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Käßmann als Vorbild

Einst Mitherausgeber der FAZ, schreibt Hugo Müller-Vogg inzwischen Kolumnen für die Bildzeitung, die sich in der Plagiatsaffäre auf die Seite zu Guttenbergs geschlagen hat. Müller-Vogg dagegen meint, der Verteidigungsminister hätte zurücktreten - und wiederauferstehen sollen.

Hugo Müller-Vogg im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.02.2011
    Martin Zagatta: Dass sich die Geister scheiden an Karl Theodor zu Guttenberg, das wissen wir aus unseren Sendungen nur zu gut, und das zeigt sich überdeutlich auch, wenn man in diesen Tagen in den Zeitungen blättert. Heute zum Beispiel meint selbst die konservative FAZ, dass Guttenberg die von ihm vertretenen Werte schwer beschädigt hat, ein Rücktritt sei fast unausweichlich, oder wird auch in anderen Blättern gefordert. Die Bildzeitung dagegen, der man wohl ein besonders enges Verhältnis zu dem Minister bescheinigen kann, sie tritt dafür ein, dass zu Guttenberg trotz aller Vorwürfe Minister bleiben soll. Wir sind jetzt mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg verbunden, einst Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen und jetzt regelmäßig Kolumnist der Bildzeitung. Guten Tag, Herr Müller-Vogg.

    Hugo Müller-Vogg: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Müller-Vogg, auch als Bildzeitungs-Kolumnist, haben Sie da trotzdem noch Verständnis für die kritische Sicht, die Ihr altes Blatt da vertritt?

    Müller-Vogg: Ich habe da volles Verständnis dafür, zumal ja auch innerhalb der Autoren, die in der Bildzeitung schreiben, nicht alle im Falle Guttenberg einer Meinung sind. Die FAZ misst zu Guttenberg an seinen eigenen Maßstäben. Wissen Sie, wer auf seiner eigenen Homepage stehen hat, Verantwortung bedeutet vor allem Verpflichtung, Vertrauen und Gewissen, der darf sich nicht wundern, wenn er an diesen Maßstäben gemessen wird.

    Zagatta: Und das kann der Bildzeitung, für die Sie jetzt ja regelmäßig schreiben, egal sein?

    Müller-Vogg: Nein, aber der Boulevard, glaube ich, urteilt immer etwas anders. Sie sehen ja auch beispielsweise, dass die "Bunte" in der neuen Ausgabe eine sehr große und sehr sympathische Geschichte hat, die Guttenberg stützt. Interessant ist ja, dass Bild ab heute eine große Umfrage macht bei den eigenen Lesern und wissen will, wie die Leser dazu stehen. Und es gibt natürlich viele Bewunderer von Herrn zu Guttenberg, die sagen, ach, solche Fußnoten, das sind doch alles Kleinigkeiten, der Mann ist gut, und das ist mal ein bisschen anderer Politiker und deswegen halten wir an dem fest.

    Zagatta: Das wird wahrscheinlich auch das Ergebnis sein, das wissen wir ja auch aus Umfragen schon. Ich glaube, Emnid hat das schon herausgefunden ...

    Müller-Vogg: Ja.

    Zagatta: ... beziehungsweise Umfragen sagen, ich glaube, über 70 Prozent sind der Meinung, Guttenberg soll weitermachen. Aber die Mehrheit sagt auch, seine Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Wie sehen Sie das? Ist Beliebtheit wichtiger als Glaubwürdigkeit?

    Müller-Vogg: Glaubwürdigkeit ist, glaube ich, schon ein hohes Gut, und die Glaubwürdigkeit bei ihm ist beschädigt, und das wird ihm politisch auch schwer zu schaffen machen. Er wird künftig bei allen Dingen noch viel mehr unter die Lupe genommen werden und wird immer auch von der Opposition mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sie haben damals die Unwahrheit gesagt, wer weiß, ob sie nicht heute auch die Unwahrheit sagen. Also er geht mit einer schweren Hypothek in seine weitere Amtszeit.

    Zagatta: Wie ist das aus Ihrer Sicht, wie sehen Sie das persönlich? Kann ein Mensch oder ein Minister, der seine Glaubwürdigkeit so weit verloren hat, kann der Minister bleiben?

    Müller-Vogg: Also ich glaube, er wäre gut beraten gewesen, wenn er gesagt hätte, ich bin meinen eigenen Maßstäben nicht gerecht geworden, ich bitte die Kanzlerin, mich aus dem Amt zu entlassen. Wenn er sozusagen sich ein Beispiel an Frau Käßmann genommen hätte. Dann wäre er nach einem halben Jahr wieder neu auferstanden und hätte sozusagen an der alten Rolle des Stars anknüpfen können. Er ist jetzt beschädigt. Wenn er gut beraten ist, wird er sich jetzt zurücknehmen mit all dem, was nicht unmittelbar mit seinem Amt zu tun hat, und wird zeigen im Amt, was er kann. Ich meine, dass er ein begabter Mann ist, wissen wir ja. Aber den Zeitpunkt hat er verpasst. Wenn er jetzt zurücktritt, ist er praktisch aus dem Amt gejagt. Deswegen, glaube ich, wird er diesen Weg gehen, den ich für den falschen halte, aber das ist seine Entscheidung.

    Zagatta: Dürften Sie über den Weg, den Sie für den richtigen halten, in der Bildzeitung schreiben, oder kommen Sie da jetzt als Autor gar nicht in Frage?

    Müller-Vogg: Ich habe in meiner Kolumne bisher mich mit dem Fall zu Guttenberg nicht befasst, habe allerdings bei anderen Gelegenheiten wie auch in diesem Gespräch jetzt oder gestern Abend im Fernsehen sehr deutlich gesagt, dass ich gegenüber zu Guttenberg viel kritischer bin als die Bildzeitung.

    Zagatta: Wie ist das mit der deutschen Zeitungslandschaft jetzt überhaupt? Die Bildzeitung macht ganz klar Kampagne für Guttenberg, die FAZ und auch andere Blätter sind da völlig anderer Meinung. Ist das jetzt eine neue Frontenstellung in der deutschen Zeitungslandschaft, wie wir das beispielsweise in Großbritannien schon lange erleben? Kommt da irgendwas in Bewegung aus Ihrer Sicht, oder ist das ganz normal?

    Müller-Vogg: Nein, das ist eigentlich ganz normal. Wie gesagt, ich sage ja, der Boulevard hält an den Leuten fest, die die Boulevard-Leser auch lieben, und politisch ist es eigentlich relativ einfach. Die FAZ ist ja keine Zeitung, die grundsätzlich immer sagt, was aus der Union kommt, ist alles richtig. Es gibt ja in der FAZ, glaube ich, auch doch - das war ja deutlich zu sehen -, dass man beispielsweise die Aussetzung der Wehrpflicht sehr kritisch sieht. Also es ist ja nicht so, dass die FAZ da blind die Union unterstützt. Also ich sehe da keine wesentliche Veränderung. Was nur auffällt ist, dass die FAZ so deutlich und fast kampagnenartig diesmal gegen zu Guttenberg Stellung bezieht. Das war eigentlich bisher nicht der Stil der FAZ. Das fällt schon auf.

    Zagatta: Wie erklären Sie sich das? Vielleicht auch, weil zu Guttenberg aus der FAZ ja abgeschrieben hat?

    Müller-Vogg: Nein, das glaube ich nicht. Das glaube ich nicht.

    Zagatta: Sondern?

    Müller-Vogg: Ja, gut! Schauen Sie mal, in der FAZ wurden und werden ja die sogenannten Sekundärtugenden immer hochgehalten: Anstand, Pflicht, Ehrlichkeit. Insofern: Wenn ein Konservativer gegen diese Prinzipien verstößt, ich glaube, dann wird er umso schärfer kritisiert von denen, die diese Werte für wichtig halten.

    Zagatta: Und das ist bei der Bildzeitung jetzt - Sie kennen ja die Kollegen, Sie reden mit denen darüber - kein so wichtiges Thema, die ja dann auch auf den sogenannten kleinen Mann schauen muss, und der steht ja jetzt vor dem Problem, der schickt seine Kinder in die Schule und die erzählen jetzt ihren Lehrern vielleicht: Na klar kann ich abschreiben.

    Müller-Vogg: Schauen Sie mal, die Bildzeitung hatte ja letzte Woche einen Kommentar, wo durchaus die Sache kritisch gesehen wurde, und unten drunter stand der Kollege Wagner mit seinem Brief an Guttenberg und sagte: Pfeif auf den Doktor. Also das ist auch bei der Bild nicht sozusagen so eindeutig, dass es nur eine Meinung gibt.

    Zagatta: Ganz klar. Aber beispielsweise gestern Abend war zu hören, ein Professor der Bundeswehr-Hochschule, der sagt, wenn das einer seiner Studenten macht, dass er da Arbeiten fälscht, dem droht sogar der Rauswurf aus der Bundeswehr. Wird da nicht fürchterlich mit zweierlei Maß gemessen?

    Müller-Vogg: Also ich sage ja, der Verteidigungsminister hat einen ganz schweren Stand jetzt. Im Grunde hätte er letzte Woche eigentlich, als die ersten Vorwürfe kamen, sagen müssen, wenn ich da einen Fehler gemacht habe, dann soll die Universität entscheiden und ich beuge mich diesem Urteil. Er hat natürlich im Grunde eigentlich alles falsch gemacht, was er falsch machen kann. Zuerst hat er behauptet, diese Vorwürfe seien abstrus, das heißt völlig unbegründet, dann hat er es scheibchenweise zugegeben. Er hat sich in hohem Maße unglaubwürdig gemacht und das ist ein schlechtes Beispiel, wobei ich habe heute gehört, dass der Präsident des Lehrerverbandes gesagt hat, man könnte jetzt den Schülern ja auch sagen, seht ihr, wenn ihr es so macht wie der zu Guttenberg, dann habt ihr Schwierigkeiten, also seid anständig.

    Zagatta: Ist es nicht auch ein Problem, dass er jetzt sagt, er habe großen Blödsinn gemacht und geschrieben, und für diesen Blödsinn hat ihm diese Uni Bayreuth noch die Bestnote verliehen? Beschädigt das aus Ihrer Sicht - Sie sind ja selbst promoviert - nicht auch irgendwie das deutsche Hochschulwesen?

    Müller-Vogg: Zunächst einmal halte ich es für eine Unverschämtheit gegenüber seinem Doktorvater, das so zu sagen. Wobei andererseits: Ich habe die Arbeit nicht gelesen, ich kann sie nicht beurteilen. Ich weiß nicht, ob diese Arbeit, wenn korrekt darin zitiert wäre, nicht trotzdem eine gute Arbeit wäre. Richtig ist natürlich, dass die Uni Bayreuth einen großen Image-Schaden hat, denn entweder wurde dort auf Plagiate gar nicht geachtet, indem man sozusagen dem Herrn zu Guttenberg blind vertraut hat, oder man hat die Prüfung nur sehr oberflächlich vorgenommen. Insofern ist die Universität Bayreuth durchaus mit beschädigt.

    Zagatta: Der Publizist Hugo Müller-Vogg. Herr Doktor, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Müller-Vogg: Ja! Danke Ihnen!