Donnerstag, 18. April 2024

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Inhaftierter Journalist
Mahnwache für Deniz Yücel

Wahrscheinlich ist er schon jetzt der bekannteste "Sohn der Stadt", den Flörsheim je hatte: Deniz Yücel. Bei jedem Wetter hält die Stadt am Main seit fast einem Jahr Mahnwachen für den in der Türkei inhaftierten "Welt"-Journalisten ab. Zum Jahrestag der Inhaftierung im Februar planen die Organisatoren eine Veranstaltung mit hochrangiger Besetzung.

Von Ludger Fittkau | 16.01.2018
    Ein Lampion mit dem Portrait von Deniz Yücel.
    Seit elf Monaten veranstaltet die Stadt Flörsheim Mahnwachen für Deniz Yücel. (Ludger Fittkau / Deutschlandradio)
    "Ich darf sie zur elften Mahnwache für Deniz Yücel hier am bewährten Ort vor unserer Stadthalle ganz herzlich begrüßen."
    Michael Antenbrink, Bürgermeister von Flörsheim am Main, der Heimatstadt Deniz Yücels, begrüßt gestern Abend bei nasskaltem Wetter rund 50 Teilnehmer der Mahnwache: "Ich habe erst gedacht, ich bin allein, wegen des Wetters kommen keine. Aber wie fast schon bei jeder Mahnwache bin ich überrascht, wie viele dann doch noch gekommen sind."
    Hoffung auf Freilassung
    Unter den Teilnehmern der Mahnwache: Ilkay, die Schwester des seit elf Monaten in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel. Aus Berlin ist Daniel Böhmer angereist. Der Kollege Yücels aus der Zeitungsredaktion schildert den aktuellen Stand der drei verschiedenen juristischen Ebenen, auf denen sich der Fall bewegt. Im Frühjahr, so Böhmer, könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden, dass Deniz Yücel für die Dauer des Verfahrens auf freien Fuß gesetzt werden muss. Dann gibt es die Ebene des türkischen Verfassungsgerichts. Seit gestern 14.00 Uhr seien dort die letzten Schriftstücke eingegangen, die dieses Gericht brauche, um tätig zu werden, berichtete Daniel Böhmer in Flörsheim:
    "Also ab jetzt kann das türkische Verfassungsgericht theoretisch jederzeit sagen, der Mann gehört für die weitere Dauer des Verfahrens auf freien Fuß. Montag nächster Woche stehen wie jeden Montag die Fälle im Internet, die das türkische Verfassungsgericht in der kommenden Woche entscheidet und da werden wir wissen, ob Deniz' Fall dabei ist. Es kann und da muss ich ganz klar und ganz offen sein, es kann auch noch sein, dass es Wochen dauert, das es Monate dauert, bis dieser Fall entschieden werden wird vor dem Verfassungsgericht. Aber es ist jetzt zumindest alles da."
    Yücel sitzt als Gast einer Talkshow auf dem Podium. 
    Deniz Yücel wird in der Türkei Terrorpropaganda vorgeworfen (dpa/Karlheinz Schindler)
    "Auf den Kuschelkurs folgt nichts"
    Und es gäbe noch eine weitere Option, die die Justiz in der Türkei habe, wenn es gewollt sei, so Böhmer: "Und dann ist es natürlich und das ist dann die dritte Ebene, ist auch immer noch möglich, dass ein ganz normales Strafgericht der ersten Instanz endlich, endlich, endlich eine Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft vorgelegt bekommt und anhand dessen sagt: So, jetzt wird der Prozess eröffnet, erster Verhandlungstag. Und dann kann es sein, so wie in den Fällen von Mesale Tolu und Peter Steudtner, dass das Gericht sagt: Fein, wir setzten weitere Verhandlungen an, aber für den Rest des Verfahrens kommt der Angeklagte erst mal auf freien Fuß."
    In Flörsheim hatte man vor allem zu Jahresbeginn neue Hoffnung geschöpft, als sich der türkische Außenminister mit Sigmar Gabriel in Goslar traf. Michael Antenbrink, der sozialdemokratische Bürgermeister der Kleinstadt bei Frankfurt am Main, in der Deniz Yücel aufgewachsen ist, hält es jedoch für richtig, dass im Sondierungsvertrag zwischen Union und SPD die Rückkehr der Türkei zur Rechtstaatlichkeit explizit eingefordert wird:
    "Und der Kuschelkurs, der da wohl angesagt war zu Beginn des Jahres, bevor die Sondierungsergebnisse abgeschlossen waren und nicht so unbedingt positive Ergebnisse für die Türkei gebracht haben für den Staatspräsidenten, ja jetzt ist das Ganze wieder vorbei und auf den Kuschelkurs folgt anscheinend nichts."
    Der Flörsheimer Bürgermeister, dessen Stadt auch eine enge Partnerschaft zu einer türkischen Kommune pflegt, setzt nun vor allem auf die wirtschaftlichen Zwänge, die der türkische Präsident Erdogan habe, der im kommenden Jahr wiedergewählt werden wolle. Zur zwölften Mahnwache für Deniz Yücel in Flörsheim am Jahrestag seiner Inhaftierung im Februar hofft er auch darauf, dass ein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung an den Main kommt:
    "Da warte ich aber noch auf eine Antwort!"