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Italien
Wut über Chemiewaffentransport

Der kleine Ort Gioia Tauro im Süden Italiens ist für seinen Containerhafen bekannt. Besonders die örtliche Mafia wickelt hier viele ihrer illegalen Geschäfte ab. Die Einwohner ärgern sich nun aber über die Regierung: Die hat hier syrische Chemiewaffen verladen lassen.

Von Karl Hoffmann |
    Ein blaues großes Schiff liegt vor einem Hafen, flankiert von zwei kleineren Schlepperschiffen.
    Das dänische Schiff Ark Futura, beladen mit syrischen Chemiewaffen, beim Einlaufen in den italienischen Hafen Gioia Tauro. (dpa/picture alliance/Franco Cufari)
    In der kleinen Bar am herrlichen Sandstrand von Gioia Tauro gab es zuletzt nur noch ein Thema: das Schiff mit den Chemiewaffen:
    "Wir Schüler haben protestiert."
    "Ja", bestätigt die Mutter, "wir haben sogar einen Fackelzug veranstaltet. Wir haben Angst vor diesem Schiff. "
    Im Rathaus von San Ferdinando, auf der anderen Seite des gigantischen Containerhafens schimpft Bürgermeister Domenico Madafferi wie ein Rohrspatz.
    "Ich bin so was von wütend! Weil die Regierung ihr Versprechen nicht eingehalten hat. Kein Wunder, dass meine Bürger hier nun tief enttäuscht sind. Wieder mal haben wir erfahren, dass die da oben immer machen was sie wollen."
    Verärgerte Hafenarbeiter
    Die Zustimmung für die Giftgasaktion im Hafen in seiner Gemeinde gab Bürgermeister Madafferi Anfang dieses Jahres nur gegen das Versprechen der Regierung, etwas für die brachliegende heimische Wirtschaft zu tun.
    "Sie hat gesagt: Ja, wir setzen uns an einen Tisch und dann besprechen wir geeignete Maßnahmen. Nichts dergleichen. So sieht es aus."
    Die Giftwaffen kamen ohne Gegenleistung für die Anlieger in den Hafen, wurden aufwendig umgeladen und sind inzwischen auf hoher See, wo sie in den nächsten zwei Monaten unschädlich gemacht werden sollen. Nach der Entwarnung bleibt ein übler Nachgeschmack in Gioia Tauro. Zum Beispiel bei den Hafenarbeitern. Sagt Giovanni:
    "Wir waren jetzt praktisch zwei Tage arbeitslos. Das heißt, alle, bis auf die paar Dutzend Kollegen, die die Giftcontainer befördert haben." - "Ihr bekommt also weniger Geld?" - "Klar, nur Arbeitslosengeld für die ausgefallenen Tage."
    Von der Kanzel aus gab auch der Gemeindepriester Don Antonino Entwarnung, aber Giftgas in Gioia Tauro, das sei nicht das wirkliche Problem in seinem Ort:
    "Es fehlt am zivilisierten Zusammenleben und an einer funktionierenden Verwaltung. Ab und zu fallen bei uns Schüsse. Was ist das für eine Art von Umgang miteinander, wenn man auf Läden und Häuser ballert."
    "Hafen ist in der Hand der 'Ndrangheta"
    Gewalt, die Angst macht. Die Sprache der 'Ndrangheta, der örtlichen Mafia. Die auch vor dem Containerhafen nicht Halt macht. Alessia Lodato verfolgt seit Jahren die juristischen Ermittlungen gegen die örtliche Mafia:
    "Eigentlich ist die Entscheidung der Regierung, die Giftwaffen nach Gioia Tauro bringen zu lassen, absolut unverständlich. Die Parlamentskommission, die sich mit der Mafia befasst, hat klar gesagt, dass der Hafen in der Hand der 'Ndrangheta und deshalb außer Kontrolle ist. Es ist allgemein bekannt, dass Gioia Tauro ein Umschlagplatz für alle möglichen illegalen Waren ist, Kokain aus Südamerika, illegale Einwanderer, Waffen und Giftmüll. All das ist ein offenes Geheimnis und trotzdem lässt man auch noch die Chemiewaffen hierher transportieren."
    "Allen Dreck bringen sie zu uns"
    Die Befürchtung ist, dass die Bosse aus eigenem Interesse für Ruhe während der Umladung der Giftgascontainer gesorgt haben. Weil sich dieses System offenbar bewährt hat, könnte die gestrige Aktion nur der Auftakt für künftige legale Gifttransporte sein. Und deshalb bleibt in Gioia Tauro die Angst zurück, auch wenn die Giftfässer inzwischen den Hafen verlassen haben.
    "Allen Dreck bringen sie zu uns, Klärschlamm und Müllverbrennung. Wissen Sie, wie viele Leute hier neuerdings an Krebs sterben? Überall in Gioia Tauro bekommen die Leute einen Tumor. Dann leben sie noch drei Monate lang und sind mausetot. Wir haben doch schon genug Umweltgifte in Gioia Tauro, jetzt bringen sie uns auch noch die chemischen Waffen."