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JU-Deutschlandtag
Junge Union sucht neuen Chef

Am Samstag kommt die Junge Union zu einem außerordentlichen Deutschlandtag zusammen – sie muss entscheiden, wer zukünftig an ihrer Spitze stehen soll. Um Paul Ziemiaks Nachfolge bewerben sich zwei Kandidaten. Und damit ist klar: Eine Frau wird es nicht.

Von Katharina Hamberger | 15.03.2019
Blick von vorne auf die Delegierten in der Halle; im Hintergrund ein weißes "JU"-Banner.
Was sich mit diesem Deutschlandtag voraussichtlich nicht ändern wird: Der Frauenanteil im Bundesvorstand (Carsten Rehder / dpa)
Es ist in diesen Tagen gar nicht so leicht einen der beiden Kandidaten für den JU-Vorsitz zu erreichen.
"Gruhner, guten Tag."
Meldet sich Stefan Gruhner, der am Samstag seinen Hut für den Ju-Vorsitz in den Ring wirft. Er ist nur am Telefon zu sprechen, ist ständig im Land unterwegs, um für sich zu werben:
"Ich glaub mein Autotacho hat 15.000 Kilometer mehr jetzt"
Auch sein Herausforderer Tilmann Kuban, der für den Deutschlandfunk nicht für ein Interview zu erreichen war, hat ebenfalls versucht überall Unterstützer zu gewinnen. Beide traten auch zusammen auf, stellten sich den Fragen der Mitglieder. Kuban kommt aus Niedersachsen. Gruhner hingegen, der der erste offen schwul lebende JU-Vorsitzende werden könnte und alter Herr einer schlagenden Burschenschaft ist, aus Thüringen.
"Das ist ja jetzt ein Novum an diesem Wochenende, dass auch jemand aus einem kleineren Landesverband sich zur Wahl aufstellt."
Sagt Heike Wermer, Beisitzerin im JU-Bundesvorstand und Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen über Stefan Gruhner. In Thüringen, wo in diesem Jahr gewählt wird, sitzt Gruhner auch im Landtag. Das sieht er als einen Vorteil. Aber es gehe dabei nicht um Ost und West, sagt der 34-jährige:
"Ich komm ja selber aus einem Land, wo auf der einen Seite Herr Höcke steht und auf der anderen Seite Herr Ramelow. Wenn man so eine gewisse Frontlinienerfahrung in der Auseinandersetzung mit Links- und Rechtspopulisten mitbringt, dann kann man glaube ich, auch einen sehr glaubwürdigen und authentischen Erfahrungswert in die zentrale Auseinandersetzung in diesem Jahr einbringen."
Absetzen vom JU-Klischee
Es ist schon das zweite Mal, das die Junge Union die Auswahl hat. Auch der bisherige JU-Chef Paul Ziemiak setzte sich damals in einer Kampfkandidatur gegen Benedict Pöttering durch. Dabei spielte es auch eine Rolle, dass er versucht hat, sich vom JU-Klischee abzusetzen – nicht nur indem er im Kapuzenpulli auftrat und selten in Jackett:
"Wollen wir nur dass die Junge Union ein professioneller Haufen ist, der in Berlin und in der Medienwelt gut vernetzt ist", fragte Ziemiak, der heute wohl selbst zu den gut Vernetzen im politische Berlin zählt, die Delegierten in seiner Bewerbungsrede 2014. JU-Frau Wermer meint, er hat tatsächlich auch für Veränderung gesorgt.
"Also es geht schon lockerer zu, also wir sind natürlich, finde ich, immer noch verhältnismäßig professionell unterwegs, aber es laufen längst nicht mehr alle mit Jackette und Hosenanzug und im Kostüm herum".
Auch habe Ziemiak die JU für nicht-Akademiker stärker geöffnet.
"Er hat sich auch gut gegen die Mutterpartei positioniert, obgleich das natürlich einem schwer fallen kann, wenn man anschließend im Bundestag sitzt."
Ein Beispiel: Das Rentenpaket der großen Koalition. Da kann ein JU-Vorsitzender, der gleichzeitig Abgeordneter ist, wie Ziemiak, wenn es um Mehrheiten geht, nicht mehr nur rebellieren. Was aber auch bleibt: Unter anderem hat er sich mit der Jungen Union gegen die damalige Vorsitzende Merkel für eine Obergrenze ausgesprochen. Dem möglichen Ziemiak-Nachfolger Gruhner ist das allerdings zu wenig:
"In der Auseinandersetzung mit der großen Koalition können wir durchaus noch einen Tacken zulegen."
Dabei geht ihm eben auch um das Thema Rente. Ein klassische JU-Thema. Die Junge Union sollte zur Halbzeitder Großen Koalition Bilanz ziehen und entscheiden:
"Sind wir der Überzeugung, dass genug für unsere Generation getan wird. Und wenn nicht, dann muss man auch mal auf einem Bundesparteitag gehen und sehr konkret über die Zukunft der GroKo abstimmen lassen."
Auch sein Herausforderer Kuban meint in der Rheinischen Post, die Junge Union sei in einigen Bereichen zu brav gewesen in der Vergangenheit. Bequem wollen sie es also auch der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, die auch morgen sprechen wird, nicht machen.
Anderthalb Jahre, um sich beweisen
Viele gehen davon aus, dass es morgen auf ein knappes Ergebnis herauslaufen könnte. Anderthalb Jahre hat dann der neue Vorsitzende, um sich beweisen. Denn im Herbst 2020 steht regulär die nächste Wahl an. Tilman Kuban könnte danach nochmal antreten. Gruhner hingegen nicht. Er ist schon 34 Jahre alt. Mit 35 ist Schluss bei der JU – außer man hat ein Amt inne.
"Ich verstehe meine Amtszeit als einen Sprintvorsitz mit unheimlich hoher Dynamik, wo es um es umsetzen geht."
Sollte er gewählt werden, dürfte er um ein Thema auch in einer kurzen Amtszeit nicht herumkommen. Denn: Was sich mit diesem Deutschlandtag voraussichtlich nicht ändern wird: Der Frauenanteil im Bundesvorstand. So ist zwar in der Tagesordnung unter dem Punkt Wahl von "Vorsitzend(r)" die Rede – sollte aber spontan keine Frau ihren Hut in den Ring werfen, wird der nächste JU-Vorsitzende wieder ein Mann. Hinzu kommt, die Frauenquote liegt auch bei den Stellvertretern bei Null. Dafür gab es bei der Wahl 2018 sogar einen Rüffel der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel:
"Der geschäftsführende Bundesvorstand der Jungen Union, schön männlich, aber 50 Prozent des Volkes fehlen. Und ich sage Ihnen: Frauen bereichern das Leben. Nicht nur im Privaten, auch im Politischen."
"Ich saß auch oben auf dem Podium, als sie es gesagt hat, ich musste da auch sehr schmunzeln." erzählt Heike Wermer. Auch den beiden Kandidaten für Ziemiaks Nachfolge dürfte bewusst sein, dass die Junge Union hier deutlich Nachholbedarf hat:
"Also zunächst mal ist es richtig, dass wir anerkennen müssen, dass uns nur ein Drittel Frauenanteil in der Mitgliedschaft überhaupt nicht zufrieden stellen kann."
Die Dinge, sagt Gruhner am Telefon, die die Frauen auf den Tisch legen, müssten auch entsprechend umgesetzt werden. Konkrete Beispiele dafür hat er allerdings nicht, sagt nur Klimaschutz und Umwelt müssten mehr in den Mittelpunkt gestellt werden sollten. Auch ein Mentoringprogramm könnte er sich vorstellen, aber keine Quote. Auch JU-Frau Wermer hält davon wenig, lässt aber keinen Zweifel: Das Thema wird bleiben, dafür werden die Frauen in der JU sorgen:
"Vielleicht müssen wir Frauen uns auch stärker vernetzen und dann durchboxen."