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Juso-Chef: Wulffs Rücktritt war aus persönlichen Gründen

Sascha Vogt ist der Meinung, dass Christian Wulff wegen persönlichem Fehlverhalten zurückgetreten sei. Aus diesem Grund habe er nicht den Anspruch auf den Ehrensold, sagt der Juso-Vorsitzende weiter. Hinsichtlich des Ehrensolds sieht Vogt dringenden Reformbedarf.

Sasch Vogt im Gespärch mit Gerd Breker | 02.03.2012
    Gerd Breker: Die für den Etat des Bundespräsidialamtes zuständigen Haushaltspolitiker sehen keinen Anlass, den Ehrensold für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff infrage zu stellen. Bei einem Treffen am Vormittag, so der Vorsitzende dieses Gremiums, hätten die Abgeordneten einstimmig festgestellt, dass die Entscheidung des Präsidialamtes, Wulff den Ehrensold zu gewähren, nach Recht und Gesetz erfolgt sei. - Telefonisch sind wir nun verbunden mit dem Juso-Vorsitzenden Sascha Vogt. Guten Tag, Herr Vogt, und sehen Sie das auch so?

    Sascha Vogt: Einen schönen guten Tag erst mal. - Ich bin jetzt kein Jurist und kann die juristische Dimension da jetzt nicht bewerten, aber politisch halte ich das für einen großen Fehler und ich finde, wenn Herr Wulff einen Funken Anstand besitzt, dann lässt er zumindest seine Ansprüche erst mal so lange ruhen, bis alle Vorwürfe gegen ihn aufgearbeitet sind und damit klar ist, ob er auch irgendwie aus einer moralischen Perspektive Anspruch auf diesen Ehrensold hat.

    Breker: Das Entscheidende für die Entscheidung des Präsidialamtes, diesen Ehrensold zu gewähren, liegt ja darin, ob der Rücktritt aus persönlichen oder aus politischen Gründen erfolgt ist. Wie würden Sie das bewerten?

    Vogt: Ich würde schon eher sagen, dass es persönliche Gründe waren, die zu diesem Rücktritt geführt haben. Es gab ein klares Fehlverhalten von Herrn Wulff. Er hat immer wieder den Eindruck erweckt, Politik sei käuflich, und irgendwann musste er dann nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einsehen, dass dieser Eindruck nur noch verstärkt wird und er damit nicht mehr tragbar ist. Von daher musste er zurücktreten wegen persönlichem Fehlverhalten. Das war kein politischer Rücktritt, von daher hat er, finde ich, irgendwie nicht den Anspruch auf diesen Ehrensold.

    Breker: Herr Vogt, es geht ja nicht nur um die knapp 200.000 Euro jährlich, die Herrn Wulff nach seinem Rücktritt bis zum Lebensende zustehen; es geht ja auch um mehr: ein Dienstfahrzeug, einen Fahrer, ein Büro, Angestellte in diesem Büro. Ist das alles gerechtfertigt? Entspricht das noch der heutigen Zeit?

    Vogt: Ich möchte jetzt nicht kleinlich sein und einzelne Posten da gegeneinander aufrechnen und jetzt von hieraus beurteilen, was notwendig und was nicht notwendig ist. Klar ist aber, finde ich schon, dass man grundsätzlich klären muss, ob ein Mensch, der eigentlich noch weit vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter steht, schon den Anspruch haben sollte auf diese ganzen Bezüge. Ich glaube, dieser Fall zeigt schon, dass da grundsätzlicher Reformbedarf besteht und man klären muss, was ist denn irgendwie eine angemessene Altersversorgung und was ist eben auch nicht mehr angemessen. Ich glaube, wie man gerade gestern gesehen hat, dass bei den Tarifverhandlungen zum Öffentlichen Dienst der Innenminister sagt, 200 Euro mehr im Monat sind vollkommen unrealistisch, und einen Tag später entscheidet der Bundestag, das ist realistisch, dass jemand, der noch weit vor dem Renteneintrittsalter ist, pro Jahr 200.000 Euro bekommen soll, dann liegt da ein klares Missverhältnis vor.

    Breker: Das Gesetz über die Einführung dieses Ehrensoldes - auch das natürlich ein Wort, was ziemlich Staub angesetzt hat - stammt aus dem Jahr 1953. Es sollte also nach Ihrer Ansicht der Zeit angepasst werden und reformiert werden?

    Vogt: In der Tat. Der Begriff, da haben Sie recht, ist ebenso antiquiert wie die Regelungen, die dahinter stehen. Ich finde, auch für Politikerinnen und Politiker muss gelten, dass sie natürlich aufgrund ihrer Tätigkeit auch Ansprüche im Alter haben sollten. Ob aber jemand, der in so jungen Jahren dann ausscheidet, schon die vollen Ansprüche ab sofort bekommen soll, das möchte ich doch infrage stellen. Auch Herr Wulff wird sicherlich noch das eine oder andere beruflich machen können und damit Geld verdienen können. Von daher besteht da dringender Reformbedarf.

    Breker: Im aktuellen Deutschlandtrend der ARD-Themen sprechen sich 84 Prozent der Deutschen dagegen aus, dass Christian Wulff diesen Ehrensold bis zu seinem Lebensende erhalten soll. Sind wir nicht einfach viel zu populistisch, wenn wir fordern, er solle darauf verzichten?

    Vogt: Ich bin ja nun nicht der Meinung, dass man immer nur Politik nach Umfragen machen sollte. Man sollte aber schon darauf achten, dass man den Menschen erklären können muss, warum auch Politikerinnen und Politiker einen Anspruch auf eine Altersversorgung haben, und das kann ich zumindest in diesem Fall den Menschen nicht mehr erklären, warum ein Mensch, der wegen persönlicher Verfehlungen zurücktreten musste, jetzt dafür als Belohnung quasi noch 200.000 Euro im Jahr bekommt und weitere Zulagen. Das ist nicht zu vermitteln und da sollte Politik sich insgesamt fragen, ob damit nicht noch mehr der Eindruck unterstützt wird, dass in der Politik sich alle gegenseitig Geld zuschieben. Das ist gefährlich für unsere Demokratie.

    Breker: Spielt es auch eine Rolle, dass Christian Wulff nur kurze Zeit, nur 20 Monate Bundespräsident war?

    Vogt: Auch diese Dimension muss sicherlich mit in Betracht gezogen werden. Zum Beispiel ist es ja auch bei den Abgeordneten so, dass kein Abgeordneter nach eineinhalb Jahren schon volle Ansprüche hätte auf Altersversorgung. Ich glaube, insgesamt ist das ein Thema, über das sich eine Debatte lohnt, wann welche Person aus welchem Amt heraus welche Ansprüche geltend machen kann. Das kann man sicherlich nicht nur auf das Amt des Bundespräsidenten beziehen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Position des Juso-Vorsitzenden Sascha Vogt. Danke für dieses Gespräch.

    Vogt: Einen schönen Tag noch.

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