Mittwoch, 01. Mai 2024

Versicherungsschutz
Self-Assessment-Tool soll Kader-Athleten mehr Orientierung geben

Olympia-Athletinnen und Athleten haben wie jeder Bürger Anspruch auf staatliche Absicherung. Anders als bei normalen Angestellten gibt es aber keine klaren Regelungen zum Sozialschutz. Helfen soll nun das von Forschern entwickelte Online-Tool.

Von Sabine Lerche | 13.04.2024
Die deutsche Hockey-Spielerin Nike Lorenz wird auf dem Feld an der Hand behandelt.
Wie Sportlerinnen und Sportler etwa bei Verletzungen abgesichert sind, ist nicht klar geregelt. Ein neues Online-Tool soll nun Orientierung verschaffen. (picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
Das digitale Tool erinnert an einen der Entscheidungsbäume, die sich sonst in diversen Zeitschriften finden: Die Athletinnen und Athleten beantworten verschiedene Ja-Nein-Fragen, manche sportspezifisch, andere zum Gesundheitsschutz und zum sozialen Status.
Zwar haben Eliteathleten in olympischen Sportarten wie jeder Bürger Anspruch auf eine staatliche Absicherung, sie gelten aber oft nicht als Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag und klaren Regelungen zum Sozialschutz. Hinzukommt, dass sie aufgrund ihres Sports zusätzliche Versicherungen brauchen, zum Beispiel bei Verletzungen.

Digitales Tool soll zur Aufklärung dienen

Für eine schnelle Orientierung und Aufklärung über diverse Möglichkeiten soll das neue digitale Tool sorgen – als Art Selbsteinschätzung.
"Ich gebe meine einfachen Daten ein und ich kann sehen, wie ich entweder Stand jetzt sozial abgesichert bin oder vielleicht auch, was unterschiedliche Karriereentscheidungen wären: Ob ich zum Beispiel zur Bundeswehr gehe oder nicht, ob ich mich als soloselbständige Person registrieren lasse oder nicht. Und welche Auswirkungen die auf die verschiedenen Sozialschutz-Ansprüche haben können" erklärt Maximilian Seltmann, Projektkoordinator des Projekts "Social Protection in Olympic Sports", kurz SOPROS, das sich mit der Bewertung, Evaluierung und Umsetzung von Sozialschutz für Athleten in olympischen Sportarten befasst.
In diesem Rahmen wurde auch das Tool entwickelt. Es zeigt die individuellen Sozialschutz-Ansprüche, genauso wie Anforderungen, die dafür erfüllt sein müssen, und Links führen zu mehr Informationen.

Teilweise Versicherungslücken in den Sportsystemen

Die Anwendung kann von Athleten und Athletinnen in sechs verschiedenen europäischen Ländern genutzt werden. Die Informationen dafür, also die verschiedenen länderspezifischen Regelungen für die Athleten, hat das SOPROS-Projektteam vorab gesammelt.
Dabei gibt es durchaus Unterschiede, Unsicherheiten und auch Lücken bei den Maßnahmen für die Athleten. Zum Beispiel gibt es in Frankreich eine klare Definition, wer als nationaler Elitesportler mit diversen Ansprüchen gilt. In Ländern ohne spezielle Sportgesetzgebung gibt es teilweise keine Unfall- und Altersrente, auch Mindesteinkommen und Arbeitslosenversicherungen sind nicht immer gesichert. Beim Thema Schwangerschaft und Mutterschutz gibt es vor allem Einzelfallentscheidungen anstatt klarer Regelungen.

Seltmann: "Sozialschutz ist ein Menschenrecht"

Daraus leitet Projektkoordinator Seltmann auch eine Forderung ab: Sozialschutz ist ein Menschenrecht, argumentiert er. Und: "Es ist auch Teil von einer Good Governance im Sport. Also Good Governance im Sport muss auch heißen, dass Athleten gut abgesichert sind, dass anerkannt wird, was sie da leisten. Ob es nach Arbeitsrecht Arbeit ist oder nicht, hängt vom nationalen Kontext ab und ist die große Frage. Aber es ist deshalb ein Mindestmaß zu gewährleisten."
Da sich Verbände und Sportsysteme bei Sozialschutzfragen weiterentwickeln, gibt es noch einen zweiten Fragebogen für Sportverbände, Vereine oder Sportstiftungen. Haben sie neue Maßnahmen für mehr Sozialschutz ihrer Athleten, können sie den digitalen Fragebogen nutzen, um das dem SOPROS-Team mitzuteilen. So soll das Tool laufend und in Zusammenarbeit weiterentwickelt und auch für Sportarten spezifiziert werden.

Verbreitung des Service noch nicht geklärt

Bis Ende Juli soll der Service funktionsfähig sein und ab September in den sechs Ländern an den Start gehen. Aber: Wie wird es verbreitet? Wie kommt es als Unterstützungsangebot zu den Athletinnen und Athleten?
Auf dem internationalen Austausch zum SOPROS-Projekt an der Deutschen Sporthochschule in Köln ist das Thema: Auf welchem Weg kann man die Athleten und Athletinnen bestmöglich über ihre Rechte und Möglichkeiten informieren und aufklären?
"Die Athleten sind heute eine andere Generation als wir damals. Sie kommunizieren auf andere Art und Weise", sagt dazu Silke Kassner, ehemalige Kanutin und Gründungsmitglied des unabhängigen Vereins Athleten Deutschland: "Diese Wege müssen wir jetzt lernen, herausfinden und dafür einfach auch neue Wege und Instrumente gestalten. Deswegen mache ich da keinen Punkt und beantworte das nicht sofort, sondern es geht wirklich zuerst darum herauszufinden, was ist der effizienteste, aber auch dann in der Finanzierung mögliche Weg."

Gesamtbild für verbesserte Aufklärung notwendig

"Der Athlet soll ganz natürlich wissen, an wen er sich für welche Fragen wenden soll", fordert Tarek Elias von Athleten Deutschland. "Das heißt, es müsste eigentlich einmal ein gesamtes Zielbild, ein verzahntes, kommuniziertes, entstehen. Nicht nur Themen wie Absicherung, sondern auch Schutz allgemein, dass die einmal gesamthaft dargestellt werden und entsprechende Kompetenzen im System dann auch zugewiesen werden. Das ist nämlich jetzt im Moment immer noch die Lücke: In ganz vielen verschiedenen Organisationen werden parallele Prozesse aufgezogen, nur muss das alles einmal zusammengebracht werden. Und das Gleiche gilt natürlich auch für Informationen."
Einen ganzheitlichen Ansatz und Überblick bekommen über den Sozialschutz von Spitzensportlern, das ist auch das Ziel von SOPROS. Die Daten dafür soll das neue Tool liefern, um aus deren Analyse wiederrum weitere, auch internationale Verbesserungen anzustoßen.