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Iran
Mützenich: "Wirtschaftliche Turbulenzen hausgemacht"

18 Monate dauern die Verhandlungen über eine Atomvereinbarung mit dem Iran an, es geht für das Land vor allem um die Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich warnte im DLF davor, dass die Aufhebung der Sanktionen nicht unmittelbar zu wirtschaftlichen und sozialen Fortschritten führe.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Rolf Mützenich (SPD)
    Rolf Mützenich (SPD) (imago / Metodi Popow)
    Das Ende der Sanktionen sei aber eine wichtige Bedingung, ergänzte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. "Wir dürfen nicht vergessen: die Turbulenzen im Inneren, auch die hohe Inflationsrate, sind hausgemacht". Eine der großen Schwierigkeiten bei den Atomgesprächen mit dem Iran sei das Misstrauen. Das könne nur in Verhandlungen abgebaut werden.
    Die Verhandlungen über eine Atomvereinbarung mit dem Iran werden heute in Wien mit den Außenministern der sieben beteiligten Staaten fortgesetzt.
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    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: In Wien finden Verhandlungen statt, Verhandlungen, über die möglicherweise zu wenig berichtet wird angesichts der aktuellen Ereignisse in Griechenland, das Thema hatten wir vorhin schon einmal: Es finden die Atomverhandlungen mit dem Iran statt, die sogenannten 5+1-Gespräche. Und es geht um die wichtige Frage: Kommt der Iran zurück in die Weltgemeinschaft und wie geht es weiter mit dem Atomprogramm? Sie sind wieder einmal verlängert worden, eigentlich sollten sie beendet werden. Über dieses Thema wollen wir reden, und ich freue mich, dass bei mir im Studio Rolf Mützenich ist aus dem Bundestag. Erst mal guten Morgen, Herr Mützenich!
    Rolf Mützenich: Guten Morgen!
    Zurheide: Herr Mützenich, haben Sie mitgezählt? Das wievielte Mal ist eigentlich verlängert worden? Ich habe, glaube ich, den Überblick verloren, ich gebe es ehrlich zu.
    Mützenich: Also ich muss sagen, ich habe nicht gezählt und manchmal habe ich auch gedacht: Muss es sein? Aber ich glaube, es ist notwendig. Das zeigt auch die Ernsthaftigkeit, aber auch die Schwierigkeit dieser Gespräche.
    Zurheide: Ist das, helfen Sie uns ein bisschen, ist das Ritual? Muss man so was machen, um den eigenen Leuten jeweils zu zeigen: Ich habe wirklich alles versucht? Die Öffentlichkeit schaut da ja etwas irritiert hin, so ähnlich wie bei Griechenland.
    Mützenich: Ja, es mag vielleicht jetzt auch ein bisschen Spekulation sein, aber ich glaube schon: Die Verhandler wissen um die innenpolitischen Widerstände, die es insbesondere im Iran und auch in den USA gibt, dort in den USA im Kongress, der jetzt auch durchaus ein Mitberatungsrecht aus diesen, wenn es zu einer Verabredung kommt, auch haben wird und natürlich auch des iranischen Parlaments. Und das sind schon wichtige Fragen, die auch die Verhandler innenpolitisch werden beantworten müssen und darauf wird wahrscheinlich auch Rücksicht genommen.
    "Eine der Schwierigkeiten ist das Misstrauen"
    Zurheide: Ich weiß nicht, ob ich Sie das fragen kann: Woran hakt es im Moment? Also Kerry hat die Nacht noch mal gesagt, zumindest berichten das die Agenturen: Wir haben einige offene Fragen gelöst. Gestern hieß es mal: Wenn wir nicht weiterkommen, dann reise ich ab. Das ist so die Drohkulisse. Woran hakt es, haben Sie da Informationen?
    Mützenich: Ich kann das im Einzelnen so nicht sagen, aber ich glaube schon, dass eine Menge abgearbeitet worden ist, insbesondere in den technischen Details, und, glaube ich, was eine der Schwierigkeiten ist, die sich aber am Ende auch nicht durch die Gespräche werden lösen können, ist das Misstrauen. Misstrauen kann nur abgebaut werden in den Verhandlungen, das hat insbesondere auch Außenminister Kerry immer wieder angedeutet gehabt – und die Widerstände, das Misstrauen ist groß aufgrund der Geschichte. Und jetzt geht es im Grunde genommen darum, politisch verlässliche Verabredungen zu treffen, die für alle Seiten auch tragbar sind, auf der einen Seite insbesondere Sicherheitsinteresse, was beachtet werden muss, auf der anderen Seite die Aufhebung der Sanktionen, und ob dann die Verabredungen auch einlösbar sind. Und ich würde mal sagen, das sind diese Fragen. Und der zweite Aspekt ist: Es könnte sein, dass vielleicht noch die eine oder andere Frage eingebracht worden ist in einen Verhandlungsprozess, der vielleicht hätte schon abgeschlossen sein können, wenn diese Fragen nicht aufgetaucht wären.
    Zurheide: Wir brauchen das Abkommen, das ist keine Frage? Wie sehen Sie das?
    Mützenich: Ich denke schon. Am Ende können alle davon einen Profit erlangen, der Iran, dass er verlässlicher in der internationalen Gemeinschaft gesehen wird, dass wir Sicherheit aufbauen, dass wir die Frage des Atomwaffensperrvertrages stärken können. Ich glaube, dass verlässliche Beziehungen zu der internationalen Gemeinschaft gerade in einer Region, in der der Iran eben liegt, auch wichtig scheinen. Und ich glaube, es ist notwendig, zu zeigen, dass die Diplomatie eben doch das richtige Instrumentarium ist, um existenzielle Fragen auch der internationalen Gemeinschaft, eben der Besitz von Atomwaffen, möglicherweise auch so verlässlich zu verhandeln, dass es funktioniert.
    Zurheide: Es steht ja die Grundfrage im Raum. Es gibt politische Veränderungen im Iran – oder frage ich Sie das mal: Sehen Sie diese politischen Veränderungen im Iran, gerade jetzt in der jüngeren Vergangenheit von Ahmadinedschad zu dem, was jetzt da ist? Ich formuliere das bewusst so offen.
    Mützenich: Das ist richtig. Ich glaube, man muss schon feststellen, dass Rohani, die Regierung Rohani eine andere ist als die Ahmadinedschads. Aber auf der anderen Seite dürfen wir auch nicht vergessen: Dieses System ist kompliziert, man könnte auch sagen, pluralistisch. Aber auf der anderen Seite hat Rohani doch ein großes Interesse und scheint auch den religiösen Führer davon überzeugt zu haben, dass diese Verhandlungen notwendig sind, damit Iran auch eine wirtschaftliche und soziale Zukunft im Inneren hat. Und Iran hat ja auch erlebt, als Ahmadinedschad damals wiedergewählt wurde, die Proteste, die Situation im Inneren und dass es nicht einfach ist, und die Situation an den Außengrenzen des Irans bewegt natürlich noch mehr, dass im Inneren Stabilität herrscht, und das kann nur mit einer wirtschaftlichen Entwicklung auch verknüpft sein. Das wird das Interesse sein. Und auf der anderen Seite war es immer wichtig gewesen, dass die USA Türöffner für diese Gespräche sind, und das konnte erst offensichtlich die Präsidentschaft Obamas bestätigen.
    Zurheide: Auf der anderen Seite stehen dann die Sicherheitsinteressen Israels, und Sie haben vorhin mal das Stichwort Misstrauen genannt, wobei ich gerne hinzufügen würde, dass es in Israel nicht nur Misstrauen ist, möglicherweise auch politisches Kalkül von Netanjahu, der diesen Feind im Inneren wiederum braucht. Richtig beobachtet?
    "Ohne ein Abkommen ist die Sicherheit Israels weniger zu garantieren"
    Mützenich: In der Tat. Wir haben ja eben am Anfang darüber gesprochen, dass viele innenpolitische Fragen mit diesen außenpolitischen Problemen verknüpft sind, und ich sehe das in Israel auch, wenn man die Verlautbarung der israelischen Regierung, insbesondere des Ministerpräsidenten, nimmt. Unser Ansatz ist, dass wir glauben: Ohne ein Abkommen ist die Sicherheit Israels letztlich weniger zu garantieren. Und durch Überprüfung insbesondere durch die internationale Atomenergiebehörde und sozusagen das Hineinbewegen in stabilere Situationen kann auch Israel helfen. Dass das anders gesehen wird, muss man akzeptieren. Deswegen sage ich auch: Selbst wenn wir eine Verabredung schaffen, wird es eine Menge auch in den nächsten Wochen an Konflikten, an innenpolitischen, aber auch an außenpolitischen Konflikten geben.
    Zurheide: Sie haben vorhin schon mal die wirtschaftliche Lage im Iran angesprochen. Der Druck, der da ist, lautet ja eindeutig: Wenn ihr euch bei der Atomfrage bewegt, bekommt ihr wirtschaftliche Entwicklung. Das ist das Gegengeschäft. Wie schätzen Sie die Lage im Iran, die wirtschaftliche Lage ein, die dann natürlich auch immer Rückwirkungen auf die politische Lage hat? Man weiß, es ist ein Volk, wo sehr viele junge Menschen da sind, die überwiegend auch eher besser gebildet sind. Wie notwendig sind die Veränderungen im Inneren und wissen das die Führer?
    Mützenich: Das glaube ich schon. Ich glaube, sie haben es mittlerweile verstanden gehabt, dass die junge Generation, eine gut ausgebildete, eine auch sehr selbstbewusste, im Land nur gehalten werden kann, wenn es wirtschaftliche Entwicklung gibt, und das heißt natürlich auch, dass das politische System nur so gehalten werden kann. Das ist die eine Sache. Ich will aber ein bisschen davor warnen, dass die Aufhebung der Sanktionen unmittelbar zu wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt führt. Das ist eine wichtige Bedingung, aber wir dürfen nicht vergessen: Die Turbulenzen im Inneren, auch die hohe Inflationsrate, viele andere Dinge auch sind hausgemacht, insbesondere von der Regierung Ahmadinedschad, und da bedarf es durchaus eben auch andere Schritte im Inneren, einschließlich auch einer inneren Liberalisierung. Aber das wird natürlich auch wahrscheinlich von den Machthabern dort anders beantwortet werden, als ich es gerne sehen würde.
    Zurheide: Zum Schluss eine kurze Frage: Wagen Sie eine Prognose? Jetzt ist, glaube ich, Montag. Unter dem Strich: Glauben Sie, es wird eher klappen oder nicht?
    Mützenich: Ich hoffe, dass es klappt, weil unser Ansatz war immer gewesen: Wir brauchen dieses Abkommen, wir brauchen es für sicherheitspolitische Fragen. Aber wir haben damals auch im Rahmen damals der Irak-Intervention es versucht, mit diplomatischen Beziehungen es nicht zu weiteren Konflikten dort in der Region kommen zu lassen, und auch das war ein wichtiger Ansatz. Ich hoffe es sehr.
    Zurheide: Rolf Mützenich, heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich sehr für dieses Gespräch, und wir werden Sie natürlich weiter auf dem Laufenden halten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.