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Italien
Blinde Stellen in der Faschismus-Aufarbeitung 

Als Partisanen Benito Mussolini 1945 hinrichteten, hat Italien gleichzeitig mit seiner Vergangenheit abgerechnet. Trotzdem wurde der italienische Faschismus im Land institutionell kaum aufgearbeitet – mit politischen Folgen bis heute. 

Von Christoph Schäfer | 27.04.2020
Porträtaufnahme von Benito Mussolini in Uniform
Bis heute wurden in Italien Teile der faschistischen Herrschaft von Benito Mussolini nicht aufgearbeitet (picture alliance / dpa)
Rund einhundert Menschen versammeln sich in Predappio, einer Stadt in der norditalienischen Provinz Emilia-Romagna – und Geburtsort des italienischen Diktators Benito Mussolini. Viele der Anwesenden sind schwarz gekleidet, manche von ihnen uniformiert. Sie sind gekommen, um ihres ‚Duce‘ zu gedenken - vor seiner Familiengrabstätte. Ein Reporter der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" hat die Versammlung im Juli 2019 gefilmt.
"Camerato Benito Mussolini! Presidente!"
Sie bezeichnen sich selbst als Faschisten und faschistische Nostalgiker. Einzelne von ihnen heben ihren rechten Arm zum römischen Gruß – ein in Italien verbotenes faschistisches Zeichen.
Nicht nur zu Mussolinis Geburtstag sind solche Zusammenkünfte von Faschisten in Predappio zu beobachten. Auch zu seinem Todestag am 28. April kommen sie jährlich für gewöhnlich zusammen. Aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen wurde die Gedenkveranstaltung für dieses Jahr allerdings offiziell abgesagt.
Wissenschafts- und Kulturinstitute unter Mussolini
Mussolini wollte Italiens Wissenschaften und Kultur fördern. Dennoch waren die zahlreichen Institute, nie völlig ideologisch durchdrungen.
Für den anhaltenden Mussolini-Kult sieht der italienische Historiker Carlo Gentile folgenden Grund:
"Dieser Wunsch nach vermeintlich heiler Welt - das ist sehr verbreitet und führt dazu, dass man sich in solche Träumereien flüchtet: ‚Früher war alles besser‘."
Gentile lehrt an der Universität zu Köln und setzt sich unter anderem mit dem faschistischen Italien auseinander. Mussolini-Anhänger, das seien Nostalgiker ebenso wie politisch Überzeugte, meint er.
Dass ein öffentlicher Kult um Benito Mussolini überhaupt existiert, hängt laut Gentile mit der bruchstückhaften Aufarbeitung des Faschismus in Italien zusammen:
"Vieles ist sehr partikular aufgearbeitet worden, sodass sich Subkulturen entwickelt haben. Anders als in Deutschland, wo durch die Abfolge der Generationen das Geschichtsbild, die Ablehnung der nationalsozialistischen Vergangenheit immer mehr Konsens findet."
Die Erschießung Mussolinis durch Widerstandskämpfer noch während des Zweiten Weltkriegs sei zwar ein Akt der Abrechnung mit dem Faschismus gewesen. Eine ausführliche institutionelle Aufarbeitung habe es aber kaum gegeben, wie Gentile bestätigt.
Zu Anfang: "Mussolini stand sehr weit links"
Dabei steht auch international unter vielen Historikerinnen und Historikern fest: Bei Mussolini handelt es sich um den ersten Faschisten Europas, der im 20. Jahrhundert mit seinem Regime autoritäre und totalitäre Staaten wie Nazi-Deutschland beeinflusst hat. Ausgangspunkt für seinen Faschismus war dabei allerdings eine linke Politisierung nach seiner Geburt 1883:
"Mussolini stand sehr weit links. Er gehörte zum revolutionären Flügel der Sozialistischen Partei."
Hans Woller, Münchner Zeithistoriker und Autor einer Mussolini-Biografie. Schon in seinem linken Umfeld wurde der spätere Diktator als "Duce" bezeichnet – als Führer.
Von Karl Marx übernahm Mussolini das Ziel einer Revolution im konstitutionell monarchischen Italien. Den Ersten Weltkrieg verstand er dabei als hilfreich, wie Woller beschreibt:
"Er wollte partout den Kriegseintritt Italiens, weil er im Krieg sozusagen einen Brandbeschleuniger für die Revolution gesehen hat. Und da kam es zum Bruch mit den Sozialisten. Die Sozialisten haben ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt."
Italiens unkritischer Umgang mit der Kunst des Faschismus
Nach deutschem Vorbild sollte das Kulturschaffen auch in Italien vereinheitlicht werden. Die Geschichte des Preises wird jetzt in einer erstaunlich unkritischen Ausstellung nachgezeichnet.
Mussolini kämpfte im Ersten Weltkrieg mit. Nach der Absetzung bei den Sozialisten blieben ihm seine Zeitung "Il Popolo d’Italia", die er laut Woller nur mit Geldern aus rechten Kreisen finanzieren konnte, und seinen Revolutionsgedanken.
Er wurde Nationalist und näherte sich den "fasci di combattimento" an – rechtsgerichteten Verbänden von italienischen Kriegsteilnehmern. Sie forderten eine autoritäre Regierung und eine Revision der Friedensverträge von Versailles - zugunsten Italiens.
Hans Woller sagt dazu: "Das waren wilde, letztlich zu allem entschlossene Kerle mit keinerlei Skrupel. Das waren die Squadristen oder die Schwarzhemden. Die waren das wichtigste politische Kapital für Mussolini, und Mussolini hat dieses Kapital eingesetzt."
Eingesetzt, um die autoritären und nationalistischen Forderungen der Schwarzhemden und seine eigenen umzusetzen: Sie wollten den Staat lenken, ihrem Vaterland zu Ruhm verhelfen und es im Innern gegen linke Kräfte beschützen.
Nach dem Ersten Weltkrieg fand sich Norditalien im Klassenkampf und in sozialistischen Massenstreiks wieder. Um seinen innenpolitischen Einfluss zu vermehren, suchte Mussolini auch die Nähe zu Großindustriellen und Agrariern im Kampf gegen aufbegehrende Arbeiter.
1921 bildete sich aus den faschistischen Kampfverbänden eine Partei, der Partito Nazionale Fascista, Mussolini war einer ihrer Köpfe.
Der Marsch auf Rom blieb aus
Die Faschisten breiteten sich in Norditalien aus, Mussolini setzte sie als Erpressungsmittel ein: Bekäme er nicht die Macht, gäbe es einen militärischen Marsch auf Rom. Als er am 27. Oktober 1922 seine Truppen mobilisierte, knickte König Viktor Emanuel III. ein: Er berief Mussolini zum Ministerpräsidenten – und überging dabei das Parlament. Daraufhin blieb ein Marsch der Faschisten durch die Hauptstadt aus.
Als Ministerpräsident behielt Mussolini Monarchie und Parlament zwar institutionell bei, schuf aber ein neues Staatsorgan, den sogenannten Faschistischen Großrat. Damit legte er eine Blaupause für autoritäre Staaten in und teils außerhalb Europas vor, erklärt Marco Tarchi, Politologe an der Universität Florenz.
"Der italienische Faschismus stellte sicherlich bis Anfang der 1930er Jahre das einzige Modell dar, auch in der politischen Bildung."
Im europäischen Vergleich rechtsextremer Kräfte verwundere eines:
"Zum italienischen Faschismus wurde nie eine Theorie zur Ideologie formuliert."
Tarchi stellt die Nation, die nach Höherem strebt, als ein ideologisches Merkmal heraus. Der Historiker Woller führt aus:
"Es ging Mussolini und den Faschisten um eine Art anthropologische Revolution, die nicht allein auf Italien zielte, sondern die sich auf die arische Rasse bezog, die in den Augen Mussolinis und der Faschisten bedroht war."
Zudem benennt der Münchner Zeithistoriker als Merkmale: Imperialismus und territoriale Expansion sowie Rassismus und Antisemitismus. Dennoch handele es sich um keine kohärente Ideologie, sagt der in Köln forschende Carlo Gentile:
"Es ist auch typisch für diese Art von politischen Bewegungen, dass sie sich Elemente nach Gusto suchen - und vor allem solche Elemente, die, wie sie meinen, einen möglichst großen Konsens bringen würden."
Mussolinis Antisemitismus
Gentile sieht etwa in Mussolinis Antisemitismus vor allem ein Zeichen von Opportunismus – Judenhass sei in vielen Gesellschaften Europas verankert gewesen, also habe er ihn einfach aufgegriffen.
"Es besteht kein Zweifel daran, dass Mussolini auch bis zu einem gewissen Grad antisemitisch gewesen ist. Aber das hatte ihn bis in die dreißiger Jahre hinein wenig interessiert."
Bis nämlich in Nazi-Deutschland Rassengesetze erlassen wurden und Mussolini ebenfalls einen Feind im Staatsinnern suchte, um seine Anhänger weiter zu mobilisieren.
Auch in Italien wurden 1938 Rassengesetze eingeführt. Wobei es Mussolini laut Hans Woller dabei zunächst nicht um die Vernichtung, sondern um die Vertreibung von Juden gegangen ist. Eine Verantwortung am Mord von Juden trägt Mussolini aber sehr wohl, wie Gentile herausstellt: Ab 1943 wurden rund 10.000 Juden in Italien verhaftet und deportiert, die meisten von ihnen starben in Konzentrationslagern, etwa in Auschwitz, wie er betont.
Ein Souvenir-Shop verkauft Büsten von Mussolini und Hitler und präsentiert sie im Schaufenster - Verherrlichung des Faschismus im Geburtsort von Mussolini, Predappio, Emilia-Romagna, Italien.
Wie Mussolini gerne gesehen worden wäre
Forscher haben im Mussolini-Obelisk in Rom eine Botschaft des früheren italienischen Diktators an die Nachwelt wiederentdeckt und rekonstruiert.
Gerade im Vergleich zum deutschen Nationalsozialismus ist den Historikern aufgefallen, wie ideologisch flexibel der italienische Faschismus gewesen - und wie offen Mussolinis Feindbild gewesen sei. Zwei Faktoren hat der Politologe Marco Tarchi als Grund erkannt:
"In Italien blieb es bei einem autoritären Regime aufgrund der Präsenz von Monarchie und der katholischen Kirche, während in Deutschland ein totalitäres Regime aufgebaut wurde."
Was die "Achse Rom-Berlin" allerdings nicht beschädigte, die Mussolini in seiner Rede 1937 im Berliner Olympia Stadion betonte:
"Der Besuch, den ich Deutschland und seinem Führer mache, die Rede, die ich jetzt vor euch halte, bedeuten einen wichtigen Punkt im Leben unserer beider Völker!"
Die Allianz Rom-Berlin beruhte laut Gentile auf Machstreben und Expansionsgedanken:
"Das Erbe des Ersten Weltkriegs zu revidieren, der Status quo zu revidieren. Man fühlte sich nach dem Ersten Weltkrieg um den eigenen Sieg betrogen. Man hatte viele der Gebiete, die man beanspruchte, nicht bekommen, und man hatte auch keinen angemessenen Anteil aus Sicht der italienischen Nationalisten an den Kolonien gehabt."
"Mussolini brauchte Hitler, um seine imperialen Ambitionen durchsetzen zu können", ergänzt Hans Woller: "Hinzu kamen dann aber im Laufe der Zeit immer stärker werdende verwandtschaftliche Gefühle ideologischer Natur in Bezug auf die Schaffung einer rassistischen, homogenen Volksgemeinschaft, in Bezug auf Gewalt. Und das ist das entscheidende Verwandtschaftsgefühl: in Bezug auf Expansion und territorialen Zugewinn."
Italiens Kriegseintritt
Die Achse wurde bis 1940 so stark, dass Italien Deutschland in den Zweiten Weltkrieg folgte. Benito Mussolini verkündete die Entscheidung am 10. Juni 1940 auf dem Balkon des Palazzo Venezia in Rom einem jubelnden Volk – und erklärte Frankreich und Großbritannien den Krieg:
Doch war Italien auf einen Krieg gar nicht vorbereitet, betonen die Forscher Gentile und Woller: Nicht nur waren die Rüstungskonzerne zu schwerfällig – die Rüstungsausgaben in den Folgejahren waren sogar rückläufig.

Mit der Invasion der Alliierten auf Sizilien im Juli 1943 verlor Mussolini innenpolitisch jeglichen Halt – der faschistische Großrat setzte ihn als Ministerpräsident ab, und der König ließ ihn anschließend verhaften. Als sicherer Haftort galt letztlich ein Sporthotel im Gebirge Gran Sasso in Mittelitalien. Doch dort konnten Fallschirmtruppen der Nazis Mussolini befreien. Auf Anweisung Adolf Hitlers übernahm Mussolini am Gardasee die Führung einer "Italienischen Sozialrepublik", auch Republik von Salò genannt, die ihm wenigstens in Nord- und Mittelitalien noch Macht sichern sollte.
Die Alliierten rückten von Süden vor, die Deutschen hielten sie nicht auf. Mussolini versuchte zu fliehen, doch die Widerstandskämpfer fassten ihn am 28. April 1945 und hängten ihn mit weiteren Faschisten auf dem Piazzale Loreto in Mailand auf.
Dass damit das Kapitel Faschismus im Wesentlichen als abgeschlossen galt, begründet der Historiker Carlo Gentile mit dem gelähmten politischen System und der politischen Kontinuität: Zu viele Beamte, die an Verbrechen beteiligt gewesen seien, hätten auch nach dem Krieg eine Funktion gehabt. Außerdem:
"…auf der anderen Seite gab es nach 1943 bis 45 durch den Kampf der Resistenza ein Bewusstsein, dass sich Italien selbst befreit hat und dadurch im Vergleich zu Deutschland eine ganze andere Arbeit geleistet hat."
Adolf Hitler (2.v.l.) und der italienische Ministerpräsident und Duce Benito Mussolini (r), aufgenommen am 15.06.1938 in Rom.
Adolf Hitler und Benito Mussolini schmiedeten gemeinsam die Achse Rom-Berlin (picture-alliance/ dpa / LaPresse Archivio Storico)
Aufarbeitung des Faschismus in Form der Verfassung
Es habe keine echte öffentliche, kritische Debatte über die Verbrechen des italienischen Faschismus gegeben. Die Folge:
"Es gibt in Italien, vor allem in Bezug auf die faschistische Vergangenheit, kein einheitliches Geschichtsbild."
Formaljuristisch erfolgte eine Aufarbeitung des Faschismus in Form der Verfassung: Sie verbietet etwa die Neugründung der faschistischen Partei Mussolinis. Weitere Gesetze gegen die Verherrlichung des Faschismus existieren seit 1952 und 1993. Sie verbieten faschistische Gesten, Handlungen und Parolen. Faschismusexpertin Anna Foa räumt jedoch ein:
"Es gibt Gesetze gegen die Verherrlichung des Faschismus, des Rassismus. Aber sie werden kaum angewandt, nur in sehr seltenen Fällen."
Die pensionierte Historikerin von der römischen Universität La Sapienza vermutet:
"Faschistische Aggressionen, Gewalt, auch insbesondere die Bedrohung über das Internet werden als folkloristisches, nicht als gefährliches Phänomen betrachtet."
Auch der Politologe Tarchi schreibt solchen faschistischen Gruppierungen in der italienischen Gesellschaft eine geringe Bedeutung zu. Er vermutet, ein härteres Vorgehen gegen sie sei nicht ratsam:
"Sie aufzulösen schafft eine Art Viktimisierung, man würde wahrscheinlich riskieren, dadurch mehr oder weniger gewalttätige oder terroristische Gruppen zu fördern."
Casa dei Ricordi zwischen Predappio und Forlì – das Haus der Erinnerungen. Dort, wo die Mussolinis Frau Rachele Mussolini bis 1979 lebte ist ein Kultort mit unzähligen Erinnerungsstücken entstanden.
Mussolini-Kult in Italien
Die gründliche historische Aufarbeitung der Verbrechen des faschistischen Regimes hat in Italien erst in den 1990er-Jahren begonnen – und steht in vielen Bereichen und Regionen noch aus.
Juristisch kaum aufgearbeitet wurden deutsche und italienische Kriegsverbrechen in Italien, sagt Anna Foa:
"Es gab keine volle Aufarbeitung in Italien, was der Faschismus gewesen ist, was seine Fehler waren. Der Faschismus war nicht nur ein negatives Phänomen durch den Krieg und die Rassengesetze."
Dies gelte auch für italienische Kriegsverbrechen im Ausland, etwa in Griechenland und dem heutigen Äthiopien. Hans Woller:
"Es gibt also unendlich viele blinde Stellen im Geschichtsbild der Italiener, und in diesen Blindstellen konnten sich natürlich viele, viele Legenden über Mussolini einnisten und halten."
Die wiederum eine Verharmlosung des Faschismus begünstigen können: Etwa, dass Italien unter dem Diktator zu einer Großmacht geworden sei oder erstmals Formen eines Sozialstaats angenommen habe.
Es waren und sind führende italienische Politiker im In- und Ausland, die zu solchen Verharmlosungen beitrugen. So nahm Silvio Berlusconi die Partei Alleanza Nazionale – eine umbenannte neofaschistische Partei aus der Nachkriegszeit mit faschistischem Symbol im Parteilogo – 1995 in seine erste Regierung mit auf. An die Kontroversen, die das auslöste, erinnert sich Politologe Marco Tarchi.
"Die spätere Geschichte der Alleanza Nazionale hat gezeigt, dass die Trivialisierung der faschistischen und dann neofaschistischen Erfahrung zunächst von innen kam. So sah Berlusconi die Chance, sich mit dieser politischen Kraft zu verbünden, denn bis dahin hatten sie jeden Versuch, ein autoritäres Regime oder so etwas aufzubauen, weitgehend aufgegeben."
Noch heute verharmlosende Rhetorik
Auch eine Verharmlosung durch Rhetorik ist zu beobachten – durch Berlusconi oder jüngst durch seinen Parteikollegen Antonio Tajani, bis Juli 2019 Präsident des Europaparlaments. Im März 2019 äußerte er in einem Radio-Interview des Privatsenders Radio24, Mussolini habe auch gute Taten vollbracht:
"Bis er der gesamten Welt den Krieg erklärt hat und Hitler folgte, bis er die Rassengesetze verabschiedete, hat er auch gute Dinge getan."
…etwa Straßen, Brücken und Sportanlagen zu bauen. Nach Kritik aus dem Europaparlament verteidigte sich Tajani über Twitter, hob den Faschismus als dunkelstes Kapitel der italienischen Geschichte hervor, und sah seine Aussagen manipuliert.
Wenige Wochen später, kurz vor der Europawahl 2019, setzte auch der rechtsradikale Politiker Matteo Salvini in seinem Wahlkampf ein sehr deutliches Zeichen: Er hielt eine Rede auf jenem Balkon in der Kleinstadt Forlì, den zuletzt Mussolini für politische Reden betreten hatte.
Der Historiker Woller erkennt an Politikern wie Berlusconi und Salvini zunächst einmal ein geringes Geschichts-Interesse. Seiner Meinung nach nutzen sie faschistische Symbole vor allem, um am rechten Rand Wählerstimmen zu gewinnen. Er mahnt jedoch:
"Sie als Faschisten zu bezeichnen oder in die faschistische Kontinuität zu stellen, das wäre vollkommen übertrieben, und das würde letztlich auf eine Verharmlosung des Faschismus hinauslaufen."
Für ihre Popularität müssten Ursachen und Probleme der Gegenwart betrachtet werden.
Gegen Verharmlosung durch Rhetorik hilft laut Anna Foa nur:
"Daran zu erinnern, dass die Diktatur etwas absolut Negatives ist. Dafür kämpfen, dass die Demokratie den anderen respektiert. Und dies muss bekannt und in jeder Hinsicht angewandt werden."