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Journalismus in Osteuropa
Neue Strategien und Förderprogramme gefragt

In Russland wurden Gesetze verabschiedet, die darauf abzielen, kritische Stimmen verstummen zu lassen – eine Entwicklung, die auch in anderen osteuropäischen Staaten erkennbar wird. Stiftungen im Westen fragen sich, ob die bisherige Förderpraxis für unabhängigen Journalismus noch wirken kann.

Von Gesine Dornblüth | 04.02.2022
Wladimir Putin spricht im Rahmen der Endjahres-Pressekonferenz mit Journalisten.
Russische Journalisten kann alleine schon die Teilnahme an einem Weiterbildungsseminar in Schwierigkeiten bringen, welches aus dem Ausland finanziert wurde. Es besteht die Gefahr, dass sie zu „ausländischen Agenten“ erklärt werden. (imago images/ITAR-TASS)
Ein Seminarraum in einer deutschen Großstadt. Journalistinnen und Journalisten aus Osteuropa diskutieren über die Möglichkeiten, die ihnen in ihren Ländern geblieben sind. Sie kommen aus Russland, Belarus, Aserbaidschan, der Ukraine. Die Journalisten tagen hinter verschlossenen Türen. Das hat Gründe: Russische Nichtregierungsorganisationen und sogar russische Staatsbürger zum Beispiel, die politisch tätig sind – und das sind Journalisten – kann allein schon die Teilnahme an einem aus dem Ausland finanzierten Seminar in Schwierigkeiten bringen. Die russischen Behörden können sie zu sogenannten „ausländischen Agenten“ erklären. Abgesehen vom Glaubwürdigkeitsverlust für Journalisten, der damit einhergeht – mit diesem Label sind dramatische bürokratische Auflagen verbunden. Und bei Verstößen gegen diese Auflagen droht im schlimmsten Fall Gefängnis.

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„Ob ich zum ausländischen Agenten erklärt werde, weil ich hier her gekommen bin? Ich kann es nicht ausschließen. Wir leben alle mit dem Risiko. Von den Kollegen, die in Russland geblieben sind, sind viele vorsichtig im Umgang mit dem Westen, und das ist verständlich“, sagt einer der Teilnehmer, Dmitrij Treschjanin. Er arbeitet für die russische Plattform „Mediazona“. Das Portal berichtet über Gerichtsprozesse, die Lage im russischen Strafvollzug, Angriffe auf die Pressefreiheit in Russland. Im September erklärten die russischen Behörden „Mediazona“ zum „Ausländischen Agenten“. Treschjanin selbst hat das Land verlassen, er lebt in Tschechien und fühlt sich dementsprechend sicher genug, um ein Interview zu geben. Doch ein Rest Unbehagen bleibt.

„Bei der Konferenz war ein Mann im Publikum, der eine Organisation vertritt, die in Russland für unerwünscht erklärt wurde. Er hat eine Frage gestellt. Zum Glück war sie nicht an mich gerichtet. Ich habe auf der Bühne gesessen und gedacht: Wenn ich ihm jetzt auf seine Frage antworte, kann das dann als Zusammenarbeit mit einer unerwünschten Organisation interpretiert werden? Und könnte das vielleicht als Vorwand dienen, um dann in Russland ein Strafverfahren gegen mich einzuleiten? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Aber wenn sie so etwas gegen mich verwenden wollen, dann tun sie das natürlich.“

Einschüchterung per Gesetz


Viele der repressiven Gesetze, die in letzter Zeit in Russland verabschiedet wurden, zielen darauf, kritische Staatsbürger einzuschüchtern. Mit Erfolg. Die Verunsicherung ist groß. Der russische Friedensnobelpreisträger 2021, Dmitrij Muratow, Chefredakteur der russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, hat sein Preisgeld gemeinnützigen Organisationen gestiftet, statt es zu behalten oder für die Redaktion zu verwenden. Eine edle Geste, aber auch ein bisschen Notwehr. Denn auch hier drohte das Damoklesschwert: Die Stigmatisierung als „ausländischer Agent“. Stiftungen im Westen fragen sich daher zunehmend, ob die bisherige Förderpraxis so noch sinnvoll ist; ob Preisgelder, Fortbildungen, Praktika mutigen Journalistinnen und Journalisten wirklich helfen. Ein „Weiter so“ – das gehe nicht, sagt Ane Tusvik Bonde. Sie arbeitet für die norwegische Stiftung „Human Rights House“ und gehört einer Jury an, die alljährlich die „Free Media Awards“ vergibt. Mit diesem Preis zeichnen die „ZEIT-Stiftung“ in Hamburg und die norwegische Stiftung „Fritt Ord“, Freies Wort, unabhängige Journalistinnen und Journalisten in Osteuropa aus.
Blick in den Regie-Raum während der Live-Übertragung von Wladimir Putins Pressekonferenz zum Jahresende – am 23.12.2021
Blick in den Regie-Raum während der Live-Übertragung von Wladimir Putins Pressekonferenz zum Jahresende – am 23.12.2021 (imago images/ITAR-TASS)


„Zur letzten Verleihung der „Free Media Awards“ sind einige der Preisträger gar nicht gekommen, besonders die, die zu „ausländischen Agenten“ erklärt worden sind. Sie fürchten das Rampenlicht. Früher hat es sie dagegen geschützt.“

Gleichzeitig steht für Bonde fest:

„Das Wichtigste ist, nicht nachzulassen, nach dem Motto: Jetzt ist alles so schwierig geworden, wir sollten aufhören, die Zivilgesellschaft in Russland zu unterstützen. Ich denke, Unterstützung ist im Gegenteil heute noch wichtiger als früher.“

Die Bundesregierung als Förderer von unabhängigem Journalismus

Zu den größten Förderern von unabhängigem Journalismus in Osteuropa gehört die Bundesregierung, die alte wie die neue. Im Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und Grüne im Kapitel „Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt“ festgehalten:

„Zivilgesellschaften – insbesondere Journalistinnen, Aktivisten, Wissenschaftlerinnen und andere Menschenrechtsverteidiger – sind unverzichtbar für den Aufbau und Erhalt funktionierender Gemeinwesen. Wir verpflichten uns, diese Menschen und ihre Arbeit in besonderer Weise zu stärken und zu schützen.“

2014 hat das Auswärtige Amt ein Programm zum Ausbau der Zusammenarbeit gestartet, mit den Zivilgesellschaften in Russland und in den Ländern der Östlichen Partnerschaft: also in Belarus, der Ukraine, der Republik Moldau und den drei Südkaukasus-Staaten. Seitdem sind jährlich zweistellige Millionenbeträge in dieses Programm geflossen. 2021 waren es 18,6 Millionen Euro. Jeweils etwa ein Fünftel der geförderten Projekte widmete sich dem Auf- und Ausbau von Informations-, Meinungs- und Medienvielfalt. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es:

„Der Schutz der Presse- und Medienfreiheit ist zentral für die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik.“

Stefanie Schiffer leitet den „Europäischen Austausch“. Die Organisation arbeitet im zivilgesellschaftlichen Bereich und kooperiert mit vielen Akteuren in Osteuropa, gefördert unter anderem vom Auswärtigen Amt. Schiffer ist froh, dass die Bundesregierung die Hilfe für die osteuropäischen Zivilgesellschaften intensiviert hat. Aber:

„Wir müssen tatsächlich sehen, wie hat sich die Lage verändert. Inzwischen haben wir eine sehr konfrontative politische Lage mit dem Kreml, der aggressiv nach außen und repressiv nach innen agiert. Wir haben in Belarus ein vom Kreml unterstütztes diktatorisches Regime, das seine besten Bürgerinnen und Bürger aus dem Land drängt und die anderen, die nicht gehen wollen, in die Gefängnisse bringt. Also müssen wir auch schauen, dass wir die Zivilgesellschaft zielgerichtet, nachhaltig und politisch durchdacht und strukturiert unterstützen. Diese Strukturiertheit und diese Zielgerichtetheit sehe ich im Moment nicht.“
Das Diagramm zeigt die Rangliste der zehn Länder mit der geringsten Pressefreiheit.
Das Diagramm zeigt die Rangliste der zehn Länder mit der geringsten Pressefreiheit. (Statista.de / Reporter ohne Grenzen)
Gemeinsam mit der „Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde“, der Belarusischen Diaspora-Vereinigung „Razam“ und sechs weiteren NGOs hat der „Europäische Austausch“ dem Bundestag und der Bundesregierung Empfehlungen geschickt: „Für eine nachhaltige Demokratieförderung in der Östlichen Nachbarschaft und der Russischen Föderation“.
Die Autoren fordern, die bestehenden Förderprogramme angesichts der immer engeren Spielräume in den autoritär regierten Ländern zu überdenken und zu aktualisieren.

Um zivile Akteure in Osteuropa, darunter Journalisten, auch künftig zu stärken und zu schützen, müsse die Unterstützung vereinfacht, das Auswärtige Amt bei der Projektvergabe unbürokratischer werden, empfehlen die NGOs. Stefanie Schiffer:

„Zum Beispiel Detailnachweise über Einzelreisen, wann Tickets gebucht werden, wie die Hotelrechnungen bezahlt werden. Das sind Sachen, die nicht praktikabel sind, wenn jeder einzelne Beleg, der aus einer ausländischen Förderung kommt, schon ein Grund ist, denjenigen, der das gemacht hat, ins Gefängnis zu bringen. Wenn wir diese Flexibilität nicht haben, dann können wir auch bei aller Kreativität und bei allem Mut, den wir alle haben, nicht arbeiten.“
Bisher fördert das Auswärtige Amt in der Regel Projekte über ein Jahr. Auch das müsse sich ändern, heißt es in dem Papier der NGOs. Im Auswärtigen Amt war niemand bereit, in einem Interview zu erläutern, wie sich die Bundesregierung positioniert – wie sie auf die neue Situation reagieren will, in der autoritäre Machthaber die Kooperation zwischen Zivilgesellschaften extrem einschränken. Die Norwegerin Ane Tusvik Bonde vom „Human Rights House“ findet es wichtig, die Journalisten vor Ort zu fragen:

„Es ist nicht an uns Außenstehenden, das zu entscheiden oder ihnen sogar Ratschläge zu geben, sondern wir müssen ihnen zuhören. Das ist der Schlüssel. Denn sie sind die Experten, sie arbeiten in diesen Ländern. Es steht uns auch nicht zu, die Risiken zu bewerten. Auch das sollten die Journalisten im Land entscheiden: Ob sie dort weiterarbeiten wollen und wie.“

Die Situation in Belarus


Aus Russland sind in den vergangenen Monaten diverse renommierte, investigativ arbeitende Journalisten vor drohenden Gerichtsverfahren geflohen. Noch extremer ist die Lage in Belarus.
Ein Workshop der Berliner Journalistenschule in Berlin. Fünf Journalistinnen lernen, Videobeiträge mit dem Mobiltelefon zu drehen und zu schneiden. Alle stammen aus Belarus, doch mit einer Ausnahme leben sie alle dauerhaft im Ausland. Gerade sprechen sie ihre Übungsfilme durch. Eine der Teilnehmerinnen ist Darja. Sie lebt seit 14 Jahren in Warschau und arbeitet bei „Belsat TV“. Die polnische Regierung und das öffentlich-rechtliche Fernsehen Polens haben den Sender vor rund 15 Jahren als Gegengewicht zum belarusischen Staatsfernsehen gegründet. Er berichtet hauptsächlich in belarussischer und russischer Sprache. Online-Angebote gibt es auch auf Englisch und Polnisch. Darja war kürzlich als Reporterin an der polnisch-belarussischen Grenze, berichtete über die Flüchtlinge dort.

„Wir klären auf. Dass ist unsere Mission: Zu schreiben, was ist. Denn das erfährt man aus den staatlichen Medien nicht. Dort zeigen sie, wie viele Kühe gemolken wurden, wie viel Getreide gemäht wurde.“

„Belsat“ dagegen thematisiert die Repressionen Lukaschenkos gegen die Zivilgesellschaft. Mehr als tausend politische Gefangene sitzen derzeit in Belarus ein, 32 von ihnen sind Medienmitarbeiter.

„Die Machthaber in Belarus schüchtern die Menschen gezielt ein“


„Belsat TV“ hatte bis zur gefälschten Präsidentenwahl im Sommer 2020 und der anschließenden gewalttätigen Niederschlagung der Proteste eigene Mitarbeiter in Belarus. Vor einem Jahr wurden zwei Reporterinnen des Senders wegen ihrer Berichterstattung über die Proteste jeweils zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im Sommer hat ein belarussisches Gericht den polnischen Sender offiziell für extremistisch erklärt. Wer sich „Belsat“ auch nur anschaut, wer Informationen über soziale Netzwerke weiterverbreitet, riskiert seitdem eine Haftstrafe.

„Wir bekommen viele Zuschriften in der Art: ‚Ich hatte euch abonniert, dafür war ich fünf Tage in Haft.‘ Oder die Verwandten von Verurteilten schreiben. Leider nimmt das zu. Es sind keine Einzelfälle, und es geschieht auch nicht zufällig. Die Machthaber in Belarus schüchtern die Menschen gezielt ein. Sie sollen gar nichts mehr von uns lesen oder anschauen.“

Und trotzdem würden sie die Menschen in Belarus auch weiterhin erreichen, sagt Darja.

„Die Leute lernen, die Verbote zu umgehen. Wir warnen unsere User davor, unsere Online-Artikel weiterzuleiten, Links zu posten. Aber das wirkt sich nicht auf unsere Popularität aus. Die Zahl unserer User sinkt nicht. Die Leute finden trotz der Verbote Möglichkeiten, uns zu lesen. Zum Beispiel, indem sie ihre Identität mit einer VPN-Verbindung verschleiern oder unseren Kanal bei Telegram aufrufen.“

Im vergangenen Jahr wurde auch „tut.by“ verboten, das bis dahin größte belarusische Portal mit einem Millionenpublikum. Zwölf Mitarbeiter von „tut.by“ sind in Haft. Die Redaktion arbeitet unter neuem Namen im Ausland weiter. „Zerkalo“ heißt ihr Projekt. Andrej Bastunets, der Vorsitzende des Belarussischen Journalistenverbandes „BAJ“, sorgt sich allerdings, ob Journalisten im Exil dauerhaft und hochwertig über ihre Heimatland berichten und ihrer Chronistenpflicht nachkommen können. Auch Bastunets hat das Land verlassen, lebt derzeit in Vilnius.

„Die Qualität der Berichterstattung hat sich natürlich verschlechtert, denn es ist schwierig, aus dem Ausland an Informationen heranzukommen. Außerdem wird sehr viel Druck ausgeübt. Viele haben Angst um ihre Kollegen, die in Belarus im Gefängnis sind.“

Bastunets sagt, in Belarus sei dennoch das Vertrauen in Medien, die im Exil arbeiten, gestiegen. Die Journalisten im Ausland würden weiterhin in die Gesellschaft hineinwirken. Daher sei es wichtig, auch sie zu fördern. Für das Auswärtige Amt wäre das weitgehend Neuland. Stefanie Schiffer vom „Europäischen Austausch“:

„Den Leuten, die aus politischen Gründen Russland verlassen müssen, Belarus verlassen müssen, denen müssten wir alle Möglichkeiten geben, hier aktiv und tätig zu sein. Das ist im eigenen Interesse unserer Europäischen Union wichtig, weil die arbeiten nicht nur für die Sicherheit ihrer und die Freiheit ihrer Länder, sondern auch für unsere. Und wenn wir uns anschauen, wie expansiv und wie aggressiv der Kreml auch in der EU agiert durch Aufbau von korrupten Netzwerken, durch Einflussnahme auf Wahlprozesse, durch Hacken von E-Mail-Accounts, auch im Bundestag und in anderen Behörden. Wenn wir uns das ansehen, dann müssen wir sehen, dass wir allergrößtes Interesse haben, alle diejenigen Leute zu unterstützen, die da versuchen, Klarheit reinzubringen und das zu untersuchen, zu recherchieren und zu veröffentlichen.“

Es geht also darum, verfolgten Journalisten einen geschützten Raum für ihre Arbeit zu geben. Und es geht darum, ihnen auch persönlichen Schutz zu bieten. Ane Tusvik Bonde vom „Human Rights House“ in Norwegen fordert, schnell und unbürokratisch Mehrfachvisa an bedrängte Journalisten zu vergeben, damit sie ihre Länder notfalls auch kurzfristig verlassen und dem Druck, dem sie ausgesetzt sind, für eine gewisse Zeit entfliehen können.

„Viele belarussische Journalisten sagen, sie brauchen kein Training im Ausland, sie sind komplett erschöpft. Was sie brauchen, ist die Möglichkeit, durchzuatmen, draußen zu sein, ohne an Trainings oder Konferenzen teilnehmen zu müssen. Man muss ihnen Zeit geben.“

Die Situation in der Ukraine

Verglichen mit Russland und Belarus sind die Möglichkeiten für unabhängigen Journalismus in der Ukraine noch weitaus vielfältiger. Frei arbeiten können die meisten ukrainischen Journalisten deshalb trotzdem nicht. Denn viele Publikationen gehören Oligarchen, und die nehmen Einfluss auf den Inhalt der Berichterstattung. Eine der wenigen Ausnahmen ist „Nastojaschtschee Wremja“. Der russischsprachige Fernsehkanal gehört zu „Radio Liberty“, einem vom US-Kongress finanzierten Medienunternehmen mit Sitz in Prag. In der Sendung „Schemy“ bringt „Nastojaschtschee Wremja“ immer wieder aufsehenerregende Enthüllungen. Im vergangenen Herbst schafften sie es mit einem Film sogar an die Spitze der YouTube Trends in der Ukraine, erzählt Maksim Sawtschuk, einer der Autoren.

„In dem Film ging es um den Direktor einer ukrainischen Staatsbank. Er hatte einem Bewohner der nicht anerkannten Republiken im Osten der Ukraine einen Sonderkredit gewährt. Als wir ihm dazu eine Frage gestellt haben, hat er unserem Kameramann die Hand verletzt, die Speicherkarte aus unserer Kamera entfernt und versucht, die Aufnahmen zu löschen. Wir konnten die Aufnahmen wiederherstellen und haben sie veröffentlicht. Am nächsten Tag wurde der Direktor beurlaubt, ein paar Tage später trat er zurück. Das war ein Sieg für die Demokratie und für uns Journalisten: Dass wir offensichtlich gesetzwidriges Handeln aufdecken konnten und dies Folgen hatte. So jemand gehört nicht in den Staatsdienst.“

Die Redaktion von „Schemy“ erhielt 2020 den „Free Media Award“ der „ZEIT-Stiftung“ und der Stiftung „Fritt Ord“. Sawtschuk freut sich über die Wertschätzung. Noch wichtiger aber wäre es, sagt er, mehr unabhängige Medien zu fördern – in der Ukraine wie in anderen Ländern Osteuropas.

„In der Ukraine liefern nur die Journalisten echte Qualität, die für Medien arbeiten, die von westlichen Stiftungen finanziert werden. Nur sie können frei arbeiten. Sie müssen keine Angst haben, dass die Machthaber sie verfolgen, denn die jetzige Regierung der Ukraine wagt es nicht, sich mit westlichen Staaten und westlichen Stiftungen anzulegen.“
Meinungs- und Medienvielfalt sind eine der Grundlagen freier Gesellschaften. Wer unabhängigen Journalismus jetzt in einem Land wie der Ukraine stärkt, rüstet es möglicherweise gegen ein Abrutschen in autoritäre Strukturen – so, wie es in Belarus und Russland bereits der Fall ist. Dass unabhängiger Journalismus in Osteuropa heute noch intensiver und nachhaltiger gefördert werden muss, findet auch Michael Göring. Bis Jahresende war er Vorsitzender der „ZEIT Stiftung“. Göring sieht mit Sorge, dass dies demnächst sogar in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn und Polen nötig sein könnte.

„Und wenn Sie sich das vorstellen, das ist hier von uns ein paar hundert Kilometer entfernt, ein Nachbarland von uns, Ungarn ist ähnlich nah dran, und da müssen wir jetzt wieder anfangen, für die Demokratie zu werben, für den freien Journalismus zu werben, ihn zu unterstützen – da wird’s einem richtig schlecht. Aber jetzt fragen Sie mich, was kann man denn tun? Und da muss ich sagen, da sind wir im Moment, ja, auch überfordert.“