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Jugoslawien
Internationaler Gerichtshof urteilt über Volkermord-Klage

Mehr als 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg im früheren Jugoslawien entscheidet der Internationale Gerichtshof in Den Haag heute, ob sich Serbien oder Kroation damals des Völkermords schuldig gemacht hat. Die Länder hatten sich gegenseitig verklagt.

Von Stephan Ozsváth |
    Gerichtssaal im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
    Gerichtssaal im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH )
    Die ersten Toten im Krieg zwischen Serbien und Kroatien gibt es im April 1991. Am Drehort von "Schatz im Silbersee" im Nationalpark Plitvicer Seen schießen jetzt Soldaten aufeinander. Die Serben errichten um Knin einen serbischen Mini-Staat. Und sie belagern Vukovar in Slawonien, massakrieren mehr als 200 Menschen, die Zuflucht im Krankenhaus gefunden haben. Vesna Bosanac leitet das Hospital.
    "Was wir damals erlebt haben, war Völkermord. Da genügend Beweise vorgelegt wurden, viele Zeugen ausgesagt haben, glaube ich, dass Serbien verurteilt wird", sagt sie.
    In vier Jahren Krieg haben die Serben damals mehr als 10.000 Kroaten getötet: Ein Krieg vor allem gegen die Zivilbevölkerung, so steht es in der Anklageschrift. Kroatien hatte deshalb gegen Serbien geklagt, wollte die Einstufung als "Völkermord", fordert eine Entschädigung. Serbien hat mit einer Gegenklage geantwortet - weil die Kroaten die serbisch besetzten Gebiete zurück erobert haben, die sogenannte Operation Sturm. Auch dabei kommt es 1995 zu Massenvertreibungen, Plünderungen und Morden.
    Der Krieg hat tiefe Wunden gerissen
    Auf einem Video ist der Mord an einem serbischen Zivilisten dokumentiert. Er hebt die Hände in die Höhe, wird kaltblütig erschossen. Das Schicksal von mehr als 3000 Vermissten - Serben wie Kroaten - ist bis heute ungeklärt. Der Krieg hat tiefe Wunden gerissen. Dieser kroatische Veteran hat mehrere Monate Lagerhaft überlebt.
    "Wer hat all die Menschen in den Lagern getötet, wer hat unsere Frauen vergewaltigt, wer hat unsere Kinder getötet?", fragt er.
    Experten erwarten von dem Prozess Hinweise auf Kriegsverbrechen - aber eine Einstufung als Völkermord gilt als fraglich. Damit war schon Bosnien gescheitert, trotz des Massakers von Srebrenica, gibt auch der kroatische Justizminister Orsat Miljenic zu bedenken.
    "Das Gericht hat hohe Hürden aufgestellt. Wir wissen, dass es Bosnien nicht geschafft hat. Aber wir denken, dass wir beweisen konnten, dass Serbien verantwortlich für einen Völkermord in Kroatien ist."
    Ein großer Stolperstein wird beseitigt
    Die Vorwürfe der Serben denkt der kroatische Politiker entkräftet zu haben. Was sagt die Gegenseite? Sasa Obradovic, Chef des serbischen Teams in Den Haag, ist vorsichtig optimistisch.
    "Das Gericht wird entscheiden, ob die Verbrechen, die an Serben während und nach der Operation 'Sturm' begangen wurden, als Völkermord zu werten sind oder nicht. Wir erwarten aber auf jeden Fall, dass die Verbrechen als solche anerkannt werden. Ich glaube, dass mit dem Ende des Streits ein großer Stolperstein in den Beziehungen beider Länder beseitigt sein wird."
    In Belgrad und Zagreb sehnt man das Urteil herbei. Beiden Seiten hatten die Klagen zurück ziehen wollen. Aber niemand hatte den ersten Schritt gewagt. Die Kroaten hatten erst Rest-Jugoslawien, dann Serbien-Montenegro, später Serbien verklagt. Die Serben antworteten mit einem Verfahrenstrick: Sie wollten alle Verbrechen vor 1992 ausklammern - also auch das Massaker von Vukovar.