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Kampf gegen Terrorismus
Forscher fordert Präventionsstrategie

Im Kampf gegen eine islamistische Bedrohung vermisst der Politologe Peter Neumann eine nationale Präventionsstrategie. Zwar würde Geld für Vorbeugung ausgegeben, dies geschehe aber unkoordiniert, sagte der Leiter eines Londoner Forschungszentrums im DLF.

Peter Neumann im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 22.03.2015
    Eine Frau schaut auf eine Website mit Propaganda des IS.
    Gespräche mit über 700 Dschihadisten wurden bereits am Londoner Internationalen Zentrum zur Erforschung von Radikalisierung und politischer Gewalt geführt - meist über soziale Netzwerke. (picture alliance/dpa/Oliver Berg)
    "Es ist überraschend und verstörend, dass es in Deutschland immer noch keine nationale Präventionsstrategie gibt", so Neumann, der als einer der renommiertesten Terrorismusforscher der Welt gilt. In Deutschland werde viel über Prävention geredet und auch Geld dafür ausgegeben. "Aber es ist im Prinzip immer noch Kraut und Rüben." Verschiedene Ministerien auf Bundes- und Landesebene finanzierten die Arbeit, "aber niemand setzt Prioritäten, und niemand lernt voneinander". Andere Länder wie die Niederlande, Norwegen und Großbritannien setzten bereits seit Jahren erfolgreich eine Präventionsstrategie um.
    Neumann leitet in London am King's College das Internationale Zentrum zur Erforschung von Radikalisierung und politischer Gewalt. An seinem Institut seien inzwischen 700 Dschihadisten erfasst worden, mit denen man sich größtenteils über soziale Netzwerke, aber auch vor Ort unterhalten habe, so Neumann. Ein Problem, mit dem auch die Geheimdienste zu kämpfen hätten, sei es, zu unterscheiden, wer nur den tatsächlichen Kämpfern folge und wer selbst gewaltbereit sei. "Dass man bei Twitter aktiv ist, heißt nicht, dass man sie vor Ort unterstützt."
    Peter Neumann ist Direktor beim International centre for the study of radicalization and political violence
    Peter Neumann ist Direktor beim "International centre for the study of radicalization and political violence" in London (Jochen Spengler)
    Gefahr durch Unterstützer
    Die Sympathisanten vor Ort schätzt der Politologe als zurzeit potenziell gefährlicher für Europa ein. Die Anschläge in Paris, Kopenhagen und auch Ottawa seien von enthusiastischen Unterstützern, nicht von Auslandskämpfern verübt worden. Jeder fünfte dieser Kämpfer stamme aus Europa, langfristig drohe aber auch durch sie Gefahr, nämlich dann, wenn sie zurückkehrten.
    Zum Vorgehen des Islamischen Staats sagte Neumann im Deutschlandfunk, die extreme Brutalität erfolge aus ideologischen Gründen. Es gebe eine "Eskalationsspirale, die durch die Aufmerksamkeit angetrieben wird". Der große Gegner des IS sei der Westen, allerdings habe der Aufbau eines Kalifats Priorität für die Terrormiliz. Dieser gehe es darum, "Stärke aufzubauen, um irgendwann den Westen anzugreifen."
    Bis zum 22. August können Sie das Gespräch nachhören.