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Kanten, Kapseln und Keramik

Raumfahrt. – Eine Rakete mit ungewöhnlich geformter Spitze hat von der norwegischen Insel Andoya aus einen Testflug ins All unternommen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt will mit ihr ein neues Hitzeschutzschild testen, das auf scharfkantigen Faserkeramik-Platten basiert. Trotz offensichtlichem Erfolg, scheint es für das System derzeit jedoch keine Anwendung zu geben.

Von Guido Meyer | 28.10.2005
    Die Premiere von Shefex, dem ersten Sharp Edge Flight Experiment, ist geglückt. Etwa dreihundert Kilometer hoch ist die Rakete geflogen, deren Spitze mit scharfkantigen Platten aus Faserkeramik bestückt war. Sie könnten künftig Raumschiffe vor der Hitze des Wiedereintritts in die irdische Atmosphäre schützen. Thomas Püttmann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat den Flug über dem Nordpolarmeer beobachtet.

    "Es hat verschiedene Daten-Relais-Stationen gegeben. Eine direkt hier unten im Kontrollraum. Dort gingen anfangs Daten ein. Und dann gab es leider einen Abbruch. Aber wir haben auf einer Bergkette hinter dem Startgelände eine weitere Relais-Station positioniert. Des weiteren haben wir Daten aus Kiruna - das ist eine Station in Schweden - und von dort haben wir ebenfalls die Meldung bekommen, dass die Station über den gesamten Flug Daten und Bilder hat verfolgen können."

    Trotz des wohl geglückten ersten Tests wird Shefex auf absehbare Zeit ein Grundlagenexperiment bleiben. In der internationalen Raumfahrt nämlich hat niemand eine Verwendung dafür. Scharfkantige Isolierplatten machen nur Sinn, wenn ein zurückkehrendes Raumschiff gute Flugeigenschaften aufweist, flexibel steuerbar ist und sich längere Zeit in den heißen Schichten der Atmosphäre aufhält. Der europäische Space Hopper Phoenix steigt nicht so hoch. Deswegen geht der Weltraumkonzern EADS Space Transportation dort andere Wege. Johann Antonenko, zuständig für Hochtemperaturisolation bei EADS in Bremen:

    "Bei suborbitalen Raumfluggeräten habe ich ja viel weniger Bahnenergie als bei einem Gerät, was orbital fliegt, was also viel höher fliegt. Der Hopper hat aufgrund dessen, dass er eine geringere Bahn erreicht, eine sehr viel kürzere Zeit, die er für seinen Wiedereintritt braucht. Und die Folge ist, dass die Wärme, die er jetzt einsammelt, sehr viel geringer ist."

    Kein Bedarf also für scharfkantige Platten à la Shefex, die hohe Temperaturen über längere Zeit aushalten können. Phoenix hat ebenfalls keine Verwendung für das Kachel-Konzept, wie es derzeit bei den amerikanischen Raumfähren angewandt wird. Ihre weißen und schwarzen Fliesen funktionieren gut und leiten die Hitze ab, sind aber empfindlich und wartungsintensiv, schon wegen ihrer nur eierschalendicken Außenhaut. Antonenko:

    "Bei den Konzepten, die wir selbst favorisieren, ist es so, dass selbst bei einem Schaden in der Außenschale immer noch die dahinterliegende Isolation im Stande wäre, die Last aufzunehmen. Die Außenschale in unserem Fall besteht aus C-SiC-Keramik. Das ist Kohlenfaser in Siliziumkarbidmatrix, einem keramischen System. Wir haben da ein sehr leichtgewichtiges System was trotzdem sehr steif ist und sehr hart ist und strukturell eine sehr hohe Tragfähigkeit hat."

    Nicht zuletzt das Verglühen der Raumfähre Columbia hat gezeigt, dass die vorderen Flügelkanten bei geflügelten Systemen kritisch sind. Deswegen verfolgt die US-Raumfahrtbehörde Nasa für den Nachfolger der Space Shuttles, das Crew Exploration Vehicle, wiederum einen anderen Weg - einen, der die Ingenieure zurück zu den Anfängen der bemannten Raumfahrt in die 60er Jahre führt. Kapseln sollen die Astronauten befördern und sie mit einem Hitzeschild während des Wiedereintritts schützen. Mike Griffin, Chef der Nasa, über das CEV.

    "Das CEV muss im wesentlichen wiederverwendbar sein und sowohl auf dem Wasser wie auf dem Festland aufsetzen können. Die Konstrukteure des Geräts werden entscheiden, ob es mit Fallschirmen, Airbags oder Bremsraketen landen wird."

    Konusförmigen Kapseln bleibt während ihres Sturzes durch die Atmosphäre die Hitzeentwicklung an Flügeln und Nase erspart. Andererseits sind die Belastungen durch die Beschleunigung nur für trainierte Profi-Astronauten zu verkraften. Somit scheiden solche Konzepte für einen möglichen Weltraum-Tourismus, für Flüge von zahlenden Privatpassagieren ins All, aus.