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Intel-Fabrik in Sachsen-Anhalt
In Magdeburg beginnt der große Umbruch

Intel baut ab 2023 eine neue Chip-Fabrik in Magdeburg. Mehrere Tausend Arbeitsplätze könnten entstehen. Für Sachsen-Anhalt ist das wirtschaftlich das große Los, aber die Probleme häufen sich - Wasserknappheit, Fachkräftemangel und überlastete Behörden.

Von Niklas Ottersbach | 29.11.2022
Die Autobahn 14 führt an einem bestelltem Feld vorbei. Dort plant der US-Konzern Intel den Bau seiner Chipfabriken.
An der Autobahn 14 plant der US-Konzern Intel den Bau seiner Chipfabriken. (dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)
Die Magdeburger Staatskanzlei am 15. März: Der Pressesaal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. An diesem Tag verkündet der US-Mikrochiphersteller "Intel" per Videopräsentation die größte Unternehmensansiedlung in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Es sollen zwei Halbleiterfabriken für rund 17 Milliarden Euro im Magdeburger Stadtgebiet entstehen.
17 Milliarden Euro Investitionsvolumen - fast drei mal so viel wie der US-Autobauer Tesla in die Brandenburger Elektro-Autofabrik investiert. Insgesamt sollen in den Mikrochipfabriken in Magdeburg 3.000 neue Jobs direkt entstehen. Nimmt man die Zulieferbetriebe im Umland dazu, wird mit circa 10.000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet.

Für weniger Abhängigkeit von China

Hochbezahlte Arbeitsplätze. In einem Bundesland mit großem Niedriglohnsektor, mit Ansiedlungen, die sich bislang meistens auf Großbäckereien und Logistikzentren beschränkt haben, ist das eine Trendwende. So sieht es Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, CDU: „Das wird dieses Land komplett umgestalten. Es ist eine völlige Neuprofilierung auf eine Branche, die das 21. Jahrhundert und die nächsten Jahrhunderte bestimmen wird.“
Bei der Intel-Präsentation im März wird auch EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen zugeschaltet. Denn die Ansiedlung der Mikrochipfabriken in Deutschland und Europa ist auch eine geopolitische Entscheidung. Sie steht für weniger Abhängigkeit von internationalen Lieferketten. Speziell auch weniger Abhängigkeit von China: Das ist das Ziel. 

Staatliche Subventionen wurden angepasst

Staatlichen Subventionen für Einzel-Unternehmen in den Nationalstaaten sind enge Grenzen gesetzt. Deshalb muss für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg auch das EU-Beihilferecht angepasst werden. Denn ohne staatliche Förderung, keine Verdopplung der europäischen Mikrochip-Produktion. Von den 17 Milliarden Euro für die Chipfabriken in Magdeburg wird der Bund knapp sieben Milliarden Euro Subventionen zahlen.
Anders funktioniere das im internationalen Wettbewerb nicht, sagt Christin Eisenschmid, Deutschland-Chefin von Intel. "Wir wissen auch, dass man in anderen Ländern außerhalb Europas günstiger produzieren kann. Deshalb ist uns wichtig, dass wir Unterstützung bekommen von der öffentlichen Hand, um diese Kostenlücke zu schließen oder zumindest teilweise zu schließen."
Doch erst muss das EU-Parlament die Genehmigung erteilen. Intel investiert nicht nur in Magdeburg, sondern baut auch weitere Produktions- und Forschungsstandorte in Europa aus. In Italien, Frankreich, Spanien und Polen. Aber anders als bei Tesla wird erst dann gebaut, wenn die EU den sogenannten Chips Act genehmigt, die Fördergelder fließen können, und die Baugenehmigungen erteilt werden können.

"So eine Chance kriegen wir als Sachsen-Anhalt nie wieder"

Bis dahin heißt es für Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Haseloff: "Jetzt darf nichts mehr schiefgehen, weil wir so eine Chance als Sachsen-Anhalt nie wiederkriegen. Und deswegen müssen da alle mitziehen. Und egal wer uns da begleitet, in der Gesellschaft, bis in die Medien hinein, kann jeder seine Aufgabe erfüllen."
Langenweddingen, ein Vorort von Magdeburg. Landwirt Martin Lüer parkt seinen vier Meter hohen Rübenvollernter in einer Lagerhalle. Der 44-Jährige baut in der Magdeburger Börde Zuckerrüben, Weizen und Raps an. Auf 800 Hektar Fläche. Doch sein Ackerland wird demnächst kleiner.
„Ja, Intel spielt für uns natürlich eine große Rolle. Erstmal für die Landwirtschaft an sich. Wir sind mit über 150 Hektar betroffen. Unser Betrieb, das ist ein Teil Eigentum, aber das größte ist Pachtfläche, die wir dann auch verlieren.“
Landwirt Martin Lüer
Ob er Verlierer oder Gewinner am Ende sein wird, das kann Landwirt Martin Lüer derzeit noch nicht sagen (Deutschlandradio / Niklas Ottersbach)
Es ist einer der Hauptgründe, weshalb Magdeburg in Europa für Intel so attraktiv ist: Hier gibt es unverbaute Fläche en Masse. Auf rund 400 Hektar baut Intel seine Chipfabriken im Magdeburger Stadtgebiet. Und nochmal etwa die gleiche Fläche im Umland wird bebaut werden für die Zulieferbetriebe. Dafür muss allerdings der gute Bördeboden versiegelt werden. Er gilt als einer der besten Ackerböden Deutschlands, weil er zum Beispiel besonders viel Wasser speichern kann.

Bauern kriegen viel Geld, müssen es aber auch investieren

Damit die Bauern ihr Land auch verkaufen, bekommen sie das Fünffache des derzeitigen Hektarpreises. Rund 250.000 Euro. Landwirt Martin Lüer hat bereits fünf Hektar Ackerland verkauft. Viel Geld, glücklich ist er damit dennoch nicht.
"Ich möchte aber eigentlich hier einen Generationsbetrieb weiter aufrechterhalten, auch für meine Kinder eventuell. Und dazu gehört eigentlich so viel Fläche wie möglich zu behalten. Um weiter zu wirtschaften. Das ist unsere Lebensgrundlage. Und wenn ich die verkaufe, dann habe ich zwar jetzt dann Geld auf dem Konto. Aber ich muss es ja auch wieder investieren innerhalb der vier Jahre, weil es im Betriebswirtschaftlichen ist. Und wenn ich es in vier Jahren nicht investiere, muss ich schon 50 Prozent an Steuern zahlen."
Landwirt Lüer befürchtet in den nächsten Jahren einen großen Verdrängungswettbewerb in der Magdeburger Börde. Weil viele Bauern mit Geld dann um Ausgleichsflächen mitbieten werden. Und je weiter weg das Ackerland vom Betrieb liegt, desto aufwändiger die Bewirtschaftung der Flächen. Insofern sieht er die Ansiedlung der Mikrochipfabriken von Intel mit gemischten Gefühlen.
Endlose Reihen eines bestellten Feldes ziehen sich bis zum Horizont. Dort plant der US-Konzern Intel den Bau seiner Chipfabriken. Der Bördeboden gilt als einer der besten Böden Sachsen-Anhalts. Damit die gute Erde nicht verloren geht, soll sie weiterverwendet werden. Der Mutterboden soll abgetragen und weitergenutzt werden.
Der Bördeboden gilt als einer der besten Böden Sachsen-Anhalts. Doch durch den Bau der Chipfabriken droht die Versiegelung. (dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)
"Auf der anderen Seite will man der Gemeinde und überhaupt der Region hier nicht im Wege stehen. Um hier etwas zu etablieren. Es geht ja auch um Arbeitsplätze, gute Arbeitsplätze hoffentlich."

Versiegelung der Böden und hoher Wasserverbrauch

Intel bringt mit der Ansiedlung der Mikrochipfabriken zwar viele Arbeitsplätze nach Sachsen-Anhalt. Benötigt aber auch viele Ressourcen. Die Versiegelung des Bördebodens ist nur ein Beispiel. Die zweite Ressource ist der Wasserverbrauch. Und der ist enorm. Die Mikrochipfabriken von Intel in Irland, ein vergleichbares Werk, verbrauchen 600.000 Kubikmeter Wasser im Monat. Übers Jahr hoch gerechnet sind das knapp zwei Drittel des jährlichen Wasserverbrauchs der Stadt Magdeburg.
Sachsen-Anhalt leidet seit Jahren unter anhaltender Trockenheit. Die Folge: Das Grundwasser ist im Durchschnitt um 60 Zentimeter abgesunken. So tief, wie seit 30 Jahren nicht mehr. Das zeigen Zahlen des Landesamts für Umweltschutz. Insofern ist die Wasserfrage eine wichtige, findet der Grünen-Landtagsabgeordnete Olaf Meister.
Auf seine kleine Anfrage bei der Landesregierung wie viel Wasser die Mikrochipfabriken von Intel denn nun benötigen werden, erhielt Olaf Meister die lapidare Antwort: Der Wasserbedarf werde steigen. Mehr nicht. Nächstes Jahr sollen die Bagger anrollen, so langsam müsste das mal geklärt werden, sagt Grünen-Politiker Meister.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auf der Baustelle auf dem Gelände des Chipherstellers Intel nahe Dublin, welches als Vorbild für die Pläne des US-Chipherstellers in Magdeburg dient.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auf der Baustelle auf dem Gelände des Chipherstellers Intel nahe Dublin, welches als Vorbild für die Pläne des US-Chipherstellers in Magdeburg dient. (dpa / picture alliance / Christopher Kissmann)
"Wir sind tatsächlich auch eine Region, die mit Wasser durchaus Probleme hat, die Dürren in jüngerer Zeit haben das gezeigt. Da müssten wir jetzt zügig in eine öffentliche Debatte kommen: wie wird das Wasser zur Verfügung gestellt? Da gibt's also die Option – also die Landesregierung weiß davon offiziell nichts, weil sie es mir ja nichts sagen - aber man könnte es aus dem Harz beziehen. Man könnte über die Elbe nachdenken. Oder man könnte ein wiedererrichtetes Werk in Colbitz nachdenken. Was momentan ein Wasserwerk für die Stadt ist. Und man kann auch über eine Kombination von diesen Dingen nachdenken."
"Wir sehen jetzt noch keinen Grund, warum wir irgendetwas extern kommunizieren, was noch nicht komplett abgeschlossen oder ausgegoren ist", sagt die Deutschland-Chefin von Intel. Über konkrete Zahlen zum Thema Wasserverbrauch könne sie daher noch nichts berichten.

Woher das Wasser nehmen?

Was allerdings geplant sei: eine teure Wasserwiederaufbereitungsanlage, die ein Kreislaufsystem ermöglichen soll. Bleibt die Frage: woher das Wasser nehmen? Elbe, Harz oder das Wasserwerk nördlich von Magdeburg?
„Wir gehen davon aus, dass es am Ende ein Wasserkonzept sein wird, das unterschiedliche Quellen nutzt. Also nicht nur eine. Grundsätzlich haben wir Erfahrung mit Fabriken in wasserarmen Regionen. Zum Beispiel in Arizona und in Israel. Also, bei uns ist das ein relativ großer Fokus, dass wir Wasser aufbereiten, Wasser rückgewinnen.“
Das Ziel, so die Intel-Deutschlandchefin, sei eine "positive Wassernettonutzung". Sprich: Dass mindestens genauso viel Wasser wiederaufbereitet wird, wie die Mikrochipfabriken verbrauchen. Aber wann dieses Ziel erreicht wird und wie, das bleibt unbeantwortet.

Woher sollen die ganzen Fachkräfte für Intel kommen?

Der Wasserverbrauch ist nicht die einzige offene Frage bei der Ansiedlung der Mikrochipfabriken in Sachsen-Anhalt. Ebenfalls noch ungeklärt ist die Frage, wo die ganzen Fachkräfte für Intel herkommen sollen.
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat dem US-Unternehmen versprochen, die Fachkräfte für die Chipfabriken zu liefern. Oder rechtzeitig auszubilden. Aber bislang gibt es in Magdeburg noch keine Mikrochip-Industrie. Rund 30 Studierende beginnen ein Physikstudium an der Uni Magdeburg, nur etwa eine Handvoll landet in den Masterstudiengängen mit Halbleiter-Bezug. Dabei werden in Zukunft 500 bis 1000 studierte Leute für die Jobs in den Mikrochipfabriken benötigt.
"Das ist ne Herausforderung. Kann man auch sagen, da ist Druck dahinter. Weil wir in diesen Größenordnungen das überhaupt noch nicht gemacht haben", sagt Jens Strackeljan, Rektor der Uni Magdeburg. Einer Universität mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt.

Fachkräftebedarf kann nur durch Zuzüge bewältigt werden

Allerdings geht es der Uni Magdeburg wie anderen Hochschulen in Deutschland auch. Das Interesse an den sogenannten MINT-Fächern, also, Mathe, Informatik und technischen Studiengängen, ist gesunken. Zumindest bei deutschen Studienbewerbern. „Das Profil, was wir anbieten, ist im Augenblick bundesweit nicht besonders gefragt. Das sind Rückgänge im mittleren zweistelligen Prozentbereich. Bundesweit. Das gilt aber für Stuttgart, Hannover genau wie für uns.“
Rektor Jens Strackeljan beobachtet dagegen eine steigende Anzahl internationaler Studierender. Rund 4.000 sind es allein an der Uni Magdeburg. Die Universität wird im nächsten Herbst einen neuen Halbleiter-Studiengang in englischer Sprache anbieten. Überhaupt, der Fachkräftebedarf werde nur durch Zuzüge bewältigt werden können. Doch bislang ist die Willkommenskultur in Magdeburg eher durchwachsen.

Ausländische Studierende haben Probleme

„Ich komme aus Jordanien, ich studiere Maschinenbau an der OVGU.“ Ein Student aus Magdeburg, er möchte anonym bleiben. Seine eigene Aufenthaltsgenehmigung läuft Anfang Januar ab. Der 25-Jährige berät in einem International Office andere Studierende aus dem Ausland. Dort hört er immer wieder ähnliche Geschichten über die Ausländerbehörde.
"Also, die sagen immer: ist schwierig. Die haben Angst. Die bleiben für eine oder zwei Stunden vor der Tür nur für ein Wort?"
Reporter: "Ist es so, dass man da ein oder zwei Stunden ansteht, nur um eine Frage zu stellen?"
"Ja. Und ich kenne Leute persönlich. Kumpel von mir, er war dort für eine Stunde, zwei Stunde. Die Leute haben gesagt, du musst wiederkommen."
Das seien keine Einzelfälle, sagt Aram Badr aus Syrien. Er studiert Soziale Arbeit in Magdeburg und ist Gründer eines syrisch-deutschen Kulturvereins in Magdeburg. Der 28-Jährige hat im August eine Kundgebung vor der Ausländerbehörde organisiert. Etwa 200 Leute sind gekommen. Darunter viele Betroffene, die ihre Kritik geäußert haben.
Der Syrer Aram Badr studiert Soziale Arbeit in Magdeburg
Der Syrer Aram Badr studiert Soziale Arbeit in Magdeburg (Deutschlandradio / Niklas Ottersbach)
"Ok, die Situation in den letzten zwei Jahren war so prekär. Da es überhaupt keine Kommunikation mit der Ausländerbehörde gab. Das betrifft nicht nur Studierende oder Fachkräfte, das betrifft alle. Willkommen aus migrantischer Perspektive bedeutet, dass verfügbarer Service. Wenn diese Service fehlt, dann fehlt die Integration, diese Willkommenskultur findet aber nicht statt, wenn überhaupt die Belange der Menschen nicht nachgegangen werden."

Mehr Ausländer in der Stadt als berechnet

Immerhin, so Aram Badr, habe sich nach der öffentlichen Kritik an der Ausländerbehörde einiges verbessert. Zum Beispiel die telefonische Erreichbarkeit.
Die Stadt Magdeburg verweist auf Deutschlandfunk-Anfrage auf den Personalmangel in der Ausländerbehörde. Es seien rund 10.000 Ausländer mehr in der Stadt als noch vor zwei Jahren berechnet. Bedingt auch durch die Flüchtlinge aus der Ukraine. Neue Räumlichkeiten würden nun angemietet, statt eines Sammelpostfaches beim E-Mail-Verkehr würden nun thematische Postfächer eingerichtet.
Und ein sogenanntes „International House“ wird in Magdeburg geplant. Eine Art Außenstelle der Ausländerbehörde, die sich speziell um internationale Fachkräfte kümmern soll. Wegen Bauverzögerungen wird dieses International House allerdings erst in drei Jahren fertig sein.
Jens Strackeljan, Rektor der Uni Magdeburg, erwartet mit der Intel-Ansiedlung mehr internationale Studierende. Deshalb müsse der Kontakt mit der Ausländerbehörde reibungsloser laufen.
„Wir haben überhaupt kein Problem, wenn es mal Konflikte gibt. Und wir können in den direkten Austausch mit der Ausländerbehörde gehen, finden wir fast immer Lösungen. Aber das ist natürlich nicht der Regelprozess. Und jetzt reden wir einfach über eine nochmalige Erhöhung der Zahl, so dass man das jetzt nicht durch Eingreifen in Konfliktfällen hinkriegen kann. Es muss also insgesamt dafür gesorgt werden, dass es weniger solcher Konfliktfälle gibt.“
Eine Offenheit für ausländische Fachkräfte sei wichtig, sagt auch Intel-Deutschlandchefin Christin Eisenschmid: „Nur als Beispiel: wir haben aktuell 1.300 Mitarbeiter, die kommen aus 55 unterschiedlichen Nationen. Wir glauben, dass diese Diversität wichtig ist um Innovationen voranzutreiben.“

In Magdeburg beginnt der große Umbruch

Wie es um die Willkommenskultur in Magdeburg derzeit bestellt ist, möchte die Intel-Deutschlandchefin nicht bewerten. Sie habe das Gefühl, dass sich Stadt und Land da insgesamt auf einem guten Weg befinden. „Bis wir den großen Arbeitskräftebedarf haben, vergeht ja auch noch ein bisschen Zeit. Das heißt, es können ein großer Teil von den Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden und aufgesetzt werden.“
2027 sollen die ersten Magdeburger Mikrochips von Intel hergestellt werden. Im nächsten Jahr soll der Baustart erfolgen. Allein für den Bau der Chipfabriken werden 7000 Mitarbeiter benötigt, die alle untergebracht werden müssen. Es beginnt also ein großer Umbruch in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Die Frage ist, was sich durch den staatlich subventionierten Aufbau der Magdeburger Mikrochip-Produktion global verändert. Der EU-Chips Act ist ja auch eine geopolitische Entscheidung, um im Wettbewerb mit den USA und China mithalten zu können.
Jan-Peter Kleinhans leitet den Bereich Technologie und Geopolitik beim gemeinnützigen Thinktank „Stiftung neue Verantwortung“. Dort arbeitet er zur Stabilität der globalen Halbleiterketten. "Wir können ja ein und das wünsche ich mir auch sehr für Magdeburg, wir können ja ein florierendes Halbleitersystem in Magdeburg haben. Was zu tollen Forschungskollaboration mit Universitäten und Ansiedlungen von Zulieferern führt, was im Big Picture, auf globaler Ebene, aber völlig irrelevant ist. Und das ist ok."
Als Beispiel vergleicht Kleinhans die Investitionssummen: Intel investiert in Magdeburg 17 Milliarden Euro. Der größte Mikrochips-Auftragsfertiger der Welt, Taiwan Semiconductors Manufacturing, hat zuletzt in nur einem Jahr 44 Milliarden US-Dollar in Taiwan in die Hand genommen.

Chipmangel soll sich nicht wiederholen

Das Ziel der EU ist, dass sich dieses Ungleichgewicht zumindest ein bisschen verschiebt. Bis 2030 soll sich die europäische Mikrochip-Produktion verdoppeln. Auf 20 Prozent der weltweiten Halbleiter-Herstellung.
Christin Eisenschmid, Intel-Deutschlandchefin: "Intel ist ein Bestandteil von diesem Plan und ganz wichtig als initiales Projekt. Aber es bedarf wirklich noch mehr Investitionen von anderen Akteuren, um diese 20 Prozent bis Ende 2030 zu erreichen.“
Die Produktion von Mikrochips vor der eigenen Haustür soll die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten verringern. In der Corona-Pandemie hatte der Chipmangel dazu geführt, dass es teilweise zu Produktionsstopps in der Automobilbranche kam. Das soll sich nach dem Willen der EU nicht wiederholen.
Jens Strackeljan, Rektor der Uni Magdeburg: „Man könnte Transportwege erleichtern, das ist mit der Fabrikation da. Aber im Kern ist technologisch natürlich immer noch eine Abhängigkeit. Die würden wir dann hinkriegen, wenn Europa in der Lage ist zu diesen Themen einen technologischen Beitrag zu leisten.“
Es reiche nicht aus, nur in Produktion zu investieren, hält Mikrochip-Experte Kleinhans dagegen. Wenn Europa mitspielen möchte in der Unterhaltungselektronik, bei KI-Beschleunigern, also Mikrochips, die Rechenaufgaben für künstliche Intelligenzen übernehmen, dann brauche es kluge Köpfe, die die Mikrochips designen. Aber dafür müsste die EU viel mehr in Start-Ups, Forschung und Entwicklung investieren. Und nicht nur in die sogenannten „Fabs“, also die Mikrochipfabriken.
„Dann ist eben die Frage, ok, bei dem ganzen Spiel: was bringt mir das Subventionieren von Fabs? Und in meinen Augen spielt das Subventionieren von Fabs eine gewisse Rolle und sollte Teil einer europäischen Strategie sein. Es sollte aber nicht der Hauptbestandteil sein. Aber derzeit ist es in meinen Augen der Hauptbestandteil.“

Nächstes Jahr sollen die Bagger rollen

Und noch ist selbst dieses Geld nicht genehmigt. Das EU-Parlament wird frühestens Februar nächsten Jahres abstimmen über den sogenannten Chips Act. Die US-Amerikaner sind da schneller. Bereits im Sommer hat der Kongress in Washington den Weg frei gemacht für 280 Milliarden US-Dollar für die heimische Halbleiter-Industrie. Sechs Mal so viel, wie die EU ausgibt. Und auch die Verteilung sieht in den USA deutlich mehr Geld für Forschung und Entwicklung vor als in Europa.
Die EU und damit auch die geplante Magdeburger Mikrochipproduktion stehen also in einem globalen Wettbewerb. Nächstes Jahr sollen die Bagger anrollen im Magdeburger Südwesten.
Zurück bei Landwirt Martin Lüer, der Teile seines Ackerlands verkaufen wird für Intel. Er blickt mit gemischten Gefühlen auf die nächsten Jahre: wie wird das werden, wenn die Chipfabriken da sind? Mit Geld in der Tasche, aber mit weniger landwirtschaftlicher Fläche. Martin Lüer überlegt sich schon, ob er überhaupt noch weitermachen soll mit der Landwirtschaft oder ob er seinen Betrieb verkaufen wird.
„Sicher. Die Überlegungen sind da. Wir versuchen ja in jede Richtung zu überlegen, wie kann man den Betrieb erhalten? Oder wie kann ich mein Einkommen sichern. Ja, wir werden vor neue Herausforderungen gestellt. Ob Verlierer oder Gewinner, das kann ich Ihnen vielleicht in zehn Jahren sagen.“