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Islam-Satire in Großbritannien
Zurückhaltung im Mutterland des Humors

In Großbritannien ist bereits seit August 2014 die zweithöchste Terrorwarnstufe in Kraft. Die britische Presse hält sich mit Mohammed-Karikaturen seit einiger Zeit zurück. Derweil fordert der Geheimdienstchef des Landes eine strengere Kontrolle des Internets im Kampf gegen den Terrorismus.

Von Ruth Rach | 14.01.2015
    Der britische Premier Cameron bei seiner Rede in Rocester am 28.11.2014
    Der britische Premier Cameron (picture alliance / dpa / Oli Scarff)
    Die Terrorwarnstufe bleibt auf ihrem zweithöchsten Stand, betont die britische Innenministerin Theresa May: Das bedeute, ein Terrorangriff sei sehr wahrscheinlich. Die Bevölkerung müsse wachsam sein. Die Sicherheitsbehörden müssten prüfen, was aus den Anschlägen von Paris zu lernen sei, und noch enger und noch schneller zusammenarbeiten, um sich für den Fall einer ähnlichen Attacke zu wappnen.
    Die zweithöchste Terrorwarnstufe ist schon seit August letzten Jahres in Kraft. Aber die Briten geben sich gelassen. Keep calm and carry on, scheint ihr Motto. Diese Parole aus dem Zweiten Weltkrieg war auch nach den Terroranschlägen in London im Juli 2005 viel zu hören: Ruhe bewahren und weitermachen: Und bloß keine Angst zeigen. Oder doch? In der britischen Presse beobachtet ein französischer Journalist einen bemerkenswerten Trend.
    Mediale Zurückhaltung
    Ihre Karikaturen zum Thema Islam seien auffallend respektvoll, ja geradezu ängstlich, sagt "Le Monde"-Korrespondent Eric Albert in der BBC. Kein einziges britisches Blatt habe sich in letzter Zeit getraut, einen Cartoon des Propheten Mohammed abzudrucken. Im Gegensatz zu den Zeitungen in Frankreich.
    Dabei hat gerade die britische Satire eine Jahrhunderte alte Geschichte. Politiker, Könige, Kirchenmänner, traditionsgemäß wurde jeder gnadenlos verspottet. Und nun diese plötzliche Zurückhaltung. Journalisten wie David Aaronovitch sprechen von Selbstzensur.
    Maßgebliche Redakteure würden im kleinen Kreis offen zugeben, dass sie alle Personen karikieren würden, außer den Propheten Mohammed, teilweise aus Respekt, sagte David Aaronovitch von der "Times", aber teilweise auch aus Angst, weil sie um das Leben ihrer Mitarbeiter fürchteten.
    Andere wiederum meinen, die Medien sollten eine ohnehin schon gespannte Atmosphäre nicht weiter aufheizen. Akademiker und "Guardian"-Leser Nick Darton:
    "Ein Aspekt unserer britischen Lebensart besteht auch darin, Verständnis für die Sensibilitäten einer Minderheit aufzubringen und ihre Situation nicht noch schlimmer zu machen."
    Aber nun haben mehrere Blätter in ihren Berichten über die jüngste Ausgabe von "Charlie Hebdo" doch eine Ausnahme gemacht: Sowohl im "Guardian" als auch im "Independent" ist die Titelseite mit dem Mohammed-Cartoon abgedruckt, wenn auch im Kleinformat und nur weil er, so heißt es, für die Story selbst unerlässlich sei.
    Debatte über eine Verschärfung der Anti-Terrorgesetze
    Unterdessen hat sich auch die Debatte über eine Verschärfung der Anti-Terrorgesetze wieder erhitzt. Schon Anfang des Jahres erklärte der britische Geheimdienstchef Andrew Parker, es sei unmöglich, jede Attacke zu verhindern. Die britischen Sicherheitsdienste hätten es immer schwerer, verdächtige Personen zu überwachen, die sich im Internet anonym und verschlüsselt vernetzten. Eine strengere Kontrolle des Internets sei unbedingt notwendig.
    Mit dieser Forderung rennt der Geheimdienstchef beim konservativen Premierminister David Cameron offene Türen ein.
    "Die Vollmachten, die wir brauchen, im Hinblick auf Kommunikationsdaten und auch -inhalte sind völlig vereinbar mit einer modernen liberalen Demokratie", unterstreicht der britische Premier.
    Aber er hat ein Problem. Die liberaldemokratischen Koalitionspartner lehnen eine Verschärfung der Anti-Terrorgesetze entschieden ab. Deshalb nun David Camerons Versprechen: Sollten die Konservativen die Wahlen im Mai gewinnen, wolle er ein neues Datengesetz einbringen, um Internetfirmen und Telefongesellschaften zur Speicherung und Herausgabe ihrer Kommunikationsdaten und gegebenenfalls auch -inhalte zu zwingen.
    Sein Plan stößt bei britischen Bürgerrechtlern auf heftigen Widerstand. Und nicht nur dort. Schwer vorstellbar, dass amerikanische Firmen wie Google oder Facebook bereit sind, ihre Daten ohne Weiteres herauszurücken.