Dass Trump wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriere, zeige, dass er nichts von Klimaschutz halte. Um so wichtiger sei es, dass sich die anderen G20-Teilnehmer um eine gemeinsame Lösung bemühten.
Man werde sicherlich auch aus dem Abschlussprotokoll entnehmen können, dass eine Trennung bestehe. Er wünsche sich, dass über diese Gegensätze nicht "hinweggeredet" werde, damit man sehen könne, wie man in dieser Situation vorankommen könne, sagte Töpfer im Dlf.
Das Interview in voller Länge:
Mario Dobovisek: Es war eine faustdicke Überraschung, die US-Präsident Donald Trump da den anderen Teilnehmern des G7-Gipfels in Sizilien vor einigen Wochen beschert hatte: die Abkehr der USA vom mühsam über Jahrzehnte ausgehandelten Klimaschutzabkommen. Seitdem heißt es Scherben aufkehren, das Abkommen retten und die USA im Zweifel isolieren, doch so einfach ist das nicht. Beim G-20-Gipfel in Hamburg setzt Gastgeberin Angela Merkel vor allem auf Kooperation, weniger denn auf Konfrontation. Irgendwie soll heute Nachmittag ein Gipfelbeschluss fertig werden, den auch Trump mitunterzeichnen kann – Klimabeschlüsse dann bitte inklusive.
Wir wollen dazu die Meinung hören von Klaus Töpfer. Für die CDU war er Bundesumweltminister, leitete acht Jahre lang das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, und weil Herr Töpfer gerade im Zug sitzt, habe ich ihn bereits zu Beginn dieser Sendung, vor zwei Stunden, gesprochen, und ich habe ihn gefragt, welche Symbolwirkung denn davon ausgeht, wenn sich Trump und Putin sich zu ihren bilateralen Gesprächen gestern Nachmittag just zu der Zeit treffen, in der die anderen über das Klima beraten.
Klaus Töpfer: Ja, das ist eine Unterstreichung der Positionen, die Präsident Trump ja nun wirklich glasklar in die Öffentlichkeit getragen und auch durch eigene Entscheidungen untermauert hat: Er hält nichts vom klimapolitischen Erfolg in Paris, er geht davon aus, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist. Er wird nicht nur dafür Sorge tragen, dass die USA da so schnell nicht wieder rauskommen, sondern auch bemüht sein, die Entscheidung für weitere Nutzung von fossilen Energien für Gas und Kohle in anderen Staaten mit zu propagieren.
Es ist also wirklich eine massive Trennung, und wir werden ganz sicher, glaube ich – aber das ist noch ein Stück Spekulation –, in dem Abschlussprotokoll auch sehen, dass diese Trennung besteht, und ich glaube, es wäre sogar gut, wenn es deutlich würde, dass hier nicht über etwas hinweggeredet und -geschrieben wird, sondern wenn diese Gegensätze auch sehr klar werden, damit man weiß, wie man weiter vorankommen kann.
"Das alleine ist eine Veränderung, die weitreichend ist"
Dobovisek: Der "Spiegel" zitiert aus einem ersten Entwurf der Abschlusserklärung, in dem es heißt: "Wir nehmen die Entscheidung der USA zur Kenntnis, sich aus dem Paris-Abkommen zurückzuziehen." Etwas weiter im Text soll es dann heißen: "Die USA planen, eng mit anderen Partnern zusammenzuarbeiten, um ihnen den Zugang und Gebrauch fossiler Energien sauber und effizienter zu ermöglichen."
Das heißt übersetzt im Klartext: Die Amerikaner wollen sich nicht nur aus dem Abkommen zurückziehen, sie wollen weiter CO2-intensive Energieträger fördern und auch weiterhin den übrigen G20-Staaten zur Verfügung stellen. Was bedeutet das für den Klimaschutz?
Töpfer: Man muss das, glaube ich, auch sehr differenziert mitbetrachten, wobei ich da ganz sicher bin, dass eine solche Sprache sich am Ende wiederfinden wird. Wenn wir "die Amerikaner" sagen, dann muss man deutlich sagen, dass es massive Unterschiede innerhalb der USA gibt. Gehen Sie heute nach Kalifornien, und Sie werden sehen, dass die Klimapolitik unverändert weitergeführt wird. Ganz im Gegenteil: Mit großem Einsatz, denn man leidet sehr unter dem Klimawandel gerade auch dort. Gehen Sie in große Städte hinein wie New York und andere, dann werden Sie wiederum sehen, dass es keineswegs eine Abkehr vom klimapolitischen Kurs der vergangenen Wochen und Monate ist, sondern dass es eine klare Politik gibt, dieses weiter voranzubringen.
Das ist der faktische Bereich, aber der psychologische Bereich, der damit verbundene Abkehrprozess von allem, was man international, multilateral verhandelt hat, das zeigt, dass wir wirkliche eine etwas geänderte Welt, um es ganz vorsichtig zu sagen, vor uns sehen, in der tatsächlich die dringend notwendigen multilateralen Zusammenarbeiten, etwa mit den Vereinten Nationen, an den Rand gedrängt werden und durch bilaterale und auch sehr nationalbezogene Positionen ersetzt werden.
Das alleine ist eine Veränderung, die weitreichend ist, die sich in ganz besonderer Weise natürlich jetzt im Klimabereich niederschlägt.
Dobovisek: Schadet US-Präsident Donald Trump bereits dem Klima?
Töpfer: Ich glaube ja. Ich glaube nicht – es ist ganz eindeutig so, dass viele wiederum Unterstützung damit finden, die Beweislage der Wissenschaft schlicht und einfach zu ignorieren. Das kommt ja auch wiederum in einen ganzen Bereich, dass Wissenschaft nicht mehr wirklich in der gebührenden Weise zur Grundlage von Entscheidungen mit gemacht werden, sondern dass Meinungen darüber die Oberhand gewinnen.
Wir haben Fake News, wir haben all diese Entwicklungen, und wenn das nicht beitragen sollte, dass sich die gesamtgesellschaftliche Situation ändert, dann kann ja kaum noch jemand glauben, dass es noch weitergehen könnte.
Nein, ich muss hochrespektieren, dass die Verhandlungsintensität immer und immer wieder gesucht wird. Sicherlich kann man dazu der Bundeskanzlerin gratulieren, und das vor dem Hintergrund dieser dramatischen Bilder im Schanzenviertel. Ich habe gerade noch einmal BBC und andere internationale Sender gesehen: Diese Bilder beherrschen es, und die Sachproblematik auch in der Handelspolitik wird fast an den Rand gedrückt. Das ist bitter, und das ist wirklich ein ganz, ganz schlechtes Zeichen dafür, dass ohne fachliche, sachliche Grundlage sinnlose Gewalt so etwas überdeckt.
"Ich sehe es als eine wirkliche Schande an, dass so etwas innerhalb Deutschlands möglich ist"
Dobovisek: Überrascht Sie dieser Ausbruch der Gewalt?
Töpfer: Ja, das überrascht mich ganz eindeutig, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich sehe es als eine wirkliche Schande an, dass so etwas innerhalb Deutschlands möglich ist in einer Zeit, in der wir weiß Gott auch innerpolitische Probleme haben, aber in dem es dem Menschen gut geht, in dem sie weltweit sich mit einbinden können in Lösungen von Problemen. Das sollte mehr zu einer Kooperation, zu einem Gespräch, zu einem Dialog genutzt werden und nicht zu so einer sinnlosen Konfrontation.
Dobovisek: Wer trägt dafür die Verantwortung aus Ihrer Sicht?
Töpfer: Ach das kann man sicherlich aus der Ferne nicht so sagen. Ich glaube, die Verantwortung liegt bei denen, die glauben, das wäre ein legitimes Mittel in einer offenen Demokratie, was ich nur mit großem Nachdruck ablehne.
"Die Welt brauchen die USA in ihrer wirtschaftlichen Kraft und ihren wissenschaftlichen Grundlagen"
Dobovisek: Kommen wir zurück zum Klimaschutz, kommen wir zurück zu der Position der USA und auch der anderen Gipfelteilnehmer: Da wird nach wie vor versucht, einen Minimalkonsens zu finden. Sie sagen, Unterschiede sollten benannt werden. Bedeutet das, dass die USA isoliert werden sollten?
Töpfer: Ja, ich weiß nicht, ob sie isoliert werden sollten, ob sie sich isolieren. Es ist vielleicht die bessere Formulierung dabei. Keiner will, dass die USA aus diesen dringend notwendigen Maßnahmen von der Wissenschaft, über die Finanzierung bis zur konkreten Handlung ausscheidet. Ganz im Gegenteil: Die Welt braucht die USA in ihrer wirtschaftlichen Kraft und ihren wissenschaftlichen Grundlagen, aber es ist gegenwärtig so, dass sie sich nun wirklich selbst mitisoliert. Auch das, glaube ich, kann nicht von vornherein als ein Scheitern angesehen werden.
Wer sich selbst so herauszieht, der muss davon ausgehen, dass die anderen sich darüber Gedanken machen, wie kann so etwas kompensiert werden, denn dass die wissenschaftlichen Grundlagen, es gibt diesen Klimawandel, dass die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Energien zwingend ist … Ich war acht Jahre lang in Afrika gewesen.
Da braucht es ja nicht mal den Klimawandel, um zu wissen, wie notwendig es ist, dass wir die Palette der Energien erweitern. Auf neun Milliarden Menschen werden wir uns mit fossilen Energien allein nicht mehr beziehen können.
Also das sind alles Dinge, die nicht dazu führen, dass man die USA isoliert, sondern dass sich die USA isoliert hat und dass man alles dransetzen muss, Wege zu finden, um wirklich an Randbereichen, etwa bei der Finanzierung, etwa beim Technologietransfer wieder zusammenzukommen und Lösungsmöglichkeiten in Angriff zu nehmen.
"Ich glaube nicht, dass es eine Lösung wäre, die UN weiter zu schwächen"
Dobovisek: Wenn aber ein Präsident der USA mit einem Handstreich sozusagen jahrelange Verhandlungen einfach so vom Tisch fegen kann, stellt sich die Frage, sind die Vereinten Nationen mit ihren Foren noch der richtige Rahmen für wichtige Themen wie dem Klimaschutz?
Töpfer: Ich sagte, ich habe acht Jahre lang selbst als Under Secretary General der Vereinten Nationen arbeiten und dienen dürfen. Ich weiß, wie schwierig es ist, in einem Geflecht von über 190 Staaten immer wieder einen gemeinsamen Nenner zu finden, denn die Vereinten Nationen sind dem Prinzip der Einstimmigkeit und vor allen Dingen dem Prinzip "Ein Staat, eine Stimme" verpflichtet. Das ist immer und immer wieder eine große Herausforderung in vielen Problemen, so auch jetzt wieder.
Ich glaube nicht, dass es eine Lösung wäre, die UN weiter zu schwächen, sondern ganz im Gegenteil, dass auch wir aus Deutschland daraus eine ganz offensive UN-Politik machen, indem wir uns dazu wirklich immer und immer wieder bereit erklären, nur noch international lösbare Probleme auch dort zu verankern, von den großen Seuchenzügen, über die Frage von Lebensmittelsicherheit, über Terrorismus bis hin zum Klimawandel – alles das geht über die Kraft eines einzelnen Staates, sei er noch so groß, hinaus. Alles dieses erfordert ein globales Handeln, und dazu sind die Vereinten Nationen die richtigen Bezugsgrößen, und wir sollten sie stärken und nicht schwächen.
Dobovisek: Der frühere Umweltpolitiker Klaus Töpfer im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Interview!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.