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Ines Geipel über die DDR-Diktatur
Von der DDR-Spitzensportlerin zur Schriftstellerin

Als Weltrekord-Athletin wird sie in der DDR gefeiert, während Zwangsdoping ihrem Körper zusetzt. Sie lernt die volle Härte des Regimes kennen, und in ihrer Familie eine typische Verdrängung der Vergangenheit. Bis heute sei, so Geipel im Dlf, die Gründungsgeschichte der DDR nicht richtig erzählt worden.

Ines Geipel im Gespräch mit Michael Köhler |
Ines Geipel, ehemalige Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins
Ines Geipel, ehemalige Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (Deutschlandradio / Amac Garbe)
1984 wurde Ines Geipel in der DDR aus dem Profi-Sport gedrängt. Noch im gleichen Jahr hatte sie zuvor einen Vereins-Weltrekord aufgestellt - mit drei Kolleginnen in der 4-mal-100-Meter-Staffel beim SC Motor Jena. Doch Geipel wollte fliehen - und nachdem ihre Pläne vereitelt wurden, stieß man sie aus dem System, nahm ihr darauf noch die Dissertationsmöglichkeit während ihres Studiums. "Es war nicht mehr mein Land", so Geipel zu ihrer Fluchtmotivation im Dlf. Sie hätte nur noch "irgendwo auf dem Friedhof in Jena Pflanzen setzen können".
1989 gelang ihr die Flucht. Der Vater war Agent bei der Stasi, der Großvater zu NS-Zeiten in der SS aktiv, und so musste sie nach der Flucht nicht nur ihr Leben innerhalb des von Zwangsdopingsystems sondern auch die eigene Familiengeschichte aufarbeiten. Sie beobachtet dabei genau, wie die Zeit des Nationalsozialismus verdrängt worden sei, während sich der "rote Antifaschismus" über das Land gelegt habe.
Konnex aus Gewalt und Verdrängung
Ganz deutlich erlebte sie die Besessenheit des Ostens, als das "bessere Deutschland" zu fungieren. Mit 14 Jahren spricht sie wie die meisten Jugendlichen in Buchenwald einen Schwur auf den Staat: "Dann standen wir da zitternd, es war kalt. Und wir verstanden das schon im Kern sehr ausgehöhlte Ritual nicht."
Ihr sei es wichtig gewesen, in ihrem neuesten Werk "Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass" auch den "integrierten Nazi im Osten" zu beschreiben, der immer da gewesen sei. Während Westdeutschland Zeit gehabt habe, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sei all das im diktatorischen Osten nicht aufgearbeitet worden. So sei der Konnex aus Gewalt und Verdrängung bis heute nicht politisch angegangen worden, viel mehr werde sich in immer neuen Entlastungserzählungen geübt.
Ines Geipel ist eine ehemalige deutsche DDR-Leichtathletin und wirkt heute als Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in Berlin. Als Schriftstellerin setzt sie sich mit ihren Erfahrungen in der DDR-Diktatur auseinander, insbesondere als Opfer des systematisch betriebenen Zwangsdopings. Für ihr aufklärerisches Engagement wurde sie 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.