Marktmacht ist gut, sagen die großen Handelsketten. Mit breiter Brust können sie so den Lebensmittelherstellern gegenüber treten und für die Verbraucher günstige Preise aushandeln. Marktmacht kann aber auch schlecht sein, sagt der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt.
"Wenn die Marge der Hersteller zum Beispiel sehr klein wird, dann kann es passieren, dass die Hersteller eine schlechtere Produktqualität abliefern. Oder wir haben noch andere Wirkungen: Es kann zum Beispiel passieren, dass sich die Hersteller konzentrieren, dass wir hier viele Fusionen sehen, damit sie mächtiger werden gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel. In der Summe kann das irgendwann dann wiederum dazu führen, dass die Preise höher werden."
Und bei den Preisen für Milch, Kaffee oder Tiefkühlpizzen sind die Verbraucher äußerst sensibel. Immer wieder geraten die Lebensmittelpreise auch in den Fokus der Politik. Das Bundeskartellamt hat deshalb die Marktstrukturen im Einzelhandel und das Verhalten der Handelsketten gegenüber den Lebensmittelherstellern in einer Branchenuntersuchung genau unter die Lupe genommen.
Über 200 Hersteller und 21 Händler wurden aufwendig befragt. Für 250 repräsentativ ausgewählte Markenprodukte wurden Preise und Rabatte erhoben – insgesamt 30 Millionen Daten. Über drei Jahre hat die Untersuchung gedauert.
Das Ergebnis ist wenig überraschend: Die deutsche Handelslandschaft ist hoch konzentriert. Vier große Ketten teilen den Markt weitgehend unter sich auf: Branchenprimus Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe, zu der Discounter Lidl und auch die Kaufland-Märkte gehören. Sie vereinen 85 Prozent des Lebensmittelabsatzes auf sich.
Kartellamtspräsident Mundt: Marktmacht der großen Ketten wird tendenziell zunehmen
Besorgniserregend sei das, urteilt das Bundeskartellamt. Denn wegen ihrer enormen Marktanteile können die großen Vier bei den Herstellern bessere Konditionen aushandeln als kleinere Händler - ein struktureller Vorteil, den die Konzerne nutzen.
"Das führt dazu, dass wir es mit einer Entwicklung zu tun haben, die man auch mit einer gewissen Sorge betrachten kann. Dass hier nämlich so eine gewisse Eigendynamik herrscht, dass die Großen auch in Zukunft immer bessere Konditionen aufgrund ihrer Größe bekommen werden. Die Kleineren andererseits - weil ja diese Marge irgendwie kompensiert werden muss bei den Herstellern – vielleicht weiter schlechtere."
Die Marktmacht der großen Ketten wird also tendenziell weiter zunehmen, befürchten die Bonner Wettbewerbshüter, auch weil alle vier auf Expansionskurs seien. Allein Marktführer Edeka eröffne pro Jahr rund 200 neue Geschäfte.
Die verbliebenen Wettbewerber hingegen seien in der Defensive. Abgeschlagen mit einem Marktanteil von unter zehn Prozent wird die Metro mit ihren Real-Märkten nicht mehr zur Spitzengruppe gezählt. Alle anderen Anbieter seien allenfalls regional von Bedeutung.
Einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse müsse seine Behörde deshalb konsequent entgegenwirken, so Kartellamtschef Mundt. Und das darf durchaus als Warnung an die großen Vier verstanden werden, ihre Marktmacht nicht weiter auszuweiten. Übernahmen oder Fusionen in Deutschland dürften für sie äußerst schwer werden.
"Wir werden jedenfalls dann, wenn die großen Vier daran beteiligt sind, sehr genau hinschauen - sehr genau – und unsere stringente Linie, die wir in der Vergangenheit hatten, fortsetzen."