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Bundesliga und Gesellschaft
Bernhard von "Fußball kann mehr": "Rhetorik passt nicht zu den Taten"

Die EM als Wendepunkt für die Gesellschaft, der Profifußball als Impulsgeber für gesellschaftlichen Wandel: Der Fußball in Deutschland hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Jana Bernhard von "Fußball kann mehr" sieht aber noch Nachholbedarf.

Jana Bernhard im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Glaubwürdigkeit enstehe, wo Taten und Worte deckungsgleich seien, sagte Jana Bernhard von "Fußball kann mehr" im Dlf.
Glaubwürdigkeit enstehe, wo Taten und Worte deckungsgleich seien, sagte Jana Bernhard von "Fußball kann mehr" im Dlf. (IMAGO / Ulmer / Teamfoto / IMAGO / ULMER)
Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland soll laut Turnierdirektor Philipp Lahm ein Wendepunkt für die Gesellschaft sein. Die Taskforce "Zukunft Profifußball" der Deutschen Fußball Liga sah den Profifußball schon vor zwei Jahren als "Impulsgeber, um für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen". Der Fußball in Deutschland will gesellschaftlich etwas bewegen und positiven Wandel herbeiführen.
Dass der Fußball aber schon da steht, wo er stehen will, stellt Jana Bernhard in Frage: "Ich denke, es gibt sehr viele Menschen im Fußball, die Veränderungen wollen, die auch diese Ziele verfolgen. Ich denke aber auch, dass es einfach noch eine sehr große Gruppe gibt, die nicht bereit ist, sich zu verändern. Die die Transformation nicht mit der entsprechenden Durchsetzungskraft , Willensstärke und vor allem Geschwindigkeit umsetzen, wie es aus unserer Sicht nötig wäre", sagte Bernhard im Deutschlandfunk.
Jana Bernhard, Geschäftsführerin der Sponsorenvereinigung S20, fotografiert beim FF27 Forum des DFB im VIP Zelt des Stadions von Eintracht Frankfurt
Jana Bernhard, Jana Bernhard, Geschäftsführerin von "Fußball kann mehr". (IMAGO / HJS / Hans-Jürgen Schmidt)
Bernhard ist Geschäftsführerin der Netzwerkorganisation "Fußball kann mehr", die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität im Fußball einsetzt. Dazu ist sie Geschäftsführerin der Sponsoren-Vereinigung "S20 The Sponsors‘ Voice".

Systen Fußball "noch sehr geschlossen"

Konkret bemängelte sie die fehlende Offenheit im Fußball: "Das System ist noch sehr, sehr geschlossen. Es generiert sich quasi aus sich selbst heraus. Wir sehen das bei vielen Personalentscheidungen, die in der Vergangenheit im deutschen Fußball getroffen wurden, auf sportlicher Ebene genauso wie in den Managementstrukturen. Da würden wir uns eine größere Offenheit wünschen."
Andere Branchen seien bei den Themen Diversität und Frauen in Führungsposition deutlich weiter. "Das zeigt, dass der Fußball keine Bereitschaft hat, andere Perspektiven in die eigenen Entscheidungen mit einzubinden." Diese Themen müssten noch mit "Vehemenz und Schnelligkeit" nach vorne getrieben werden, sagte Bernhard.
An vielen Stellen sehe Bernhard noch fehlendes Bewusstsein für gesellschaftlichen Themen: "Die Akteure plakatieren Worte wie Toleranz, Offenheit, Antirassismus und Nachhaltigkeit. Aber die Rhetorik passt an einigen Stellen nicht zu den Taten", sagte sie.
"Und die Menschen decken das einfach auf. Glaubwürdigkeit entsteht, wo Taten und Worte deckungsgleich sind. Und wenn das nicht zusammenpasst, bekommt ein Mensch ein Störgefühl in sich, was auch dazu führt, dass er sich abwendet von dem, was der Fußball alles ausrichten könnte."

Bernhard: Vereine können sich nicht nur auf Fußball konzentieren

Als Beispiel dient die Causa um Ex-Nationalspieler Jerome Boateng, der trotz Gewalt-Vorwürfen beinahe wieder einen Vertrag beim FC Bayern München erhalten hätte, um die Personalprobleme in der Innenverteidigung zu lösen. Bayern-Trainer Thomas Tuchel verteidigte die Überlegungen, indem er sagte, dass ein Fußball-Verein das Recht habe, Fußball-Entscheidungen zu treffen.
Für Bernhard ist das zu kurz gedacht: "Das kann ich in anderen Branchen und Bereichen auch nicht machen, mich nur auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Jede einzelne Unternehmung hat eine Verantwortung nach draußen und der muss man aus meiner Sicht auch gerecht werden, weil sich die Gesellschaft dorthin entwickelt hat."

Bernhard: "Taten und Worte müssen deckungsgleich sein"

Dass der Fußball generell ambitionierte gesellschaftliche Ziele für sich formuliert hat, begrüße Bernhard. "Aber wenn ich merke, dass ich mit meinen Taten vielleicht doch nicht so große Worte erfüllen kann, muss ich die Worte entweder ein bisschen kleiner machen, oder ich muss einfach mehr Taten folgen lassen und welche, die mehr Wirkung erzeugen."
Die Gesellschaft habe sich verändert, sagte Bernhard. "Ich glaube nicht, dass es nur ein Phänomen ist, dass Menschen sich beteiligen und auch Fangruppen, Medien, Politik und Sponsoren ein Auge darauf haben, weil es darum geht, die Gesellschaft gemeinsam zu gestalten. Insofern gehe ich davon aus, dass es lange an der Zeit ist, dass man aus so abgeschlossenen Systemen offene Systeme gestaltet und diese neuen Perspektiven annimmt, anhört und auch integriert."
Dann gehe es aber auch darum, "mit den Anspruchsgruppen im Dialog zu bleiben", so Bernhard. Die Taskforce Zukunft Profifußball sei ein guter Prozess gewesen. Aber: "Ich sehe nicht, dass dieser Austausch weiter stattfindet. Ich glaube aber, dass das eine gewisse Form von 'Stakeholdermanagement' ist, die gar nicht mehr wegzudenken ist und die es in Zukunft weiterhin braucht."