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Kinderbetreuung
Betriebskitas: Erwünscht aber immer noch selten

In Deutschland fehlen immer noch mehr als 250.000 Kitas - trotz Rechtsanspruchs. Auch betriebseigene Kindertagesstätten sind selten. Immer mehr Unternehmen kooperieren inzwischen aber mit Betreibern von Kindertagesstätten und investieren dabei viel Geld. Ein Engagement, das sich für Arbeitgeber lohnt.

Von Anja Nehls | 09.01.2019
    Zwei Kinder stehen am Fenster einer Kita und gucken anderen Kindern draußen beim Spielen zun
    Betriebskitas mit längeren Öffnungszeiten sind für Eltern besonders interessant (dpa / picture alliance / Jens Wolf)
    Um kurz vor acht ist die Stimmung in der Kita Charité Mitte bereits auf dem ersten Höhepunkt. Zwei Knirpse toben auf einer Turnmatte und ein Mädchen versucht Saft in ein Glas zu gießen. Vor über zwei Stunden hat der Dienst hier bereits begonnen, sagt Kitaleiterin Sabrina Weber:
    "Die ersten Kinder kommen normalerweise schon halb sechs. Wir waren mit halb sechs erst ein bisschen skeptisch, ob es wirklich angenommen wird. Aber innerhalb von einem Monat hat sich das ergeben, dass da schon die ersten vier oder fünf Kinder um kurz nach halb sechs da sind, weil die Eltern einfach entspannter zur Arbeit gehen danach."
    Für viele Eltern sind längere Öffnungszeiten Bedingung
    Denn viele der Eltern hier arbeiten im Schichtdienst an der Charité, zum Beispiel als Ärzte oder Pflegekräfte. Weil die Schichten oft früh beginnen oder spät enden, will die Charité ihre Beschäftigten mit Kitaplätzen unterstützen, die die benötigten Zeiten auch anbieten. Die meisten Kitas öffnen erst nach 7 Uhr und schließen häufig bereits um 17 Uhr. Hier endet der Kitatag erst 19:30 Uhr. Die langen Öffnungszeiten seien auch im eigenen Interesse, sagt Sabine Barleben vom Familienbüro der Charité, das sich um solche Angelegenheiten kümmert:
    "Wenn sich Professorinnen und Professoren aus dem Ausland bewerben, dann können sie natürlich auch nur nach Berlin kommen, wenn sie einen Kindergartenplatz haben, etwas, dass Sie weder mit Geld noch mit sonst was aufwiegen können. Wir haben gemerkt: alles, was wir tun, damit die Eltern zufrieden sind und in Ruhe arbeiten gehen können und nicht irgendwie darauf angewiesen sind, sich Sorgen zu machen, erhält uns die Fachkräfte."
    Zum Beispiel durch den Vater der kleinen Frieda, die heute von ihrem anderen Papa in die Kita gebracht wird:
    "Mein Mann arbeitet an der Charité, der ist in der Kinderchirurgie und der arbeitet vor allem an Wochenenden 24-Stunden-Dienst und ansonsten ist der Platz einfach super für uns weil es praktisch keine Schließzeiten gibt, also wir können flexibel planen."
    Der höhere finanzielle Aufwand lohnt sich
    Die langen Öffnungszeiten finanziert die Charité, indem sie das dazu benötigte zusätzliche Personal bezahlt. Auch die alte Villa in Mitte, nur ein paar Gehminuten von der Klinik entfernt, hat die Charité saniert und als Kita umgebaut und sie trägt auch die Betriebskosten. Wie viel Geld ausgegeben wird, wird nicht verraten, aber es lohnt sich für die Charité, weil Mitarbeiter, die sich wegen fehlender Kinderbetreuung krank melden oder unkonzentriert arbeiten im Endeffekt viel teurer wären, so Sabine Barleben. Alle übrigen Kosten, die auch in jeder anderen Kita entstehen würden, trägt das Land Berlin. Dafür müssen dann auch Kinder von Nicht-Charité-Mitarbeitern aufgenommen werden, sagt die Berliner Bildungsstaatssekretärin Sigrid Klebba:
    "Es gibt jetzt keine feste Quote, die erfüllt sein muss, aber in der Tat muss es eine wahrnehmbare Öffnung in den sozialen Raum hinein sein, dass auch Eltern, die nicht im Unternehmen arbeiten dort unterkommen können."
    Was das allerdings bedeutet, bleibt jeder Kita selbst überlassen. 70 Plätze gibt es in der Kita Charité Mitte, 20 davon sind zurzeit von Kindern belegt, bei denen weder Mutter noch Vater bei der Charité arbeiten. Die Kita Charité Mitte wird als sogenannte Kooperationskita vom sozialen Träger Fröbel betrieben.
    Reine Betriebskitas, die zu 100 Prozent vom jeweiligen Unternehmen finanziert werden, gibt es in Berlin nur ganz selten - zum Beispiel der Deutsche Bundestag und Bayer-Schering haben eine solche Kita. Auch bundesweit lag der Anteil an reinen Betriebskitas laut statistischem Bundesamt im März 2018 nur bei 1,4 Prozent. Immerhin hat sich die Zahl innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdoppelt.
    Einige Unternehmen wählen lieber ein anderes Modell: Sie kaufen Belegplätze in öffentlichen Kitas für ihre Mitarbeiter. Das ist in Summe günstiger und bequemer, aber daran gibt es auch Kritik, denn diese Plätze stehen dann der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung. Angesichts des Mangels an Kitaplätzen für viele Eltern eine große Ungerechtigkeit. Diesen Vorwurf weist die Bildungsstaatssekretärin Sigrid Klebba zurück:
    Berlin will die Kooperation mit Unternehmen ausbauen
    "Es sind alles Kinder, ob es jetzt Kinder von Mitarbeiterinnen sind oder ob sie in anderen Zusammenhängen in der Stadt sind, jedes Kind hat ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch. Vom Prinzip ist es keine Ungerechtigkeit oder Benachteiligung, sondern diese Kinder würden ansonsten generell auf dem Markt sein."
    Weil das Land Berlin mit dem Ausbau der Kitaplätze kaum hinterher kommt, will der Senat die Kooperation mit Unternehmen künftig stärker fördern. Sie sollen motiviert werden Grundstücke, Räume oder Immobilien für eine Kitanutzung zur Verfügung zu stellen und dann mit Kitabetreibern kooperieren. Engagements wie das der Charité bei der Kita in Mitte hätten für alle Beteiligten nur Vorteile, meint Sabine Barleben:
    "Diese Plätze würde es sonst gar nicht geben und das ist das, was wir weiter ausbauen, wir schaffen also Plätze. Wir nehmen nicht anderen Plätze weg, sondern wir schaffen neue."