Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Island im Ascheregen

Besonders die isländischen Landwirte leiden unter dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull. Der Ascheregen hat mehrere Straßen unpassierbar gemacht. Die Tiere müssen im Stall bleiben. Aus der Ruhe bringen lassen sich die Isländer davon jedoch nicht.

Von Philipp Börger | 20.04.2010
    Für Sarah aus London ist der Islandurlaub in die unfreiwillige Verlängerung gegangen. Seit Donnerstag wurden fast alle Flüge zwischen dem europäischen Festland und der weit abgelegenen Vulkaninsel abgesagt.

    "Mein Rückflug nach London-Heathrow wurde gestrichen. Ich war zwei Wochen hier und habe mir auch den Vulkan angeguckt. Da war die Eruption aber noch nicht so heftig. Wunderschöne Farben, blau, gelb, rot, alles leuchtet und wir konnten richtig nah ran. Aber wann ich jetzt zurück nach England komme, weiß ich noch nicht. Ich hoffe, bald."

    Ganz so schlimm findet Sarah ihre Situation nicht. Sie ist Studentin und hat ihre Freundin in Reykjavík besucht – bei der bleibt sie jetzt einfach ein paar Tage länger.

    Komplett eingestellt ist der Flugverkehr in Island aber nicht. Die Flüge in die USA finden statt, ebenso Inlandsflüge. Bislang wehte der Wind vergleichsweise günstig. Im Südwesten rund um die Hauptstadt Reykjavík, in der mehr als die Hälfte der rund 317.000 Isländer lebt, ist vom Vulkanausbruch bislang nichts zu merken. Im Süden und Südosten gibt es allerdings kräftigen Ascheregen. Der Landwirt Johannes Gissursasson sorgt sich um seine Tiere:

    "Ich habe nachgemessen – die Ascheschicht ist zwei Millimeter dick. Ich habe anderthalb Kilo Asche von meinem Auto gekratzt. Ich hoffe, dass es bald regnet, damit die Felder ausgewaschen werden. Die Asche hat einen hohen Fluoridgehalt und enthält außerdem Glasfragmente. Für die Kühe und die Schafe ist das gefährlich. Was glaubst du, wie weit konnten wir gestern gucken?"

    "Fünf bis sechs Meter", antwortet sein Sohn. Die Tiere müssen im Stall bleiben. Da sind sie vor dem Ascheflug aber auch nicht geschützt – der feine Staub dringt durch jede Ritze. Das isländische Fernsehen zeigt Bilder von rußgeschwärzten Schafen. Die Herde muss von Hand sauber gebürstet werden.

    Andere Tiere sind immer noch im Freien, weil sie auf den teils quadratkilometergroßen Wiesen in gebirgigem Land nicht rechtzeitig eingefangen werden konnten, sagt der Landwirt Simon Sigfusson und benutzt ein altes Sprichwort, das auch in Island bekannt ist:

    "Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker."

    Der Ascheregen hat mehrere Straßen unpassierbar gemacht. Andere sind wegen Überflutung gesperrt. Die Masse und die Wucht des Schmelzwassers sind gigantisch, denn der Eyjafjallajökull liegt unter einem Gletscher und ist normalerweise mit Schnee und Eis bedeckt.

    "Wir befürchten eine neue Flutwelle. Es scheint, als ob Steine und große Eisblöcke einen Teil des Wassers bisher zurückhalten, sodass es sich im Innern des Bergs aufstaut."

    Sagt der Vulkanexperte Armann Höshuldsson. Der Vulkanausbruch könnte allerdings noch viel schlimmere Folgen haben: einen Ausbruch des Nachbarvulkans Katla. Sein letzte Eruption im Jahr 1913 war eine der heftigsten des gesamten letzten Jahrhunderts. Möglicherweise hat der Eyjafjallajökull Katla wachgerüttelt, so die Forscherin Gudrun Larsen:

    "Strategisch betrachtet befindet sich der Eyjafjallajökull an einem ungünstigen Ort. Der jetzige Ausbruch ist gar nicht so gewaltig. Die Asche, die rauskommt, ist allerdings sehr fein, und das kann bei Menschen, Tieren und Flugzeugen Schäden anrichten."

    Rettungs- und Evakuierungspläne für Vulkanausbrüche und andere Naturkatastrophen sind in Island selbstverständlich. Die Notfallteams sind stets einsatzbereit. In einigen Schulen wird in diesen Tagen der Gebrauch von Atemschutzmasken trainiert. Die Dämpfe sind nicht giftig, können aber Augen und Atemwege reizen.

    Aus der Ruhe bringen lassen sich die Isländer davon aber nicht. Die Korruption der Politiker und Banker ist schlimmer als ein Vulkanausbruch, findet Kristín:

    "Das Leben hier ist hart, aber wir kennen Katastrophen aller Art. Wir sind trotzdem glücklich und gucken immer optimistisch in die Zukunft."