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Jemen
"Originär lokaler Konflikt"

Bei den Auseinandersetzungen im Jemen handele es sich nicht um einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, sagte Ariela Groß, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen, im Deutschlandfunk. Sie rechnet damit, dass die Huthi-Rebellen an den Verhandlungstisch zurückkehren werden.

Ariela Groß im Gespräch mit Jürgen Liminski | 28.03.2015
    Huthi-Rebellen in der jemenitischen Stadt Sanaa im September 2014
    Huthi-Rebellen in der jemenitischen Stadt Sanaa im September 2014 (imago stock&people)
    Jürgen Liminski: Frau Groß, die schiitischen Huthi-Rebellen werden vom Iran unterstützt. Die wahabitischen Saudis gelten als die Fundamentalisten unter den Sunniten. Kämpfen dort jetzt Radikale gegen Fundamentalisten?
    Ariela Groß: Na ja, so schwarz und weiß ist natürlich die Lage im Jemen nicht. Sicherlich spielt die Unterstützung des Irans eine Rolle und natürlich spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass dort Sunniten und Schiiten, dass Saudi-Arabien als Symbol der Sunniten und der Iran als Symbol der Schiiten jetzt aufeinanderprallen. Aber so einfach ist das im Jemen leider nicht.
    Liminski: Kann man von einem Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten, ähnlich wie in Syrien sprechen?
    Groß: Nein, das kann man im Falle des Jemen nicht. Im Jemen geht es originär um einen lokalen Konflikt, um einen politischen Konflikt, bei dem es um den Zugang zu Macht und Ressourcen geht. Den Huthis, den Rebellen, die ja den Jemen jetzt in den letzten Monaten eingenommen haben, denen ging es originär vor allem um mehr Mitbestimmung und um mehr Zugang zu Ressourcen. Die konfessionelle Komponente ist erst durch den Import radikaler sunnitischer Ideen aus Saudi-Arabien hinzugekommen, sodass sich der Konflikt erst im Laufe der Zeit konfessionalisiert hat.
    Liminski: Um welche Ressourcen geht es, wenn Sie von Ressourcen sprechen? Öl?
    Groß: Es geht um Infrastruktur zum Beispiel als Ressource. Die Huthis stammen aus dem Nordosten. Und diese Region ist eine äußerst vernachlässigte Region, was zum Beispiel staatliche Infrastruktur betrifft. Die Huthis sind als Bewegung entstanden, die sich gegen wirtschaftliche, gegen soziale Marginalisierung gewendet haben. Und erst als dann man versucht hatte, dieser Bewegung Einhalt zu gebieten, ist dann eine konfessionelle Komponente hinzugekommen und eine Identifikation mit dem konfessionellen Hintergrund.
    Liminski: Sie sprachen eingangs auch von der Unterstützung des Irans. Wie drückt sich die aus?
    Groß: Der Iran unterstützt die Huthi-Rebellen in Form von Waffenlieferungen und in Form von Finanzmitteln. Da, denke ich, kann man von ausgehen. Der Iran unterstützt aber die Huthi-Rebellen nicht in derselben Form wie zum Beispiel der Iran die libanesische Hisbollah unterstützt, also auch in ideologischer Hinsicht, in moralischer Hinsicht. Da ist, glaube ich, immer noch ein großer Unterschied zwischen den Huthi-Rebellen und der libanesischen Hisbollah. Man kann, denke ich, sagen, da die Huthi-Rebellen vom Iran unterstützt werden, aber nicht vom Iran gesteuert werden.
    Liminski: Wie versöhnlich sind denn die Bergstämme der Huthis? Wie kann man sie irgendwie für Friedensgespräche gewinnen?
    Groß: Ich glaube, trotz allem militärischen Auftreten der Huthis ist es den Huthis doch letztlich bewusst, dass sie den Jemen nicht alleine regieren können. Der Jemen als Land oder der Jemen in seiner Zusammensetzung aus verschiedenen Stämmen, aus verschiedenen Gruppierungen muss von Allianzen regiert werden. Ich denke, dass die Huthis das früher oder später auch erkennen werden und dass sie dann über dieser Erkenntnis auch an den Verhandlungstisch zurückkehren werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.