speziell für Berufstätige im Pflegebereich denkt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nun laut über die Prüfung einer Impfpflicht nach.
Bärbel Bas, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und in dieser Funktion zuständig für den Bereich Gesundheit, hält diese Diskussion "im Moment für viel zu früh". Sie plädiert stattdessen für eine umfassende Aufklärung, um den Menschen, insbesondere Berufstätigen in der Pflege, aber auch Bewohnerinnen und Bewohnern von Altenheimen ihre Ängste zu nehmen.
Der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Eine Krankenschwester im UC Davis Medical Center in Sacramento, Kalifornien, zieht die Subsatnz aus einem Gläschen in eine Spritze. Zu sehen ist nur ihre mit einem blauen Handschuh geschützte Hand.
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Silvia Engels: Sollte der Ethikrat prüfen, eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Bereiche von Gesundheitsberufen einzuführen, wie Herr Söder das vorschlägt?
Bärbel Bas: Diese Diskussion halte ich im Moment für viel zu früh. Wir haben gerade erst begonnen und es gibt in der Tat Skepsis, weil natürlich auch die Impfstoffe neu sind und wir viele Erkenntnisse noch nicht haben, wie er wirkt, welche Nebenwirkungen möglicherweise noch auftreten, und dem gilt es erst mal entgegenzutreten, bevor wir über eine Impfpflicht reden.

"Politik und Arbeitgeber sind da in der Pflicht"

Engels: Was aber, wenn die Aufrufe und das Werben nicht helfen? Denn es geht ja auch darum, schnell zu schützen. Da kann man doch nicht unendlich lange warten.
Bas: Wir warten ja auch nicht. Aber wir haben ja gerade erst mit dem Impfen begonnen und wir wissen alle, dass noch nicht genug Impfstoff da ist. Auch Aufklärungs-Kampagnen haben noch nicht wirklich richtig begonnen. Wir haben ja durchaus jetzt die Gelegenheit, genau die Skeptiker noch zu überzeugen, und ich weiß auch, dass viele Pflegekräfte auch bereit sind und sich ihrer Verantwortung bewusst sind, sich impfen zu lassen. Es gibt Fragen bei den Beschäftigten und hier haben sowohl die Politik, also wir, die Chance, jetzt die Aufklärung zu machen, aber auch die Arbeitgeber sind da in der Pflicht, entsprechend aufzuklären und auch die Ängste zu nehmen.
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Ängste vor Impfung insbesondere bei Frauen

Engels: Fragen, über die Sie berichteten, die beantwortet werden müssen. Wie erklären Sie sich denn andererseits, dass laut Aussagen des Deutschen Städtetages mancherorts nur 30 Prozent des Pflegepersonals derzeit bereit wären, sich impfen zu lassen, andere Daten melden 50 Prozent. Ist das wirklich nur Frage, die man mit Aufklärung beantworten kann, oder ist das wirklich ein Widerstand? Wie nehmen Sie es wahr?
Bas: Ich nehme wahr auch in den Gesprächen, die ich ja selber zwischendurch führe, dass tatsächlich viele Verschwörungsmythen unterwegs sind – insbesondere bei Frauen, die die Befürchtung haben, meine Gene werden sich verändern, was bedeutet das, wenn ich Kinder bekommen möchte. Und wir wissen, dass im Pflegeberuf auch viele Frauen beschäftigt sind. Ich finde, das sind Fragen, die man auch in der Tat klären muss, und das kann man recht schnell aufklären, dass es nicht so ist, dass man die Befürchtungen da auch nehmen kann. Ich bin davon überzeugt, im Gespräch erlebe ich das oft, dass die Skepsis dann weniger wird und man auch hier überzeugen kann.
Jetzt direkt mit einer Impfpflicht zu kommen, das ist ein Prozess, glaube ich, der gerade im Beginn einer Impf-Kampagne kontraproduktiv ist und zur Unzeit kommt.

Aufklärungs-Kampagne rasch umsetzen

Engels: Die Unversehrtheit des eigenen Körpers ist ja auch ein hohes Gut. Das kann man durch eine Impfpflicht auch nicht so einfach verletzen. Doch auf der anderen Seite geht es ja auch darum, möglichst schnell das Leben von Bewohnern von Pflegeheimen zu schützen. Wie wägen Sie da ab?
Bas: Zum einen impfen wir ja die Betroffenen, die möglicherweise Schwererkrankten, auch in der Priorität jetzt als erstes. Das ist ja schon mal der Schutz der Betroffenen selbst. Und natürlich müssen auch die, die mit den Betroffenen arbeiten oder für sie arbeiten, auch geimpft werden. Das ist außer Frage.
Eine Einwegspritze und Impfdosen mit Impfstoff zur Injektion mit einer Kanüle.
Was bei der zweiten Impfdosis zu beachten ist
Wegen der akuten Impfstoff-Knappheit wird überlegt, die zweite Impfdosis hinauszuzögern. Doch fast alle Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 nutzen das Spike-Protein. Wäre das Virus gegen eine Impfung resistent, wäre es gegen alle anderen wohl gleich mit resistent, fürchten Forscher.
Aber jetzt mit einer Impfpflicht, wo wir erstens noch nicht ausreichend Impfstoff für alle haben und auf der anderen Seite die Angst den Menschen noch nicht genommen haben oder die Skepsis, weil wir die Aufklärungs-Kampagne noch nicht dementsprechend umgesetzt haben, das halte ich einfach für verfrüht. Ich bin überzeugt, dass viele Pflegerinnen und Pfleger, auch in den Gesprächen, die ich führe, sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Sie wollen natürlich auch die Bewohner schützen und das gilt auch mit einer Impfung, und viele tun es ja auch. Ich bin davon überzeugt, je nachdem wie die Aufklärung über Arbeitgeber und Expertinnen und Experten läuft und auch über Kollegen, die sich schon haben impfen lassen, dass dann die Skepsis sinkt.

Söder "erzeugt auch Angst"

Engels: Verschreckt Markus Söder mit seiner Debatte um eine mögliche Impfpflicht möglicherweise mehr Menschen, die dann jetzt auch noch skeptischer werden?
Bas: Erstens das ist sicherlich ein Argument. Er verschreckt damit. Aber er erzeugt auch Angst, weil natürlich auch jetzt möglicherweise Pflegekräfte Angst haben, die begründete Sorgen haben, die aufgeklärt werden können, dass sie vielleicht dann ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist im Moment eine Situation, die damit angefacht wird. Auch die Angst der Bewohner wird damit geschürt, so nach dem Motto, ich bin hier nicht geschützt, weil die Pflegekräfte sich nicht mit mir gemeinsam impfen lassen. Das ist eine Diskussion, die finde ich wirklich fatal und die sollten wir jetzt nicht führen. Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, dass möglichst viele, die geimpft werden wollen, sich impfen lassen, dass wir alles dafür tun, um alle zu schützen, und die Aufklärungs-Kampagne auch so jetzt machen, dass man diesen Fake News entgegentreten kann und dass man den Menschen auch die Angst vor der Impfung nehmen kann.
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Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Impflicht-Debatte erst dann, wenn wir für alle einen Impfstoff haben

Engels: Sie haben mehrfach gesagt, es ist zu früh. Wann definieren Sie für sich einen Zeitpunkt, ab wann denken Sie über eine Impfpflicht nach, wenn sich die Quote der Impfbereiten gerade im Pflegebereich nicht verbessert?
Bas: Darüber kann man nachdenken oder auch diskutieren, auch mit dem Ethikrat zusammen, der das sicherlich auch aus ethischen Gründen noch mal abschätzen kann, wenn wir einen Zeitpunkt haben, wenn ausreichend Impfstoff da ist, wenn allen, die es wollen, eine Impfung angeboten wird und wir dann merken, dass die sogenannte Durchimpfungsrate in der Gesamtbevölkerung zu niedrig ist, um eine sogenannte Herdenimmunität oder einen Schutz sicherzustellen. Dann wird es sicherlich diese Diskussionen geben. Die haben wir ja auch bei dem Thema Masern erlebt, als wir festgestellt haben, dass eine gewisse Immunität in Gefahr ist, die die Bevölkerung braucht, um sich zu schützen. Deshalb ist diese Diskussion erst wirklich interessant, wenn wir für alle einen Impfstoff haben, für die, die geimpft werden möchten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.